ComplianceWen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betrifft
Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz BFSG) verpflichtet erstmals private Wirtschaftsakteure zu mehr digitaler Barrierefreiheit. Produkte und Dienstleistungen, die digital genutzt werden, müssen ab dem 29.06.2025 barrierefrei sein. Betroffene Produkte und Dienstleistungen sind zum Beispiel:
- Computer und Smartphones
- Telekommunikationsdienstleistungen
- Bankdienstleistungen
Doch nicht nur Hersteller, Importeure, Händler und Anbieter sind betroffen. Alle Unternehmen und Vereine müssen unter bestimmten Umständen bis zum 28.06.2025 Apps, Online-Shops, Dokumente und Webseiten barrierefrei gestalten.
Für wen ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetze nicht relevant?
Wenden sich Ihre Produkte und Dienstleistungen, Online-Shops, Webseiten, Apps, E-Books und Dokumente weder direkt noch indirekt an Verbraucher? Dann können Sie sich jetzt entspannen.
Lesen Sie bitte trotzdem weiter, um ein Verständnis für das Thema digitale Barrierefreiheit zu entwickeln. Nur weil Sie nicht dazu gezwungen sind, bedeutet es nicht, dass Sie im Business-to-Business-Bereich und speziell bei Mitarbeitenden durch Ihre digitale Barrierefreiheit nicht auch Wettbewerbsvorteile erzielen können.
Die folgenden Informationen (Stand Juli 2023) zum Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit stellen eine Orientierungshilfe dar – sie sind keine Rechtsberatung. Außerdem können die Forderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) noch angepasst oder erweitert werden.
Wer ist vom Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit betroffen?
Sie sind betroffen, wenn Sie
- Hersteller, Importeur oder Händler sind,
- bestimmte Dienstleistungen anbieten oder
- Leistungserbringer sind und
- Ihre Kunden oder Mitglieder direkt oder indirekt Verbraucher sind.
Ihre Organisation gehört dann zu den Wirtschaftsakteuren, die bis Mitte 2025 Produkte, Dienstleistungen, Apps, Online-Shops, Webseiten, E-Books und digitale Dokumente für Nutzerinnen und Nutzer barrierefrei(er) gestalten müssen.
Hersteller, Importeure und Händler
Sie sind Hersteller, Importeur oder Händler der folgenden Produkte:
- Fernsehgeräte mit Internetzugang, Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones, Mobiltelefone, E-Book-Reader oder Router,
- Geld-, Fahrausweis- oder Check-In-Automaten,
- Betriebssystem- oder Anwendungs-Software,
- E-Books oder Apps für die oben genannte Hardware sowie
- Bedienoberflächen für Automaten.
Falls Sie Hersteller solcher Produkte sind und noch keine BFSG-Taskforce eingerichtet haben, die sich intensiv mit den spezifischen Forderungen aus dem BFSG auseinandersetzt, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
Sie dürfen sonst Produkte, die nach dem Stichtag produziert werden, in Europa nicht mehr anbieten. Es gelten allerdings unterschiedliche Übergangsfristen für die einzelnen Produkt-Kategorien.
Sie sind Importeur oder Händler der aufgeführten Produkte? Dann müssen Sie zukünftig dafür Sorge tragen, dass alle Produkte, die nach dem Stichtag produziert werden und von Ihnen importiert oder verkauft werden, den BFSG-Anforderungen entsprechen.
Marktüberwachungsbehörden können hier – auch initiiert durch Verbraucher, Marktbegleiter und Verbände – dafür sorgen, dass Sie die Produkte in Europa nicht mehr einführen oder verkaufen dürfen.
Für Sie wird die Auswahl Ihrer Lieferanten entscheidend werden. Überprüfen Sie rechtzeitig Ihre Verträge und lassen Sie sich von den Herstellern über den Stand der Barrierefreiheit informieren.
Anbieter bestimmter Dienstleistungen
Sie sind Anbieter der folgenden Dienstleistungen:
- Telefon- oder Messenger-Dienstleistungen (Telemedien),
- Bankdienstleistungen,
- Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce) oder
- Bereitstellung von E-Books.
Wenn Sie Anbieter einer dieser Dienstleistungen sind, sollten Sie bereits eine Taskforce eingesetzt haben, die sich Ihre spezifischen Anforderungen genau ansieht. Es sei denn:
- Sie gehören zu den sogenannten „Kleinstunternehmen“ mit weniger als zehn Beschäftigten oder höchstens 2 Millionen Euro Jahresumsatz.
- Es ergeben sich durch die Barrierefreiheit grundlegende Veränderungen der Wesensmerkmale Ihrer Dienstleistung.
- Die Herstellung von Barrierefreiheit stellt für Sie eine unverhältnismäßige (nachweisbar bedrohliche) Belastung dar. Das müssen Sie proaktiv bei Ihrer Marktüberwachungsbehörde anzeigen.
Leistungserbringer
Viele Organisationen nutzen bei der digitalen Kommunikation mit Verbrauchern Dienstleistungen der Telemedien, Bankdienstleistungen oder Leistungen des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce). Damit werden Sie – dem BFSG nach – zu Leistungserbringern gegenüber Verbrauchern.
Sie gehören außerdem zu den Leistungserbringern, wenn Folgendes zutrifft:
- Sie sind kein Kleinstunternehmer.
- Die Barrierefreiheit führt nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale Ihrer Leistung.
- Es stellt für Ihre Organisation keine unverhältnismäßige Belastung dar, die Barrierefreiheit zu implementieren.
- Ihre Kundinnen und Kunden oder Mitglieder sind direkt oder indirekt Verbraucher.
Sie bieten folgende digitale Kommunikationsleistungen an:
- Apps: Sie bieten die Nutzung von Apps an.
- Online-Shops: Sie verkaufen über Ihre Website oder Ihren separaten Online-Shop Produkte oder Dienstleistungen.
- Website: Nutzer können auf Ihrer Website:
- sich in einen Kundenbereich einloggen,
- über ein Help-Desk-System ein Support-Ticket eröffnen,
- online Termine vereinbaren,
- ein Kontaktformular ausfüllen,
- einen Chatbot oder einen Rückruf-Service nutzen oder
- über einen Spendenbutton spenden.
Verlinkungen zu Online-Shops nicht betroffen
Ist der Online-Shop in Ihre Website integriert, müssen sowohl der Shop als auch die gesamte Website barrierefrei gestaltet sein.
Durch den bloßen Link zu einem Online-Shop, der nicht direkt auf Ihrer Website ist, werden Sie nicht zu einem Leistungserbringer. Gleiches gilt für einen Link zu einem Affiliate-Partner.
Website-Betreiber und das Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit
Wenn die Services auf Ihrer Website mit einer Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr in Verbindung stehen, handelt es sich um Dienstleistungen der Telemedien. Diese Dienstleistungen werden über Webseiten und auf Mobilgeräten elektronisch und auf Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht.
Nach den Vorschriften des BFSG ist in diesem Fall die gesamte Webseite barrierefrei zu gestalten; insbesondere in diesen Fällen:
- Neben kostenfreiem Content wird auch kostenpflichtiger Content angeboten.
- Sie beantworten Fragen zu Verkaufs- oder Supportzwecken über Chatbots oder über Rückruf-Services.
- Bei der Nutzung eines Spendenbuttons kommt eine Bankdienstleistung hinzu.
Das müssen Sie als Leistungserbringer unternehmen
Gehen Sie als Leistungserbringer so vor:
- Leiten Sie alle relevanten Information zeitnah an die Verantwortlichen in Ihrer Organisation weiter und bilden Sie eine übergeordnete Taskforce.
- Nutzen Sie Anbieter, deren Dienstleistungen barrierefrei sind und solche, die Ihnen jetzt schon zusichern können, dass deren Dienstleistungen bis zum Stichtag barrierefrei sein werden.
- Planen Sie die Umsetzung rechtzeitig mit internen und externen Dienstleistern, um die geforderten Änderungen möglichst noch weit vor dem Stichtag zu realisieren. Anfang 2025 werden alle entsprechenden Dienstleister ausgebucht sein.
Indem Sie den Anforderungen aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz entsprechen, stellen Sie nicht nur die Compliance sicher, sondern auch Ihre Nutzerinnen und Nutzer werden Ihnen diese Schritte danken. Und Sie können die Zielgruppe der auf Barrierefreiheit angewiesenen Menschen früher bedienen.
Weiterführende Informationen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Die aktuelle Fassung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes können Sie auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nachlesen.
Die etwas leichter verständlichen Leitlinien zum BFSG finden Sie bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit.