ProzessmanagementWorum geht es bei der Prozessverantwortung?
Was ist bei der Prozessverantwortung zu klären?
In vielen Unternehmen werden verantwortliche Personen für einzelne Prozesse benannt. Manchmal wird das auch in regulatorischen Vorschriften gefordert. Dann gibt es meistens eine Liste mit Namen, die für die verschiedenen Prozesse verantwortlich sind.
Aber was diese Personen dann wirklich tun sollen, bleibt unklar. Fragen bleiben offen:
- Was beinhaltet die Verantwortung für einen Prozess – und ist das eine andere Verantwortung als die, die eine Führungskraft in der Linie ohnehin schon trägt?
- Braucht jemand, der Prozessverantwortung übernimmt, dafür bestimmte Kompetenzen im Unternehmen oder sind dafür besondere Qualifikationen erforderlich?
Was muss bei der Zuweisung von Prozessverantwortung beachtet werden?
Für Antworten ist es hilfreich, verschiedene Facetten von Prozessen und Verantwortung zu unterscheiden. Zunächst sehen wir drei Ebenen von Verantwortung:
- Die Aktivität
- Die einzelne Prozessinstanz (Durchführung)
- der Prozess als regelmäßiges Muster
Jede dieser Ebenen umfasst ein anderes Ausmaß von Verantwortung.
Außerdem unterscheiden wir Verantwortung inhaltlich in
- Durchführungsverantwortung,
- Ergebnisverantwortung und
- Prozessverantwortung (im engeren Sinn).
Das sind die Aspekte eines Prozesses, für die Verantwortung zu tragen ist. Aus dieser Unterscheidung ergeben sich Anforderungen an die Qualifikation und die Entscheidungskompetenzen für die Träger von Verantwortung im Prozess.
Diese Überlegungen helfen bei der Entscheidung, wer für die verschiedenen Arten von Verantwortung die passende Person ist – und ob diese Verantwortungen an eine Person, den Prozesseigner (Process Owner), oder auf verschiedene Personen zu vergeben sind.
Prozessverantwortung ist Teamaufgabe
Alle Personen, die an der Erbringung einer Leistung für einen (internen oder externen) Kunden beteiligt sind, tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, dass diese Leistung gut ist. „Gut“ heißt in der Regel, dass
- sie den Erwartungen der Kunden gerecht wird,
- die Kunden die Kommunikation und die Leistung positiv erleben,
- sie gesetzlichen Ansprüchen gerecht wird,
- wirtschaftlich erbracht wird und dabei
- Ressourcen geschont werden.
Das bedeutet, dass jede Person immer etwas mehr Verantwortung trägt, als in dem jeweils eigenen Arbeitsbereich vorgegeben ist. In der Alltagssprache nennen wir das „mitdenken“.
Die Kommunikation ist aber in der Praxis einfacher, wenn stellvertretend eine Person für das Team kommuniziert und als „Verantwortlich“ benannt ist. Diese Stellvertretung befreit niemanden von der Aufgabe, immer das Ganze mitzudenken und das Kundeninteresse im Auge zu behalten.
Prozessverantwortung ist Führung
In vielen Geschäftsprozessen sind Personen aus verschiedenen Abteilungen des Unternehmens beteiligt. Diese bilden für den Zweck des Prozesses dann ein Team.
Dass dieses Team in keinem Organigramm auftaucht und nirgends so benannt ist, ist eine der wichtigen Herausforderungen für das Prozessmanagement. Aber auch dieses Prozessteam braucht Führung.
Führung sorgt dafür, dass ein Team dauerhaft leistungsfähig bleibt. Das umfasst sechs zentrale Funktionen:
- Der Blick von außen: Wer führt, bringt immer wieder die Außenperspektive in den Blick. „Passt das, was wir hier tun, zu den Erwartungen unserer Kunden?“
- Strategie und Veränderung: Führen bedeutet, den Blick in die Zukunft zu lenken. Nicht alles, was bisher gut und richtig war, muss auch in Zukunft noch gut sein. „Müssen wir unsere Zusammenarbeit anpassen, um fit für zukünftige Herausforderungen zu sein?“
- Ressourcenverbrauch: Wenn niemand darauf schaut, tendieren alle Organisationen dazu, für ihre Arbeit schleichend mehr Ressourcen zu verbrauchen. Führen bedeutet, kritisch auf die Wirtschaftlichkeit der Zusammenarbeit zu schauen.
- Organisation: Führen heißt, die Zusammenarbeit zu organisieren. Dafür sorgen, dass jede Person weiß, was sie wissen muss, dass Beobachtungen wahrgenommen werden, dass Verbesserungen diskutiert und umgesetzt werden – aber auch, dass wir uns nicht dauerhaft mit uns selbst beschäftigen.
- Personen binden: Alle Teams sind darauf angewiesen, dass die Personen mehr einbringen, als sie per Vertrag schuldig sind. Ohne dieses Engagement kann kein Unternehmen gelingen. Andererseits müssen alle Personen im Prinzip austauschbar bleiben. Daraus entsteht ein Dilemma, weil Menschen ein Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit haben. Das Streben nach Austauschbarkeit stört also die innere Motivation. Führen heißt, die Personen im Team einzubinden und die Voraussetzungen für innere Motivation zu schaffen.
- Transparenz: Ohne Führung tendieren alle Organisationen dazu, sich intransparent zu machen. Führung hat die Funktion, Leistung und Beitrag sichtbar zu machen und Produktivität im Prozess zu beobachten.
Wenn wir Verantwortung in Prozessen definieren, dann achten wir darauf, dass diese sechs Grundfunktionen von Führung kontinuierlich bedient werden. Wer diese Führung am Ende ausübt, ist dabei zweitrangig. Wichtig ist nur, dass alle Funktionen wahrgenommen werden.
Prozessverantwortung erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen
Verantwortung bedeutet also, dass wir Führungsfunktionen im Prozessteam wahrnehmen. In den Geschäftsprozessen des Unternehmens können wir verschiedene Ebenen ausmachen, die einen Teil dieser Verantwortung umfassen.
Aktivität
Auch wenn grundsätzlich alle am Prozess beteiligten Personen gemeinsam die Verantwortung für das Ergebnis tragen, dann übernimmt dennoch jede Person innerhalb des Prozesses bestimmte Aufgaben. Die Arbeitsteilung im Prozess ist eine der Grundlagen unserer Produktivität, schafft aber auch Koordinationsaufgaben.
Wir bezeichnen ein Paket an Tätigkeiten, das im Prozessablauf an einer Stelle von einer Rolle zu erledigen ist, als eine Aktivität. In Prozessmodellen ist eine Aktivität die kleinste zuordenbare Einheit des Prozesses.
Zu jeder Aktivität sollte geklärt sein, welches Ergebnis am Ende vorliegen soll und welche Qualitätsanforderungen daran gestellt sind.
Wer eine Aktivität ausführt, übernimmt die Verantwortung dafür, dass er oder sie alles richtig getan hat, damit dieses Ergebnis gesichert ist. Die Ausführenden der nachfolgenden Aktivitäten müssen sich darauf verlassen können.
Prozessinstanz
Eine Prozessinstanz beschreibt genau eine Ausführung eines Prozesses. Am Beispiel eines Auftragsprozesses könnte dies der Auftrag mit der Auftragsnummer 4711 sein, der Auftrag von Kunde Müller vom 30.08.2023 oder ähnlich.
Verantwortung für eine Prozessinstanz bedeutet dann, dass genau dieser Auftrag so bearbeitet wird wie erwartet, auch wenn dazu mehrere Aktivitäten von verschiedenen Durchführungsverantwortlichen erforderlich sind.
Wir können auch Gruppen von Instanzen zusammenfassen. Zum Beispiel alle Aufträge, die in der Niederlassung Süd bearbeitet werden, oder alle Personaleinstellungen in Werk A, oder alle Anträge für Antragsteller mit den Buchstaben A-F.
Es leuchtet ein, dass das Team in der Filiale Nord keine Verantwortung für die Ausführung der Aufträge in Filiale Süd wahrnehmen kann.
Prozess
Der Prozess ist dabei die umfangreichste Ebene der Prozessverantwortung. Ein Prozess ist das regelmäßig wiederkehrende Muster von Tätigkeiten und Kommunikation, das wir jedes Mal ausführen, wenn wir eine Leistung erbringen.
Der Auftragsprozess aus unserem Beispiel beschreibt alle Arbeitsschritte, die zur Bedienung eines Kundenauftrags notwendig sind.
Fazit
Prozessverantwortung lässt sich nicht einfach einer Person zuweisen. Sie kommt an unterschiedlichen Stellen im Prozess zum Tragen und umfasst eine Vielzahl von Aufgaben. Deshalb übernehmen alle im Team einen Teil der Prozessverantwortung. Sie reicht von: „Eine Tätigkeit wird korrekt ausgeführt.“ Bis hin zu: „Wir liefern dem Kunden das gewünschte Ergebnis und arbeiten dabei wirtschaftlich.“
Mehr zum Thema Prozessverantwortung
Dieser Beitrag gehört zu einer Serie zum Thema Prozessverantwortung.
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