MarktpolarisierungPreisplanung im mittleren Marktsegment
Ist das mittlere Preissegment überhaupt attraktiv?
Schon seit geraumer Zeit empfehlen Experten, das mittlere Segment zu verlassen und sich zu fokussieren. Der Grund: Kundinnen und Kunden kaufen am liebsten entweder billig oder teuer. Sowohl das Luxus-Segment als auch das „Low-Budget-Segment“ boomen.
Insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel wurden die Anbieter im mittleren Segment von ihren Billig-Konkurrenten Aldi und Lidl aufgerieben. Manche Märkte haben diesen Kampf bereits aufgegeben. Andere haben mit einer eigenen Billig-Marke gekontert: REWE mit Penny oder Edeka mit Netto.
Was bedeutet mittleres Marktsegment?
Das mittlere Marktsegment definiert sich in diesem Fall über das Preisniveau. Vergleichbare Produkte (Kühlschränke, Autos, Mobiltelefone, Taschen etc.), die im Wettbewerb miteinander stehen, werden für sehr unterschiedliche Preise angeboten. Zwischen dem billigsten und dem teuersten Produkt gibt es eine Preisspanne. Das mittlere Marktsegment liegt dabei in etwa in der Mitte.
Diese Produkte zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie kein richtiges Profil haben. Im Vergleich zu den billigen sind sie zu teuer; im Vergleich zu den teuren fehlen ihnen Leistungsmerkmale oder ein bekannter Markenname.
Das Modell der Marktpolarisierung
Dahinter steht das Strategie-Modell von Michael Porter, der schon in den 80er Jahren herausgearbeitet hat, dass es nur drei erfolgversprechende Strategien gibt:
- Kostenführerschaft: immer der günstigste zu sein;
- Differenzierung: sich von allen Wettbewerbern durch einzigartige Produkt- und Leistungsmerkmale abzuheben;
- Konzentration auf Schwerpunkte: sich auf einzelne Regionen oder Käuferschichten zu beschränken (Nischenanbieter).
Der Strategie-Guru Porter hat schon damals erkannt,
„dass ein Unternehmen, dem es nicht gelingt, seine Strategie zumindest in eine dieser drei Richtungen zu entwickeln – das also 'zwischen den Stühlen' sitzt – in einer äußerst schlechten strategischen Situation ist.“
[Quelle: Michael Porter: Wettbewerbsstrategie, 1983]
Das Phänomen der Marktpolarisierung ist nicht nur in Konsumgütermärkten zu erkennen. Auch im Bereich B2B haben es die „Allerwelts-Anbieter“ schwer. Denn es gibt Produkte, bei denen nur der Preis zählt. Wer nicht das günstigste Angebot hat, wird in absehbarer Zeit nicht mehr konkurrenzfähig sein.
Für andere Kundinnen und Kunden spielt der Preis aber nicht die entscheidende Rolle. Für sie zählt die Leistung und sie legen Wert auf einen umfassenden Service und herausragende Qualitätsmerkmale:
- Kurzfristige Lieferfähigkeit
- technologische Flexibilität
- Beratung
- Logistik-Service
- Finanzierungsangebote
sind für diese Kundinnen und Kunden entscheidend, wenn sie neue Lieferanten suchen.
In welchem Maße mittelmäßige Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden, ist von Branche zu Branche und von Region zu Region sehr unterschiedlich. Denn das Verhalten der Konsumenten und gewerblichen Kunden ist nicht überall gleich.
Deutschland ist bekannt dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher häufig bei Lebensmitteln sparen; deshalb geht hier der Trend zum Discounter. In anderen Branchen und Ländern wachsen die High-End-Produkte am stärksten.
Herausforderungen auf dem Weg ins gehobene Segment
Wer im Mittelmaß stecken geblieben ist und sich neu orientieren will, muss eine Vielzahl von Herausforderungen bewältigen. Der Weg in das gehobene Segment ist oft lang und beschwerlich. Denn
- es muss eine Unique Selling Proposition gefunden werden (z.B. Funktionalität, Qualität, Design);
- das Produkt-Sortiment muss entsprechend geändert und verbessert werden;
- es muss eine passende Marke entwickelt und gefördert werden;
- Distribution, Werbung und Service müssen ebenfalls auf das neue Markt- und Kundensegment ausgerichtet werden.
Beispiel: Vom mittleren Marktsegment ins Premium-Segment
Bang & Olufsen ist ein Beispiel dafür, wie dieser Weg ins Premium-Segment beschritten werden kann. Über die Alleinstellungsmerkmale Design und Bedienkonzept entstand im Laufe der Jahre ein guter Ruf, der B&O inzwischen vorauseilt und sich rentiert: Schon 2002 konnte das Unternehmen die Preise für etliche Produkte erhöhen.
Kostenführerschaft als Alternative
Die Alternative zum Aufstieg in das höhere Segment heißt Kostenführerschaft. Ein Unternehmen, das diesen Weg einschlägt, erhofft sich den schnelleren Erfolg. Dazu muss es aber erfolgreich auf die Kostenbremse drücken und seine Produkte und Prozesse so optimieren, dass es immer das günstigste Angebot am Markt hat.
Ein harter Wettbewerb ist da meist vorprogrammiert, der in manchen Branchen auch schon ruinös war. Der weltgrößte Einzelhändler Wal Mart versucht seit Jahren, in Deutschland diesen Weg zu gehen, ist aber bislang an Aldi und Lidl gescheitert.
Möglichkeiten und Grenzen der strategischen Neuorientierung
Eine klare Botschaft – das ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für alle Unternehmen, die im mittleren Marktsegment agieren. Denn auch dort können Unternehmen erfolgreich sein, wenn sie folgende Prinzipien beherzigen:
- Relevanz: Welcher Nutzen ist für Ihre Kunden in Ihrer Kategorie wirklich wesentlich?
- Glaubwürdigkeit: Was können Sie mit Ihrer Produkt- und Unternehmenshistorie verkörpern?
- Differenzierung: Mit welchem Ansatz grenzen Sie sich nachhaltig von den Wettbewerbern ab?
Im Fokus: Die dauerhafte, emotionale Sicherheit des Kunden, das Richtige gekauft zu haben – auch über den Kaufakt hinaus. Wer weder preiswerte Preise noch Luxus- oder Premiumprodukte anbietet, muss emotionalen Mehrwerte bieten.
Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden genau kennen und verstehen. Sie dürfen diese nicht alle über einen Kamm scheren und sie müssen erkennen, dass diese Bedürfnisse häufig nicht mit dem Produkt selbst zu tun haben. Wichtig ist, was es transportiert. Beispiele sind:
- Wertschätzung
- das Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben
- umfassender Service
- Abgrenzung von anderen Konsumenten
- Sicherheit
- Abenteuerlust
Preise auf Marktsegment und Zielgruppe abstimmen
Um die Preise festzulegen, die genau zur Zielgruppe und zum Marktsegment passen, müssen Unternehmen auf drei Ebenen agieren:
Das Preisniveau in der Branche
Jede Branche oder Produktart hat ein spezifisches Preisniveau, das sich aus der Nachfrage, dem Angebot, den rechtlichen Rahmenbedingungen oder den Kostenstrukturen der Anbieter ableitet. Diese Faktoren legen das Niveau und die Bandbreite der Preise fest. Nur mit grundlegenden Innovationen, die vom Markt auch akzeptiert oder sogar begeistert aufgenommen werden, kann dieses Preisniveau durchbrochen werden.
Der Preis als Ausdruck der Unternehmensstrategie
Auf dieser Ebene entscheidet das Unternehmen, in welchem Preissegment es seine Produkte und Dienstleistungen anbieten möchte. Es analysiert dazu seine direkten Wettbewerber und die Anforderungen der Kunden, die es bedienen will.
Der Preis beim Kauf
Vor oder beim unmittelbaren Kauf kann der tatsächliche Preis noch einmal abweichen – wenn es zum Beispiel, Rabatte gibt, wenn Sonderaktionen durchgeführt werden oder wenn der Händler Einkaufsvorteile bietet. Es sind kurzfristige und taktische Entscheidungen, welcher Preis letztlich vom Kunden bezahlt wird.
Wer mit seinen Preisen polarisieren und fokussieren will, um seinen Kunden ein klares Profil zu zeigen, muss alle drei Ebenen im Blickfeld haben und das Geschehen dort beherrschen.
So planen Sie Preise im mittleren Marktsegment – Schritt für Schritt
- Analysieren Sie Ihre Branche bezüglich Anbieter, Zielgruppen, Preis-Bandbreite, Leistungs- und Qualitätsmerkmale der einzelnen Angebote.
- Bestimmen Sie die eigene Position in Ihrer Branche. Was sind Ihre Stärken? Und Ihre Schwächen?
- Welche Notwendigkeiten und welche Möglichkeiten gibt es, die bestehende Preisstrategie zu ändern?
- Welche Preis-Strategien scheinen Ihnen vor dem Hintergrund der Analysen sinnvoll und erstrebenswert. Begründen Sie Ihre Überlegungen gut!
- Entwickeln Sie strategische Bausteine als Elemente auf dem Weg zur neuen Preis-Strategie.
- Setzen Sie die strategischen Bausteine um. Entwickeln Sie dafür einen geeigneten Maßnahmenplan.
- Überprüfen Sie die Erfolge mit einem geeigneten Controlling-System. Definieren Sie dazu die Kennzahlen, die den Erfolg Ihrer Meinung nach am sichersten abbilden.