ArbeitslosigkeitArbeitslosengeld nach Auslandsaufenthalt?
Beispiel: Jobverlust nach einer Anstellung im Ausland
M. Meier zog es wegen einer neuen beruflichen Herausforderung nach Spanien. Als er nach seinem Jobverlust nach Deutschland zurückkehrte und bei der Bundesagentur für Arbeit erfuhr, dass er kein Arbeitslosengeld bekommt, war er schockiert.
Anderthalb Jahre zuvor hatte er einen Job in einem Sportbekleidungsladen in Spanien angenommen. Er wollte sein Spanisch aufpolieren und Auslandserfahrung sammeln. Als er aufgrund einer Verletzung für längere Zeit krankgeschrieben wurde, verlängerte der spanische Arbeitgeber seinen Vertrag nicht. Meier fand keinen neuen Job und kehrte nach Deutschland zurück, um dort eine neue Beschäftigung zu finden.
Die einkommenslose Zeit wollte er mit Arbeitslosengeld I überbrücken, denn er hatte jahrelang Pflichtbeiträge in die Arbeitslosenkasse eingezahlt. Doch er sollte kein Arbeitslosengeld bekommen.
Rahmenfrist bei Beschäftigung im EU-Ausland einhalten
Wer einer Beschäftigung in einem anderen EU-Land nachgeht, muss grundsätzlich die sogenannte Rahmenfrist einhalten. Sie besagt: Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur, wer vom Tag der Antragstellung an gerechnet in den vergangenen zwei Jahren (Rahmenfrist) mindestens 12 Monate am Stück in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung in Deutschland eingezahlt hat.
M. Meier jedoch war in den 24 Monaten vor seiner Meldung beim Arbeitsamt 15 Monate versicherungspflichtig in Spanien beschäftigt. Davor hatte er – ebenfalls im Angestelltenverhältnis – mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet. In die Rahmenfrist fallen also nur 9 Monate versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland: 15 Monate Spanien + 9 Monate Deutschland = 24 Monate.
Für den Anspruch auf Arbeitslosengeld fehlen damit drei beitragspflichtige Monate. Wäre Meier drei Monate früher arbeitslos geworden und hätte sofort Arbeitslosengeld in Deutschland beantragt, so wäre seinem Antrag wohl stattgegeben worden: 12 Monate Spanien + 12 Monate Deutschland = 24 Monate.
Versicherungspflichtige Zeit in Deutschland entscheidend
Wäre M. Meier unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Spanien in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen – sogar ein einziger Tag würde reichen –, hätte er Arbeitslosengeld I bekommen.
Hintergrund: Der Anspruch auf Arbeitslosengeld richtet sich grundsätzlich nach der anzurechnenden Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers. Bei Arbeitslosigkeit in einem der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) können Betroffene sich die dort erworbenen Versicherungs- und Beschäftigungszeiten anrechnen lassen. Dafür ist das Formular PD U1 erforderlich. Diese Liste führt auf, wo dieser Vordruck im jeweiligen EU-Land angefordert werden kann. Das Formular muss vom ehemaligen ausländischen Arbeitgeber ausgefüllt werden.
Rückkehrer aus dem EU-Ausland müssen also noch vor der Beantragung der Arbeitslosenunterstützung mindestens einen Tag in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein (Zwischenbeschäftigung). Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, verfallen die bisher angesammelten Beitragszeiten für die Arbeitslosenversicherung.
Wer freiberuflich, also ohne eine Festanstellung, ins Ausland geht, hat diese Möglichkeit im Falle der Arbeitslosigkeit im Übrigen nur in Ausnahmefällen. In dem entsprechenden „Merkblatt 20 – Arbeitslosengeld und Auslandsbeschäftigung“ der Arbeitsagentur (Stand Dezember 2020) heißt es dazu:
„Ausländische Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten können für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder zur Erhöhung der Anspruchsdauer nur dann berücksichtigt werden, wenn zwischen der Auslandsbeschäftigung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit und Antragstellung in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wurde. Die Dauer dieser Beschäftigung ist nicht vorgeschrieben.“
Für Betroffene, die aus dem Ausland zurückkehren und diese Voraussetzung nicht erfüllen, bleibt somit nur die staatliche Grundsicherung – solange, bis sie einen neuen Job gefunden haben.
Sonderregelung für „echte“ und „unechte“ Grenzgänger
Die Regelung zur Zwischenbeschäftigung gilt nicht für „echte“ und „unechte“ Grenzgänger. „Echte“ (deutsche) Grenzgänger haben ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Deutschland, üben ihre Beschäftigung aber in einem anderen EU- oder EWR-Staat aus und kehren für gewöhnlich mindestens einmal pro Woche an ihren deutschen Wohnsitz zurück.
Damit unterliegen sie in der Regel der Versicherungspflicht desjenigen Landes, in dem sie ihre Beschäftigung ausüben. Bei Arbeitslosigkeit erhalten sie aber Geld von der Arbeitsbehörde desjenigen Landes, in dem sie ihren Wohnsitz haben (Wohnsitzgrundsatz). Bei „echten“ Grenzgängern ist dies Deutschland. Die beitragspflichtigen Versicherungszeiten aus dem Ausland werden dann ebenfalls mittels des Formulars PD U1 für den Anspruch auf das deutsche Arbeitslosengeld herangezogen.
„Unechte“ Grenzgänger behalten ihren Lebensmittelpunkt komplett in Deutschland und überqueren täglich die Grenze ins Ausland, um dort ihrer Tätigkeit nachzugehen. Auch sie haben im Fall von Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der Arbeitsagentur.
Sonderregelung für entsandte Arbeitnehmer
Arbeitnehmer, die im Rahmen eines deutschen Beschäftigungsverhältnisses von ihrem Unternehmen für eine Tätigkeit für maximal 24 Monate ins EU-Ausland entsandt werden, unterliegen in der Regel weiterhin den Vorschriften der deutschen Versicherungspflicht. Dafür müssen Arbeitgeber jedoch die nötigen Voraussetzungen laut der EG-Verordnung 883/2004 erfüllen. Wird der Arbeitnehmer nach Ende der Entsendung und Rückkehr nach Deutschland arbeitslos, so kann er regulär Arbeitslosengeld I beziehen.
Bei der Entsendung außerhalb der EU muss geklärt werden, ob mit dem Entsendeland ein Sozialversicherungsabkommen besteht, das den Zweig der Arbeitslosenversicherung erfasst. Des Weiteren gibt es vertragslose Länder, bei denen keine Fristen hinsichtlich der Weitergeltung der deutschen Vorschriften in puncto Arbeitslosigkeit bestehen. Dort muss der Arbeitgeber genau prüfen lassen, was zu tun ist.
Sollten Unternehmen für ihre entsandten Mitarbeiter nicht die Voraussetzungen für eine Weitergeltung der deutschen Vorschriften zur Arbeitslosenversicherung erfüllen, sind sie dazu verpflichtet, ihre Arbeitnehmer entweder freiwillig in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung anzumelden (per Antrag auf Versicherungspflichtverhältnis nach § 28a SGB III) oder privat abzusichern.
Sozialversicherungspflichtige Beitragszeiten nachweisen lassen
Beschäftigte, die im Ausland arbeiten, sollten sich noch vor ihrer Rückkehr in die Heimat bei einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit zur Sicherheit die Beitragszeiten nachweisen lassen.
Szenarien bei Arbeitslosigkeit im Ausland und Rückkehr nach Deutschland
Szenario 1:
M. Meier ist seit mindestens 12 Monaten sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt und geht für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit für 11 Monate ins EU-Ausland. Nach seiner Rückkehr findet er keinen Job.
M. Meier erhält für die Dauer von mindestens 6 Monaten Arbeitslosengeld I, denn in der Rahmenfrist liegen (deutsche) Versicherungszeiten von 12 Monaten.
Szenario 2:
M. Meier ist seit mindestens 12 Monaten sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt und geht für 10 Monate für eine Arbeit auf freiberuflicher Basis ins EU-Ausland. Nach seiner Rückkehr findet er keinen Job.
M. Meier erhält für die Dauer von mindestens 6 Monaten Arbeitslosengeld I, denn in der Rahmenfrist liegen (deutsche) Versicherungszeiten von 12 Monaten.
Szenario 3:
M. Meier ist in Deutschland freiberuflich tätig. Während dieser Zeit ist er nicht freiwillig arbeitslosenversichert. Er geht für 11 Monate ins EU-Ausland, wo er einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht.
M. Meier hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da in der Rahmenfrist von mindestens 12 Monaten keine deutschen Versicherungszeiten liegen. Die im EU-Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten werden nicht berücksichtigt.
Szenario 4:
M. Meier ist seit mindestens 12 Monaten sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt und geht für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit für 14 Monate ins EU-Ausland. Nach seiner Rückkehr nimmt er eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Bereits einen Monat später wird er erneut arbeitslos.
M. Meier hat Anspruch auf mindestens 6 Monate Arbeitslosengeld I, denn in der Rahmenfrist liegen deutsche und im EU-Ausland zurückgelegte Versicherungszeiten von mehr als 12 Monaten. Die im EU-Ausland erbrachten Versicherungszeiten müssen gegenüber der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden.
Szenario 5:
M. Meier ist seit mindestens 12 Monaten sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt und geht für 13 Monate ins EU-Ausland. Dort ist er für mindestens 20 Stunden pro Woche abhängig beschäftigt, das heißt vertraglich gebunden, aber nicht sozialversicherungspflichtig. Nach seiner Rückkehr nimmt er eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Einen Monat später wird er erneut arbeitslos.
M. Meier hat Anspruch auf mindestens 6 Monate Arbeitslosengeld I, wenn seine im EU-Ausland ausgeübte Beschäftigung in Deutschland in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gewesen wäre. Die im EU-Ausland ausgeübte Beschäftigung muss gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nachgewiesen werden.
Vor dem Job im Ausland gründlich informieren
Insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist es oft schwierig, unmittelbar nach dem Jobverlust im Ausland sofort wieder eine neue Beschäftigung in der Heimat zu finden. Umso mehr sind die Heimkehrer auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen.
Das bedeutet: Trotz der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die in der EU und im EWR gilt, sollte jeder Deutsche, der Joberfahrung im Ausland sucht, sich vorher genau überlegen, wie lange er dort einer Beschäftigung nachgehen will. Er sollte prüfen, ob er im Falle der Arbeitslosigkeit wenigstens für kurze Zeit nahtlos ein Angestelltenverhältnis in der Heimat eingehen kann. Denn davon hängt ab, ob er im Fall der Fälle überhaupt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.