ProjektmanagementWarum Projektleiter ungern Aufgaben delegieren – und was daran falsch ist
Ein Projekt hat jede Menge Aufgaben, die nach Plan erledigt werden müssen. Da liegt es auf der Hand, dass die Projektleitung die Arbeit im Team verteilt. Schließlich ist das die Idee eines Projekts, Experten aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens zusammenzubringen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Dennoch neigen viele Projektleiterinnen und Projektleiter dazu, Projektaufgaben selbst zu übernehmen, statt sie an Teammitglieder abzugeben. Sie übernehmen mehr Aufgaben, als sie bewältigen können, und sind dann heillos überfordert. So stehen sie dem Projekterfolg selbst im Wege.
Delegieren zählt zu den Kernaufgaben einer Projektleitung. Deshalb ist es wichtig, die Scheu davor zu überwinden. Auf lange Sicht wird die Projektleitung nur erfolgreich sein, wenn sie es versteht, Aufgaben konsequent an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzugeben.
„Keiner kann das so gut wie ich!“
Obwohl sie es vermutlich nie zugeben würden: Manche Projektleiterinnen und Projektleiter glauben von sich, die einzige Person unter der Sonne zu sein, eine bestimmte Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit aller erledigen zu können. Sie sind absolut davon überzeugt, selbst die Aufgabe am besten und am schnellsten erledigen zu können. Sie meinen: „Gerade jetzt und bei diesem Kunden können wir uns nun wirklich keine Fehler erlauben!“
Falsch!
Natürlich brauchen die Mitarbeitenden am Anfang etwas länger und machen vielleicht auch Fehler. Dürfen diese aber selbstständig agieren, werden sie immer besser. Mit der Zeit werden sie ebenso gut wie die Projektleitung – und dann besser!
„Das ist doch zu viel Aufwand!“
Manche Projektleiterinnen und Projektleiter haben schlicht keine Lust, Aufgaben zu delegieren und dann die Ergebnisse zu kontrollieren. Sie scheuen den Aufwand, eine Aufgabe zu erklären und nachzuverfolgen. Ihr Credo: „Hey, in der Zeit kann ich die Aufgabe auch gleich selbst erledigen, oder!?“
Falsch!
Das mag vielleicht für kleine Einzelaufgaben zutreffen, aber bestimmt nicht auf die meisten Projektaufgaben. In aller Regel nimmt das Erklären und Nachverfolgen der Aufgabe weniger Zeit in Anspruch als deren Ausführung.
„Wenn sich keiner freiwillig meldet …“
Wieder andere Projektleiterinnen und Projektleiter versuchen ums Delegieren herumzukommen, indem sie darauf hoffen, dass Freiwillige auf sie zukommen und ihnen die Projektaufgaben abnehmen. Sie glauben: „Wenn die anderen nichts zu tun haben und die Arbeit sehen, werden sie sich schon melden.“
Falsch!
Von Ausnahmefällen abgesehen dürfte es keinen Mitarbeiter geben, dem im Arbeitsalltag so langweilig ist, dass er sich um eine Projektaufgabe reißt. Eine Projektleitung darf sich deshalb nicht auf Freiwilligkeit verlassen. Schließlich ist sie die Projektleitung – und alle erwarten, dass sie die Aufgaben verteilt!
„Immer bleibt alles an mir hängen!“
Ist es nicht cool, vor Kollegen angeben zu können, wie unglaublich wichtig man ist? Manche Projektleiterinnen und Projektleiter erliegen diesem Wunsch. „Immer bleibt alles an mir hängen, weil niemand sonst die Aufgaben erledigen kann“, verkünden sie. In edlem Leiden ertragen sie ihr Schicksal, während sich die Arbeit auf dem Schreibtisch stapelt. „Die anderen werden bewundernd zu mir aufblicken …“
Falsch!
Niemand blickt bewundernd auf eine Projektleitung, die in ihrer Arbeit absäuft. Mag sein, dass sich die Projektleitung eine Zeit lang als Superheld fühlt. Früher oder später zehren Stress und Überlastung an der Projektleitung.
„Und was mach‘ ich dann noch?“
Oft übernehmen Fachexperten die Leitung eines Projekts, die sich bisher über ihre fachlichen Leistungen definiert haben. Manchen von ihnen beschleicht im Projekt dann das Gefühl, in ihrer neuen Rolle nur noch zu organisieren: „Wenn alle anderen die Arbeit erledigen – wozu werde ich dann noch gebraucht?“ Also stürzen sie sich in fachliche Aufgaben, die eigentlich Mitglieder ihres Teams übernehmen sollten.
Falsch!
Keine Projektleitung macht sich überflüssig, wenn sie delegiert. Im Gegenteil: Die Rolle der Projektleitung liegt darin, die Kompetenzen des gesamten Teams optimal zu nutzen. Das schafft sie nicht, wenn sie alle Aufgaben bei sich behält und möglichst viel selbst erledigt.
Fazit
Der tiefere Grund, der oft hinter den genannten Gründen steht, hat mit Vertrauen und Selbstvertrauen zu tun: Viele Projektleiterinnen und Projektleiter vertrauen weder ihren Mitarbeitenden noch sich selbst. Weder halten sie ihre Mitarbeiter für fähig, eine Aufgabe gut zu erledigen – noch trauen sie sich selbst zu, die Teammitglieder zu unterstützen, dass sie einen guten Job machen. „Ich könnte die Kontrolle verlieren“, fürchten sie. „Die Mitarbeiter könnten Dinge entscheiden, die nicht in meinem Sinne sind. Die Kunden könnten unzufrieden werden …“
Diese Ängste gilt es zu überwinden. Trauen Sie Ihren Mitarbeitern etwas zu! Vielleicht hilft dabei der Gedanke, auf diese Weise den Aufgabenberg abzubauen – und endlich einmal wieder pünktlich nach Hause zu kommen.
Survival-Tipps für Projektleiter mit zu vielen Aufgaben
- Spielen Sie nicht den Superhelden! Es grenzt an Überheblichkeit, wenn Sie glauben, nur Sie allein könnten eine Aufgabe zur Zufriedenheit aller erledigen.
- Lassen Sie sich nicht vom Aufwand abschrecken, der mit dem Delegieren verbunden ist. Das Übertragen von Aufgaben kostet weniger Zeit als deren Ausführung.
- Rechnen Sie nicht damit, dass Ihr Umfeld die anstehenden Aufgaben von selbst erkennt und sich Freiwillige dafür melden werden. Sie sitzen am Ruder! Delegieren passiert nicht von unten!
- Spielen Sie nicht den edlen Samariter! Es dankt Ihnen niemand, wenn Sie alles selbst machen und es so aussehen lassen, als ginge ohne Sie im Projekt gar nichts.
- Begreifen Sie, dass es in der Rolle des Projektleiters nicht mehr (nur) um Ihre fachliche Expertise geht. Entscheidend ist vielmehr, die Kompetenzen im Team zu nutzen. Das schaffen Sie nicht, wenn Sie alles selbst machen.
- Beherzigen Sie: Delegieren heißt, loslassen können und anderen vertrauen. Nur so kommen Sie endlich wieder pünktlich aus dem Büro.