ProduktplanungInterviewpartner für ein JTBD-Interview rekrutieren

Interviews sind ein wichtiger Bestandteil von Jobs-to-be-done (JTBD). Durch die Kommunikation mit Interviewpartnern erhalten Unternehmen tiefere Einblicke in die tatsächlichen Bedürfnisse, Motivationen und Probleme der Nutzerinnen und Nutzer, um bessere Produktlösungen zu entwickeln. Der Experte erläutert in diesem Beitrag, wie Sie geeignete Personen finden, auswählen und zur Teilnahme motivieren.

Warum Sie geeignete JTBD-Interviewpartner brauchen

Jobs-to-be-done (JTBD) gewährt tiefere Einblicke in die tatsächlichen Aufgaben, die Kundinnen und Kunden mithilfe eines Produkts oder einer Dienstleistung zu erledigen versuchen. Mit einem JTBD-Interview beleuchten Sie,

  • welche Lösungen Ihre Kunden wann und unter welchen Umständen in Betracht ziehen,
  • was es bedarf, damit sie die Lösung (in der Regel ein Produkt oder eine Dienstleistung) dauerhaft verwenden und
  • so zu echten Fans werden.

Der Erfolg solcher Interviews hängt maßgeblich von der richtigen Auswahl der Interviewgäste ab. Falsche Kandidaten führen zu unklaren Ergebnissen und erhöhen den Aufwand für Interviews und Auswertung erheblich, insbesondere für unerfahrene Interviewer.

Gut ausgewählte Interviewgäste liefern wertvolle Daten, die über den aktuellen Projektkontext hinausgehen – bei gleichen oder sogar geringeren Kosten. Ein gutes JTBD-Interview dauert 60 bis 90 Minuten.

Wie gelingt es Ihnen, die richtigen Menschen für ein solches Interview zu gewinnen?

Was möchsten Sie durch das Interview erreichen?

Bevor Sie damit beginnen, aktiv Kandidatinnen und Kandidaten für JTBD-Interviews zu rekrutieren, machen Sie sich klar, was Ihr Projektziel ist und welche Lernziele sich daraus für die Interviews ableiten lassen. Dies beeinflusst die Auswahl der richtigen Interviewgäste erheblich.

Je nach Fokus Ihres Projekts – ob etwa Marketing, Produktentwicklung, Innovation oder strategische Entwicklung – müssen unterschiedliche Personengruppen interviewt werden. Das gilt unabhängig davon, ob Sie im B2B, B2C, B2G oder B2B2C Geschäft tätig sind. Ihr Projektziel gibt die Richtung vor und bestimmt, welche Informationen vorrangig in JTBD-Interviews ermittelt werden sollten.

Ein klares Verständnis Ihres wichtigsten Ziels gewährleistet, dass Sie genau die Personen identifizieren, die Ihnen dabei helfen werden, einen echten Fortschritt bei der Zielerreichung zu machen. Damit stellen Sie sicher, so viele Interviews wie nötig und so wenig wie möglich zu führen.

Sie benötigen für ein Interview ausschließlich Personen mit Erfahrungen aus erster Hand, die einen dafür relevanten Vorgang selbst erlebt haben. Nur mit diesen Personen können Sie ausschlaggebende Verhaltensmuster und Kausalitäten ermitteln, die es Ihnen ermöglichen, selbst einen Fortschritt für Ihr Geschäft zu erreichen. Geeignete Kandidatinnen und Kandidaten sollten:

  • eine Kaufentscheidung getroffen,
  • ein Problem gelöst und
  • einen Fortschritt gemacht haben.

Wen sollten Sie interviewen?

Unabhängig von Projekt- oder Researchzielen gibt es grundsätzlich einige Personengruppen, die in jeweils unterschiedlicher Zusammensetzung und Anzahl für JTBD-Interviews benötigt werden. Sie führen generell Interviews mit Menschen, die in der jüngsten Vergangenheit:

  • Ihr Produkt erstmals gekauft und/oder verwendet haben,
  • Ihr Produkt zum wiederholten Mal gekauft und/oder verwendet haben,
  • das Produkt eines Ihrer direkten Wettbewerber erstmals gekauft und/oder verwendet haben,
  • von Ihrem Produkt nach wiederholter Nutzung zu einer anderen Lösung gewechselt sind,
  • erstmals eine alternative Lösung gekauft und/oder verwendet haben,
  • nach längerer wiederholter Nutzung einer alternativen Lösung zu einer anderen Lösung gewechselt sind,
  • starken Einfluss auf die Kaufentscheidung Ihres Produkts hatten, das erstmals gekauft und verwendet worden ist,
  • innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmens starken Einfluss auf die Kaufentscheidung einer alternativen Lösung hatten, die erstmals gekauft und verwendet worden ist.

Gespräche mit begeisterten Stammkunden bringen kaum Erkenntniswert und führen häufig, gerade bei unerfahrenen JTBD-Researchern, zu Fehlinterpretationen. Auch wenn diese Personen meistens leichter für solche Interviews zu gewinnen sind, sollten Sie sie nur einbeziehen, wenn Sie deren Erfahrungen gemäß Ihres Projektzieles wirklich benötigen.

Wie und wo Sie Ihre besten Interviewgäste finden

Prinzipiell gibt es zwei mögliche Wege, an geeignete Interviewgäste zu kommen:

  • Interne Rekrutierung
    Sie oder Ihre Mitarbeitenden rekrutieren selbst, unter Nutzung von Vertriebs-, After-Sales- und Marketing-Kanälen. Nutzen Sie zum Beispiel bestehende Kundenkontakte, Social Media, Business-Netzwerke wie LinkedIn und Xing und Konferenzen.
  • Agenturen beauftragen
    Agenturen sind besonders bei der Rekrutierung von Nichtkunden hilfreich. Dies kann kostspielig sein, ist aber oft effizienter und ressourcensparender als die interne Rekrutierung.

Interne Rekrutierung

Interne Rekrutierung wird häufig als erste Option in Betracht gezogen, ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Eine solche Vorgehensweise empfiehlt sich vorwiegend dann, wenn die Verantwortlichen über Vertriebserfahrung und insbesondere über Fähigkeiten in der Kaltakquise verfügen. Der Gedanke, selbst zu rekrutieren, erscheint zunächst attraktiv, da scheinbar keine zusätzlichen Kosten anfallen.

Allerdings führen diese Bemühungen oft zu suboptimalen Kompromissen bei der Terminierung und verursachen mitunter hohe interne Folgekosten, wenn die gewünschten Ergebnisse nicht sofort erzielt werden. Eine sorgfältige Vorbereitung von Textvorlagen, Zeitplänen und Buchungsmöglichkeiten für Interviews ist unerlässlich.

Unter diesen Voraussetzungen ist eine interne Rekrutierung sinnvoll, wenn eigene Kundinnen und Kunden oder Nutzerinnen und Nutzer benötigt werden; andernfalls empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einer Agentur.

Eine gute Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Marketing kann den Prozess der internen Rekrutierung erleichtern, insbesondere wenn es darum geht, solche Produkte zu berücksichtigen, die Kunden erst kürzlich erworben haben. Zudem kann interne Rekrutierung in komplexeren B2B-Projekten von Vorteil sein, um spezialisierte Funktionsträger für Interviews zu gewinnen und das eigene Netzwerk zu nutzen.

Insofern das interne Marketing eingebunden werden kann, ist auch eine interne Rekrutierung von Interviewkandidaten denkbar, die alternative Lösungen oder Wettbewerbsprodukte nutzen oder erworben haben. Dafür ist jedoch mindestens eine hinreichende Erfahrung im Umgang mit Social-Media-Plattformen und Kanälen erforderlich, ebenso wie Kenntnisse in der Anzeigengestaltung und Adbooking.

Auch die Nutzung von Foren kann von Bedeutung sein. Welche Kanäle hierbei in Betracht kommen, hängt stark davon ab, um welche Produkte, Services oder Lösungen es letztlich geht.

Wie gehen Sie bei der internen Rekrutierung vor?

Für den Fall, dass Sie selbst rekrutieren, gehen Sie wie folgt vor:

  1. Fragen Sie eine Zielperson zunächst, ob sie es sich grundsätzlich vorstellen könnte, Ihnen zu helfen und an einer Studie teilzunehmen, oder ob sie dieses kategorisch ausschließen.
  2. Erst, wenn eine grundsätzliche Zustimmung vorliegt, geben Sie weitere Informationen preis, und dann zunächst nur Informationen, nach denen gefragt wird.
  3. Nach Erhalt der Zustimmung können Sie klarstellen, dass lediglich 45 bis 60 Minuten der Zeit des Kandidaten erforderlich sind.
  4. Falls die Person weiterhin bereit ist, an der Studie mitzuwirken, sollten Sie einen Termin vereinbaren, die Kontaktdaten erfassen und die Person schriftlich mittels vorbereiteter Informationen per E-Mail oder anderen Kommunikationswegen informieren.
  5. Es ist wichtig, rechtzeitig vor dem vereinbarten Termin entsprechende Erinnerungen zu versenden. Hierfür empfiehlt sich der Einsatz automatisierter Terminbuchungstools, die mittlerweile in großer Auswahl und oft kostenfrei verfügbar sind.

Agenturen beauftragen

Eine Agentur zu beauftragen, erzeugt erfahrungsgemäß zunächst die Befürchtung, dass dadurch hohe Kosten entstehen könnten. In der Regel ist das Gegenteil der Fall: Sie sparen tendenziell Kosten und Aufwand. Durch die Beauftragung von Profis für die Rekrutierung von geeigneten Interviewgästen lassen sich Zeitpläne bedeutend besser und zuverlässiger einhalten.

Es gibt inzwischen mehrere Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, Interviewgäste für Marktforschungszwecke zu rekrutieren, ohne die Marktforschung selbst durchzuführen.

Wie viel kostet das?

Die Preise hierfür variieren nicht mehr so stark, wie noch vor einigen Jahren. In der Regel beginnen die Kosten für das Finden eines Interviewgastes inklusive Anreiz bei rund 100 EUR für Konsumenten. Das setzt voraus, dass Sie einen einfachen und gut strukturierten Screener haben; das ist ein Dokument mit Filterfragen, um die richtigen Kandidaten zu identifizieren. Nach oben hin gibt es keine Grenzen.

Es gilt die Faustregel: Die Rekrutierungskosten über eine Agentur steigen mit der Länge der Interviews. Für Konsumenteninterviews sollten Sie mindestens 60 Minuten Interviewzeit einplanen. Für Business-to-Business-Interviews sollten es in der Regel mindestens 90 Minuten sein.

Die Agenturkosten steigen in der Regel proportional mit der Komplexität des Profils der gesuchten Kandidaten. Je spezieller und spezifischer das Profil, desto mehr Screener-Fragen werden benötigt, um die geeigneten Kandidaten herauszufiltern. Mit jeder zusätzlichen Screener-Frage steigen in der Regel auch die Rekrutierungskosten.

Gute Screener lassen sich allerdings meist mit weniger als fünf Filterfragen erstellen. Das erfordert jedoch hinreichende Erfahrung bei der Ausgestaltung von Kandidaten-Screenern und klare Ziele.

Was sollten Sie vorbereiten?

Auch bei der Beauftragung einer Agentur für das Rekrutieren von Interviewgästen ist es wichtig, im Vorfeld Textvorlagen mit genauen Anweisungen für die Interviewgäste zu erstellen. Diese Agenturen sind oft nicht daran gewöhnt, Kandidaten für JTBD-Interviews zu vermitteln, die sich von normalen Marktforschungsinterviews unterscheiden.

Damit das Interview ein Erfolg wird, müssen die Gäste vorher über den groben Ablauf informiert werden. Auch die zeitliche Vorbereitung ist wichtig. Ein interaktiver Kalender kann hier sehr nützlich sein, um den Koordinationsaufwand zwischen der Agentur und Ihrem Unternehmen zu reduzieren. So steht einer zuverlässigen Buchung nichts mehr im Weg.

Wann sollten Sie Agenturen kontaktieren?

Bedenken Sie, dass Agenturen in der Regel mindestens zwei bis drei Tage Vorlaufzeit benötigen, um geeignete Kandidaten zu finden. Es ist zwar möglich, auch kurzfristiger Kandidaten zu finden, aber das kann zusätzliche Kosten verursachen.

Es ist auch sinnvoll, sich die Agenturen im Vorfeld anzusehen und gegebenenfalls direkt Kontakt aufzunehmen, um sicherzustellen, dass sie die passenden Kandidatenprofile vermitteln können. Hierfür ist es notwendig, einen Screener mit geeigneten Filterfragen zu erstellen. Diese Fragen sollten leicht zu beantworten und klar formuliert sein, um festzustellen, ob ein Kandidat geeignet ist oder nicht.

Wie motivieren Sie potenzielle Interviewpartner?

Incentives (Anreize) sollten grundsätzlich für alle Interviewgäste eingeplant werden. Wenn Sie über Agenturen rekrutieren, sind finanzielle Anreize meistens im Preis inklusive. Es gibt allerdings auch Agenturen, bei denen Sie das Incentive-Budget gesondert einstellen müssen.

Egal, ob Sie intern oder über eine Agentur rekrutieren: Je höher das Incentive, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie Ihr Timing einhalten können. So rekrutieren Sie zuverlässig Kandidatinnen und Kandidaten und die No-Show-Quote bleibt möglichst gering. Sie erkaufen sich dadurch eine bessere Planbarkeit.

Andererseits, wenn der Anreiz zu hoch ist und Sie über Agenturen rekrutieren, kann es passieren, dass Sie Profi-Umfrageteilnehmer anziehen. Diese Kandidatinnen und Kandidaten nehmen oft an Marktforschungsprojekten teil, um sich dadurch ihren Lebensunterhalt zu verdienen und verstehen es häufig, Screener so zu beantworten, dass sie ins Profil passen, obwohl sie eigentlich nicht passen.

Ein sorgfältig erarbeiteter Screener ist notwendig, um solche Personen frühzeitig herauszufiltern.

Im Business-to-Business-Bereich sind die Incentives in der Regel höher. Nicht immer ist es ratsam, hier Anreize proaktiv anzubieten. Allerdings sollten Sie diese möglichen Kosten grundsätzlich in Ihre Budgetplanung einbeziehen. Es gibt hier kein generelles Richtig oder Falsch.

Wir setzen häufig die Incentives im Konsumenten-Bereich für ein 60-minütiges Interview im Bereich zwischen 40 und 60 EUR an. Mit diesem Budget verbessert sich die Zuverlässigkeit der Kandidaten erheblich.

Ist die Einbindung eines erfahrenen Profis sinnvoll?

Es lohnt sich, diesen Prozess von einem erfahrenen Profi begleiten zu lassen. Insbesondere ein gemeinsamer Workshop zur Erarbeitung geeigneter Kandidatenprofile ist ratsam. Ein solcher Workshop kann sicherstellen, dass die Ziele klar definiert sind und die Auswahl der Interviewgäste gezielt erfolgt.

Der Profi bringt nicht nur Fachwissen ein, sondern hilft auch, typische Fallstricke zu vermeiden. Er sorgt dafür, dass die erarbeiteten Profile die spezifischen Anforderungen Ihres Projekts genau widerspiegeln.

Fazit: Den Grundstein für erfolgreiche JTBD-Interviews legen

Die richtige Rekrutierung von Interviewgästen ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg Ihrer JTBD-Interviews. Mit klar definierten Zielen, gut durchdachten Auswahlkriterien und einer gezielten Ansprache der Kandidaten können Sie sicherstellen, dass Ihre Interviews wertvolle Einblicke liefern, die Ihr Unternehmen voranbringen.

Die Begleitung durch einen erfahrenen Profi und die gezielte Weiterbildung im JTBD-Framework können den Prozess optimieren und langfristig die Innovationskraft Ihres Unternehmens stärken. Nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre internen Fähigkeiten durch Workshops und Schulungen, wie den Mastering Jobs-to-be-done Online-Workshop, zu erweitern.

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