ServicemanagementWas Service für die Kundenorientierung bedeutet
Service als Kundenorientierung und als Dienstleistung
Die Begriffe Service und Kundenorientierung werden oft synonym verwendet. Unternehmen, die in puncto Service und Kundenorientierung Vorbilder sein sollen, werden für – scheinbar – kostenlose Zusatzleistungen gelobt, die sie ihren Kunden bieten. Service wird also weitgehend mit Zusatzleistungen gleichgesetzt.
Zugleich wird der Service-Begriff auch in ganz anderen Zusammenhängen verwendet. So zum Beispiel, wenn die Kellner eines Hotels als Servicemitarbeiter bezeichnet werden. Oder die Mitarbeiter, die Aufzüge bei Kunden warten, als Servicetechniker.
Hier wird jede Dienstleistung – entsprechend dem englischen Begriff „services“ – als Service verstanden.
Nicht jede Dienstleistung ist ein Service
Diese begriffliche Unklarheit führt im Betriebsalltag oft zu Verwirrung. So glauben zum Beispiel die Mitarbeitenden mancher Unternehmen: „Wir müssen unseren Kunden nur möglichst viele Zusatzleistungen bieten; dann sind wir service- und kundenorientiert.“
Andere wiederum hegen die Illusion: „Wir sind kunden- und serviceorientiert, weil wir unseren Kunden neben dem eigentlichen Kernprodukt auch Dienstleistungen wie zum Beispiel das Warten der verkauften Maschinen offerieren.“
Also stellt sich die Frage: Was ist überhaupt ein Service?
Beispiel für Dienstleistung ohne Service
Ist es zum Beispiel ein Service, wenn ein Friseur seinen Kunden die Haare schneidet? Nein! Denn dann wäre jede Dienstleistung eine Serviceleistung, und ein Dienstleister, der seinen Job gut macht, würde seinen Kunden automatisch einen guten Service bieten.
Ein Friseur, der seinen Kunden die Haare schneidet, erledigt zwar seinen Job. Er bietet seinen Kunden aber noch keinen Service – selbst, wenn er die Haare gut schneidet. Dann kann man dem Friseur zwar attestieren, dass er sein Handwerk versteht. Serviceorientiert ist er deshalb aber noch lange nicht.
Dies ist der Friseur selbst dann nicht, wenn er
- sich bei seinen Kunden vor dem Haarschneiden genau erkundigt, wie sie die Haare gerne geschnitten hätten,
- ihnen vor dem Schneiden ein Frisiertuch umhängt und
- ihnen zum Schluss die abgeschnittenen Haare mit einem Pinsel aus dem Nacken streicht.
Denn dies ist aus Sicht der Kunden ein Bestandteil der angebotenen Leistung. Also erwarten sie ein solches Verhalten grundsätzlich.
Selbstverständlichkeiten sind kein Service
Diese Unterscheidung von Dienstleistung und Service mag als selbstverständlich erscheinen. Sie sind es aber nicht!
Denn als Kunde stellt man zum Beispiel nicht selten fest: Manche Verkäufer betrachten es bereits als Service, wenn ihr Geschäft Waren umtauscht oder zurücknimmt, die Mängel aufweisen. Dabei ist ihr Unternehmen per Gesetz hierzu verpflichtet.
Ebenso erachten sich nicht wenige Betriebe schon als serviceorientiert, wenn sie bei Aufträgen auf Kundenwunsch nötige Nachbesserungsarbeiten ausführen. Dabei ist auch dies ihre Pflicht.
Ähnlich verhält es sich, wenn Handwerker nach getaner Arbeit den verursachten Dreck wieder beseitigen. Auch dann ist dies – zumindest aus Kundensicht – kein Service. Denn die Kunden erwarten dies in der Regel.
Die Serviceerwartung der Kunden variiert
Generell gilt: Als Service erleben Kunden nur Leistungen, die über diejenigen hinausgehen, die sie als selbstverständlich erachten.
Exzellenter Service – aus Kundensicht
Kunden lassen sich bei ihrem Urteil, ob ein Unternehmen ihnen einen exzellenten Service bietet, oft von folgenden Kriterien leiten:
- Schnelligkeit und Effizienz: Kunden erwarten kurze Reaktionszeiten und ein schnelles Lösen ihrer Anliegen.
- Persönliche und bedarfsgerechte Betreuung: Unternehmen, die individuell auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen, werden als serviceorientiert wahrgenommen.
- Proaktive Kommunikation: Guter Service bedeutet nicht nur reagieren, sondern auch antizipieren. Unternehmen, die Kunden eigeninitiativ für sie relevante Informationen übermitteln, gewinnen deren Vertrauen.
- Zuverlässigkeit und Transparenz: Kunden möchten sich darauf verlassen können, dass Unternehmen offen und ehrlich kommunizieren sowie Zusagen einhalten.
- Problemlösekompetenz: Ein exzellenter Service zeichnet sich auch dadurch aus, dass Probleme schnell, kundenfreundlich und kulant gelöst werden.
Doch wann bietet ein Unternehmen einem Kunden mehr Leistung als erwartet?
Beispiel: Was echten Service ausmacht
Dies sei an einem Alltagsbeispiel erläutert: Eine junge Mutter kommt nach dem Einkauf mit ihren drei Kindern in eine McDonald's-Filiale. Sie geht zur Theke und bestellt mehrere Portionen Pommes, zwei Junior-Tüten, drei Cheeseburger und vier Getränke.
Deutlich sieht man der Mutter beim Bezahlen an, dass sie überlegt: Wie soll ich die Einkaufstüten, meine Kinder und das Tablett zugleich zu einem der Tische bringen? Doch Rettung naht. Eine McDonald's-Mitarbeiterin bietet der Frau an: „Ich trage Ihnen das Tablett zum Tisch.“
Das ist für die junge Mutter ein „guter Service“, denn: Kein Kunde erwartet in einem Fast-Food-Restaurant, dass ihm ein Mitarbeiter das Essen an den Tisch trägt.
Anders wäre dies in einem normalen Restaurant. Dort würde die junge Frau es nicht als Service empfinden, wenn der Kellner ihr das Essen zum Tisch trägt. Dort wäre dieselbe Handlung für sie ein Bestandteil der offerierten Leistung.
Was Kunden vom Service erwarten
Das heißt: Was Kunden als guten Service empfinden, hängt davon ab, was sie als Kernprodukt oder Kernleistung eines Unternehmens betrachten und welche Erwartungen sie
- an die Produkte und Leistungen selbst und
- an die Gestaltung des damit verbundenen Leistungserbringungsprozesses haben.
Was folgt hieraus für das Thema Serviceorientierung?
Serviceorientiert ist ein Unternehmen dann, wenn es die Erwartungen seiner Kunden übertrifft – und zwar regelmäßig.
Das setzt voraus, dass die Verantwortlichen zunächst analysieren: Wer sind unsere Kunden, und welche Erwartungen haben sie an uns und unsere Leistung?
Denn erst dann können sie in ihrer Organisation alle Prozesse so gestalten, dass sämtliche Erwartungen ihrer Kunden erfüllt werden, und zwar regelmäßig; also unabhängig davon,
- wann diese das Unternehmen kontaktieren und
- von welchem Mitarbeiter sie betreut werden.
Die Servicequalität muss sozusagen garantiert sein – selbst, wenn sie vertraglich nicht zugesichert wurde.
Dies auch, weil die Kunden sich rasch an jeden Service gewöhnen. Erfahren sie ihn mehrfach, wird er für sie selbstverständlich. Sie erwarten ihn also stets; sonst sind sie enttäuscht.
Deshalb sollten Unternehmen regelmäßig überprüfen, ob ihre Prozesse noch geeignet sind, die Serviceerwartungen ihrer Kunden zu erfüllen – zumal sich diese im Verlauf der Kundenbeziehung oft schleichend ändern.
Durch technologische und gesellschaftliche Entwicklung veränderte Serviceerwartungen
Die fortschreitende Digitalisierung, wozu auch der verstärkte KI-Einsatz zählt, und die veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben die Erwartungen der Kunden nachhaltig verändert:
- Technologiegetriebene Erwartungen: Kunden sind es inzwischen gewohnt, von Unternehmen auf ihre Fragen sofort Antworten durch KI-gestützte Chatbots und personalisierte Angebote zu erhalten. Eine langsame oder standardisierte Kundenbetreuung wird häufig als unzureichend empfunden.
- Omnichannel-Kommunikation: Kunden erwarten, dass sie über verschiedene Kanäle (Telefon, E-Mail, Social Media, Chat) nahtlos betreut werden.
- Mehr Service-Transparenz: Bewertungsportale und soziale Medien sorgen dafür, dass eine aus Kundensicht unbefriedigende Leistung, wozu auch ein schlechter Service zählt, sofort kommuniziert wird. Unternehmen müssen bei Kritik aktiver am Wiederherstellen der Kundenzufriedenheit und Sicherstellen der gewünschten Servicequalität arbeiten.
- Individuelle Kundenansprache: Kunden erwarten von den Unternehmen eine auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Kommunikation, sei es durch personalisierte E-Mails oder Empfehlungen basierend auf früheren Einkäufen und Anfragen.
Die Kernleistung muss stimmen
Bleibt die Frage: Ist ein Kunde automatisch zufrieden, wenn ein Unternehmen ihm einen guten Service bietet? Nein!
Vielmehr gilt: Der beste Service nutzt einem Unternehmen wenig, wenn der Kunde mit dessen Kernleistung unzufrieden ist. Dann denkt er irgendwann: Die sollten sich ihren ganzen Service-Schnickschnack lieber sparen und dafür sorgen, dass ihre Kernleistung stimmt. Und er kehrt dem Unternehmen enttäuscht den Rücken zu.
Das heißt: Kundenorientiert muss jedes Unternehmen sein – sonst überlebt es auf Dauer im Markt nicht. Es muss sich also gezielt fragen: Was sind die zentralen Bedürfnisse unserer Zielkunden, die wir auf alle Fälle erfüllen müssen, damit diese zufrieden sind?
Wie serviceorientiert ein Unternehmen sein muss, hängt hingegen primär davon ab, in welchem Marktsegment es agiert.
Beispiel Aldi: Kundenorientiert mit wenig Service
Daraus folgt: Kundenorientierte Unternehmen müssen ihren Kunden nicht automatisch viel Service bieten. Im Gegenteil!
Viele kundenorientierte Firmen bieten ihren Kunden sogar bewusst wenig Service, um deren zentralen Bedürfnisse besser befriedigen zu können.
Der Discounter ALDI ist ein extrem kundenorientiertes Unternehmen. Es hat genau analysiert: Welche Erwartungen haben unsere Kunden? Dabei kamen die Verantwortlichen zum Ergebnis: Unsere Kunden erwarten von uns primär gute Waren zu einem günstigen Preis.
Also reduzierte das Unternehmen gezielt den Dienstleistungsanteil an seiner Leistung, um seinen Kunden den gewünschten Hauptnutzen zu bieten.
Deshalb kann man zwar sagen: ALDI ist nicht so serviceorientiert wie die meisten Einzelhändler. Weniger kundenorientiert ist das Unternehmen aber nicht.
Denn: Das Unternehmen erfüllt die Erwartungen seiner Kunden. Deshalb beschwert sich auch kein ALDI-Kunde darüber, dass das Unternehmen ihm wenig Service bietet. Im Gegenteil. Das Unternehmen hat seine eigene Fangemeinde.
Service auf Kundenerwartungen ausrichten und dosieren
Viele Firmen machen sich diese Zusammenhänge nicht ausreichend bewusst. Sie glauben nicht selten: Je mehr Service wir unseren Kunden bieten, umso kundenorientierter sind wir.
Die Folge: Sie versprechen ihren Kunden immer mehr Services und erzeugen so bei ihnen eine Erwartung, die sie nur schwer erfüllen können – und erzeugen so letztlich unzufriedene Kunden.
Viele Unternehmen begehen zudem folgenden Denkfehler: Sie glauben, je mehr Service wir unseren Kunden bieten, umso attraktiver sind wir für sie.
Sie vergessen dabei, dass jeder Service letztlich seinen Preis hat. Das heißt, in irgendeiner Form müssen die Kunden ihn bezahlen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass die in Artikeln und Büchern für ihren guten Service gelobten Unternehmen stets im hochpreisigen Marktsegment zu Hause sind.
Deshalb muss jedes Unternehmen aufgrund seiner Positionierung im Markt irgendwann entscheiden: Sollen uns unsere Kunden eher aufgrund unserer niedrigen Preise oder unseres exzellenten Services loben und die Treue halten? Beides zugleich geht in der Regel leider nicht.
Strategische Entscheidung: Was bedeutet für uns „Service Excellence“?
Dies machen sich derzeit viele produzierende Unternehmen nicht ausreichend bewusst. Sie erwägen, außer ihren Produkten ihren Kunden auch mehr Dienstleistungen als „Services“ zu offerieren – sei es, um höhere Umsätze und Erträge zu generieren oder um ihre Kunden stärker an sich zu binden.
Den Service neu definieren und positionieren
Ein exzellenter Service dient heute nicht nur dazu, Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Sein Ziel ist zudem, Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern durch eine herausragende Kundenbetreuung zu generieren.
Beispiele für neue Servicedefinitionen und -konzepte:
- Banken: Um die Notwendigkeit, zeitaufwendiger Besuche in ihren Filialen zu reduzieren, bieten mittlerweile viele Geldinstitute eine digitale Beratung und 24/7-Chatfunktionen an.
- Automobilbranche: Viele Hersteller offerieren den Käufern ihrer Fahrzeuge Connected-Car-Services, die sie unter anderem per App über den Wartungsbedarf informieren.
- Einzelhandel: Omnichannel-Strategien ermöglichen es den Konsumenten, online bestellte Produkte im Laden abholen oder retournieren zu lassen.
In diesem Kontext stellen sich ihnen Fragen wie:
- Welche Serviceerwartungen werden unsere Kunden in naher Zukunft an uns haben – unter anderem aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung (wozu auch der KI-Einsatz zählt)?
- Welche Serviceleistungen offerieren wir künftig unseren Kunden kostenlos und welche Service- oder Dienstleistungen wollen wir ihnen – in welchen „Packages“ und zu welchem Preis – verkaufen?
- Welche Kundenwünsche und Kundenbedürfnisse können und sollen wir erfüllen, indem wir mithilfe von IT- und Kommunikationstechnik digitalisieren und automatisieren, und welche nicht?
Auf diese Fragen gibt es keine Standardantwort, da Faktoren zu beachten sind wie:
- In welcher Branche ist das Unternehmen tätig?
- Wer sind seine Zielkunden?
- Inwieweit möchte es sich durch seinen Service von seinen Mitbewerbern differenzieren?
- Über welche Stärken und Ressourcen verfügt es?
Folglich muss sich jedes Unternehmen – gerade, wenn es kundenorientiert sein möchte – irgendwann entscheiden, ob es eher die Service- oder eher die Preisführerschaft in seinem Markt anstrebt und entsprechende Service-Levels für sich definieren.
Service-Levels definieren, Service-Pakete schnüren
Ein Unternehmen kann nicht alle (möglichen) Serviceleistungen kostenfrei anbieten; es muss diesbezüglich klare Abgrenzungen vornehmen:
- Kostenfreie Basis-Services: Beispielsweise eine schnelle und zuverlässige Lieferung und eine standardisierte Beratung.
- Premium-Services gegen Entgelt: Eine individuelle, personalisierte Beratung und eine Express-Lieferung werden gegen eine Gebühr angeboten.
- Self-Service-Optionen: Kundenportale oder FAQs entlasten den Kundenservice und senken die Kundeninformationskosten und Betreuungskosten des Unternehmens.
Ein exzellenter Service erfordert geschulte Mitarbeitende
Das Implementieren neuer Service-Konzepte und Service-Levels in einer Organisation setzt immer voraus:
- die relevanten Prozesse zu gestalten und
- die Mitarbeitenden zu schulen.
Denn: Nur wenn die Mitarbeitenden die Servicestrategie ihres Unternehmens kennen und wissen, was dieses aufgrund seiner Positionierung im Markt unter „Service Excellence“ versteht, können sie im Betriebsalltag und Kundenkontakt das erwünschte Verhalten zeigen.
Zudem müssen sie, da heute bereits viele Services digital unterstützt erbracht werden, in der Handhabung der für genutzten Tools geschult werden.
Kurzum, ein aus Kundensicht exzellenter Service setzt voraus, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- die Kundenerwartungen und Kundenbedürfnisse kennen und verstehen und
- über die Kompetenz verfügen, im Betriebsalltag der Servicestrategie des Unternehmens entsprechend zu agieren.
Zudem muss in der Organisation das Bewusstsein bestehen, dass Service Excellence kein statisches Konzept ist. Vielmehr lautet die Herausforderung letztlich, sich kontinuierlich den Erwartungen der Zielkunden anzupassen. Denn nur dann kann das Unternehmen langfristig seine Kunden begeistern und sich vom Wettbewerb differenzieren.