Supply Chain ManagementLieferketten-Probleme vermeiden in vier Schritten
Welche Probleme mit den Lieferketten entstehen können
Oft zeigen sich Lieferketten-Probleme erst in der Krise, wenn ein Unternehmen im Einkauf Fehler begangen hat. Vor allem dann, wenn es von internationalen Lieferketten oder einem einzigen Lieferanten abhängig ist.
Die Suche nach neuen Lieferanten erfolgt in vielen Fällen manuell und ist damit kostspielig und langwierig. Die Zulieferer bestimmter Produkte sind nicht selten zentralisiert und nach potenziellen (neuen) Lieferanten wird zu spät Ausschau gehalten. Oft erst dann, wenn sie gebraucht werden.
Auch in Nicht-Krisenzeiten spüren Unternehmen die negativen Auswirkungen: Zulieferer mit neuen, innovativen Produkten gehen ihnen aufgrund des manuellen Scoutings verloren. Die Abhängigkeit von einigen Lieferanten schwächt die Verhandlungsposition der Einkäufer. Alternativen zu vergleichen, ist aufgrund des langwierigen Prozesses schwierig.
In vier Schritten Lieferketten-Probleme vermeiden
1. Scouting digitalisieren
In den vergangenen Jahren wurden viele unternehmensinterne Arbeitsprozesse digitalisiert und automatisiert. Das Beschaffungswesen sowie das Scouting neuer Lieferanten im Speziellen blieb von dieser Entwicklung größtenteils unberührt und ist noch immer manuell und vom Faktor Mensch abhängig.
Dabei ist das Beschaffungswesen laut Bain & Company für die meisten Unternehmen mit durchschnittlich 43 Prozent der Gesamtausgaben der größte alleinstehende Kostenträger – und gleichzeitig elementar für die Aufrechterhaltung des Betriebs.
Fällt ein Lieferant aus, stehen die Fließbänder still. In Nicht-Krisenzeiten resultiert diese Abhängigkeit von einigen wenigen Lieferanten für viele Unternehmen in einer schwachen Verhandlungsposition (etwa bei Preisverhandlungen).
Trotz der entscheidenden Rolle des Beschaffungswesens sind Einkaufsexperten gezwungen, den mühsamen Weg zu gehen: Sie durchforsten das persönliche Netzwerk, knüpfen Kontakte auf Messen oder durchsuchen das Internet nach neuen Lieferanten.
Alles sehr aufwendig. So vergehen Monate, bis Firmen alle Informationen für eine Entscheidung gesammelt haben und den Lieferanten der Wahl onboarden können. Im Krisenfall kommt Unternehmen dies teuer zu stehen. Denn schnell auf Alternativ-Lieferanten umsteigen ist in den meisten Fällen kaum möglich.
Für stabile Lieferketten ist ein modernes, digitales Scouting Grundvoraussetzung: Eine künstliche Intelligenz scannt unzählige Quellen und Datenbanken nach Finanzunterlagen, Referenzkunden, TÜV-Zertifizierungen und mehr – und das in verschiedenen Sprachen.
Mit praktisch allen Informationen, um fundiert entscheiden zu können:
- Ist der Lieferant vertrauenswürdig?
- Und kann er liefern, was ich brauche?
Anschließend werden in wenigen Tagen und Wochen bedarfsgerechte Longlists mit passenden Lieferanten für die Einkäufer erstellt.
2. Proaktiv Scouten
Im nächsten Schritt muss sich in vielen Unternehmen das Verständnis von Scouting verändern. Bislang ist das Scouting ein reaktiver Prozess. Es wird ein neuer Lieferant gebraucht, etwa für eine neue Fabrik oder eine neue Produktlinie, dann das Einkaufsteam kontaktiert. Dieses sucht nach einem Lieferanten, qualifiziert diesen und schließt die Suche ab.
Es findet kein oder kaum proaktives kontinuierliches Scouting statt. Für ausgiebige Recherchen fehlen die Ressourcen; das Scouting ist zu zeitaufwendig. Entsprechend viele mögliche Lieferanten fallen durch das Raster. Man kann nur wenige Optionen screenen. In der Folge bleiben Lieferketten und Lieferantennetzwerke dünn.
Das digitale, teilautomatisierte und proaktive Scouting verschafft den Einkäufern Zeit, ausführliche Recherchen durchzuführen, Netzwerke aufzubauen und stets die größtmögliche Übersicht über den Lieferanten-Markt zu haben.
Dieser proaktive Ansatz bei der Lieferantensuche gewährt im Krisenfall durch Lieferantenausfälle die dringend benötigte Reaktionsgeschwindigkeit. Die richtige und vor allem schnelle Antwort hält im Umkehrschluss die Lieferketten stabil und sichert Wettbewerbsvorteile.
3. Second Sources aufbauen
Das proaktive Scouting mündet nicht selten automatisch im Aufbau wichtiger Second Sources. Das sind Zulieferer, die im Ernstfall nahtlos die Produktion und Lieferung benötigter Komponenten übernehmen können. Zunächst mag ein Investment in die Erweiterung des Lieferantennetzwerks als vermeidbare Kosten verbucht werden. Spätestens im Falle eines Lieferantenausfalls rechnet sich eine etablierte alternative Quelle jedoch.
Schließlich muss ein potenzieller Lieferant im Krisenfall nicht nur gefunden werden. Er muss qualifiziert werden, der Lieferant muss Personal schulen und Werkzeuge bauen sowie die Qualitätssicherung durchlaufen. In der Zwischenzeit steht die Produktion des Auftraggebers still. Unternehmen, die Ressourcen für jene Second Sources aufwenden, haben im Krisenfall Alternativen parat.
Vielleicht produzieren die Ersatz-Lieferanten bereits durchgängig kleinere Mengen des Produktes und haben entsprechende Werkzeuge und geschultes Personal im Unternehmen sowie die Qualitätssicherung durchlaufen.
Ein oft fataler und teurer Produktionsstopp wird so vermieden und die anfänglichen Kosten für den Aufbau von Second Sources wirken im Vergleich zu Kosten für Produktionsausfälle geradezu marginal.
4. Zulieferer global verteilen
In vielen Fällen konzentrieren sich mehrere Lieferanten in bestimmten Zulieferer-Hotspots. Fukushima war beispielsweise vor der Kraftwerk-Katastrophe ein Sammelpunkt für Produzenten von Chip-Technologie. Wuhan ist ein Zentrum für Automobilzulieferer. Aufgrund der Bekanntheit dieser Gegenden greifen Unternehmen oft auf Zulieferer aus diesen Hotspots zurück.
Im Falle einer Naturkatastrophe oder bei Handelszöllen sind in der Folge jedoch oft nicht nur einzelne Zulieferer, sondern gleich eine Vielzahl möglicher Lieferanten betroffen. Deshalb müssen Unternehmen beim Aufbau ihrer Lieferantennetzwerke einen Fokus auf eine globale Verteilung legen.
Je dezentraler Lieferanten verteilt sind, desto geringer das Risiko, auf einen Schlag alle (temporär) zu verlieren. 50 Prozent oder mehr des Einkaufsportfolios sind global verteilbar, das Ausfallrisiko und damit einhergehende Lieferanten-Probleme sind minimierbar.