FührungFunktion und Aufgaben der Führungskraft bei Veränderungen
Zurzeit wird vorgeschlagen, dass Führungskräfte zum Coach ihrer Mitarbeitenden werden sollen. Hierarchische Strukturen werden zunehmend hinterfragt und Führung soll sich vor allem um die Entfaltung der Potenziale von Mitarbeitenden kümmern. Damit wird die Funktion der Führungskraft zum Thema.
Ob dazu die Rolle eines Coachs gehört, ist mehr als fraglich. Eine andere Perspektive auf die Funktion einer Führungskraft schafft bessere Grundlagen für Veränderungserfolg und braucht andere Tools, damit Theorie zur Praxis wird.
Warum können Führungskräfte nicht zum Coach werden?
Wer vorschlägt, dass Führungskräfte zum Coach werden sollen, um mit heutigen Herausforderungen fertig zu werden, der benutzt einen etablierten Begriff oberflächlich zu Marketingzwecken. Coaching ist seit vielen Jahren eine Weiterbildungs- und Entwicklungsstrategie mit sehr guten Ergebnissen.
Im Laufe der Zeit sind wesentliche Erfolgsgrundlagen des Coachings deutlich geworden. Eine besteht darin, dass ein kompetenter Coach die Interessen des Coachees in den Mittelpunkt stellt. Gemeinsam werden Lösungen erarbeitet, die dem Coachee nutzen. Der Coach hat also „keine eigenen Aktien im Spiel“.
Das ist bei der Führungskraft eben nicht so. Sie hat eigene Interessen.
Gute, erfahrene Mitarbeitende wissen von den unterschiedlichen Interessen. Sie argumentieren dann „taktisch“ und es wird Zeit vergeudet. So funktioniert Coaching also nicht.
Außerdem ist Coaching eine Reaktion auf Veränderungen. Führungskräfte müssen aber Veränderungen gestalten. Auch deshalb ist Coaching als Funktion einer Führungskraft zu hinterfragen.
Welche Funktion hat eine Führungskraft im Unternehmen?
Die Hierarchie macht den Unterschied zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Wenn hierarchische Strukturen zunehmend hinterfragt werden, dann kann sicherlich über die Höhe der Machtunterschiede und die Ausübung von Macht diskutiert werden.
Hierarchie hat aber die Aufgabe:
- Arbeitsteilung zu organisieren,
- Verantwortungsbereiche sinnvoll zu strukturieren,
- Führung zu delegieren und dann
- für ein gutes Zusammenspiel aller Bereiche im Unternehmen zu sorgen.
Führungskräfte haben in der Hierarchie eine klar definierbare Funktion. Sie sind verantwortlich für Ergebnisse des eigenen Verantwortungsbereiches.
Führungstheorien müssen Lösungen liefern zur Frage: „Wie erreicht eine Führungskraft die richtigen Ziele zusammen mit motivierten, fähigen Mitarbeitenden in ihrem Team über geeignete Wege (Aufgaben und Prozesse)?“ Diesen Zusammenhang zeigt die folgende Abbildung.
In Zeiten ohne große Veränderungen ist die Kombination von Zielen, Aufgaben und Prozessen sowie Mitarbeitenden im Team keine Herausforderung. Hat sich alles einmal eingespielt und funktioniert es, braucht es nur beibehalten zu werden. Kleinere, einzeln auftretende Veränderungen können isoliert durchgeführt werden, ohne das große Ganze zu verändern.
Warum ist die Führungsfunktion heute herausfordernder?
Heute ist die Situation eine andere. Veränderungsbedarfe entstehen kontinuierlich, sind manchmal gravierend und können alle Elemente des Modells betreffen, oft gleichzeitig. Aus dem Funktionsmodell können alle notwendige Führungsaktivitäten abgeleitet werden.
Die folgende Abbildung zeigt für eine Führungskraft im Vertrieb konkrete, beispielhafte Inhalte und Einflussgrößen, die zu berücksichtigen sind.
Die Ziele ändern sich, neue digitale Methoden zur Aufgabenbearbeitung sollen eingeführt werden und verändern Aufgabeninhalte. Die Erwartungen von Mitarbeitenden wollen berücksichtigt werden.
Die Komplexität der Führung steigt auch, weil sich die Elemente untereinander beeinflussen. So entstehen Herausforderungen wie:
- Können mit bestehenden Aufgaben eigentlich neue Ziele erreicht werden?
- Müssen Aufgaben und Personalkapazitäten anders organisiert werden, wenn Digitalisierung Arbeitsmethoden verändert oder mehr Teilzeitstellen gewünscht werden?
- Wie wird mit knappen oder reduzierten Personalkapazitäten umgegangen?
- Wie passt Homeoffice in das Bild?
- Wie kann ergebnissicher delegiert werden?
- Wie wird Weiterbildung zeitlich möglich und vom Ergebnis her effektiver?
- Bleibt Zeit für Innovationen?
Dazu kommt: Die Geschäftsleitung erwartet Ergebnisse, die heute immer genauer definiert und gemessen werden. Mitarbeitende haben Interessen, die Führungskräfte erfüllen sollen.
Auf all diese Fragen müssen Führungskräfte Antworten finden. Haben sie keine Antworten, steigt der Stresspegel und der Weg in eine schlechte Work-Life-Balance ist vorgezeichnet – für die Führungskraft und für die Mitarbeitenden. Die Bindung ans Unternehmen schwindet, die „innere Kündigung“ wird forciert.
Welche Aufgaben ergeben sich daraus für Führungskräfte?
Führungskräfte bekommen die Führungsfunktion von der Unternehmensleitung übertragen. Wollen sie ihre Funktion erfolgreich erfüllen, müssen sie ihren Verantwortungsbereich bei Veränderungsbedarf neu ausrichten, gestalten und die Interessen und Kompetenzen der Mitarbeitenden berücksichtigen.
Das erfordert Planung, Organisation und strategische Überlegungen. Das sind Aufgaben für Führungskräfte, denn dafür sind sie da. Und das unterscheidet sie von Mitarbeitenden.
Sie sind eben nicht nur Moderator oder Coach. Wer führen will, muss zumindest einen Vorschlag auf den Tisch legen, wohin es gehen soll. Natürlich sind Mitarbeitende in Planungen einzubeziehen. Je intensiver, desto sicherer ist der Erfolg. Wer Betroffene zu Beteiligte macht, steigert die Akzeptanz und erlebt weniger (oft nicht ausgesprochene) Widerstände.
Außerdem erhält man weitere Ideen, denn „Vier Augen sehen mehr als zwei“, und man bekommt Informationen aus einer anderen Perspektive. Die Erwartungen der Unternehmensleitung, die notwendigen Analysen, die Suche nach alternativen Lösungen, kurz, die Vorlagen für veränderbare Entscheidungen müssen von der Führungskraft kommen.
Wie setzen Führungskräfte das um?
Diese Funktion einer Führungskraft wird in klassischen Führungstheorien nicht deutlich. Das direkte Führungsverhalten gegenüber Mitarbeitenden steht im Mittelpunkt. Dazu zählen:
- respektvolles Verhalten sichern
- positives Selbstwertgefühl der Mitarbeitenden und der Führungskraft erhalten
- mit Mitarbeitenden kommunizieren
- mit Konflikten umgehen
- mit Ängsten umgehen
- Teamgeist fördern
- Veränderungen realisieren
- Mitarbeitende einbeziehen
Die Basis der direkten Führung ist gute Kommunikation. Klassische Führungstrainings sind deshalb zu großen Teilen Kommunikationstrainings. Für Gesprächstechniken wie Feedback, aber auch für Gesprächssituationen wie Teambesprechungen, Führungs-, Mitarbeiter- oder Bewerbungsgespräche gibt es gute Grundlagen, erfolgreiche Methoden und viel Erfahrung.
Mit welchen Tools gestalten Führungskräfte aber ihren Verantwortungsbereich? Wie entwickeln sie erfolgversprechende Vorschläge? Wie erfüllen sie die Forderung nach guter indirekter Führung? Erst die folgenden Vorarbeiten liefern die Inhalte für direkte Führung, um Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einzubeziehen:
- mehr Zeit für Führung bekommen
- sich selbst managen
- mit Zielen umgehen
- den eigenen Verantwortungsbereich organisieren
- Aufgaben (besser) verteilen
- Personalbedarf klären
- Stellen dauerhaft gut besetzen
- effektiver trainieren
- Innovationen finden
- mit Schnittstellen umgehen
Hierzu benötigen Führungskräfte andere Kompetenzen und Tools. Sie müssen unter anderem:
- in Strategien denken
- zielorientierte Führung kompetent anwenden
- klassische Stellenbeschreibungen durch Aufgabenanalysen ersetzen
- eine Job-Matrix erarbeiten
- Personalkapazitäten einschätzen
- Kompetenzanalysen erstellen