KennzahlensystemeArten von Kennzahlen, Anforderungen und Möglichkeiten
Aus Messwerten Informationen machen
Daten und Messwerte sind die Grundlage von Kennzahlen. Kennzahlen sollen daraus Informationen machen, die sich als Antwort auf eine Frage nutzen lassen. Denn die Daten und Messwerte alleine haben selten einen Aussagegehalt. Sie lassen sich erst dann verstehen, wenn sie in Bezug gesetzt werden zu anderen Daten oder zu einer speziellen Situation. Manchmal hilft der Messwert allein nicht weiter; erst die zeitliche Entwicklung lässt Rückschlüsse auf einen Sachverhalt zu.
Deshalb müssen Regeln gefunden werden, um aus Daten und Messwerten eine Kennzahl abzuleiten oder zu berechnen. Welche Regeln das sind, muss sich aus der Frage ergeben, die mit der Kennzahl beantwortet werden soll – oder aus dem Sachverhalt, der möglichst gut durch die Kennzahl abgebildet werden soll. Je nachdem, welche Fragen beantwortet werden sollen, können aus Daten und Messwerten auch mehrere Kennzahlen abgeleitet werden.
Ein Kunde bezahlt eine Rechnung
Datum oder Messwert: Einzahlung auf Konto in Höhe von 8.000 Euro
Bezug: Rechnungsnummer und Zahlung zur Rechnung vom [Datum].
Frage A: Wie viele Tage nach Rechnungsstellung werden Rechnungen bezahlt?
Kennzahl A: Mittelwert oder Median zur Anzahl der Tage von Rechnungsstellung bis Zahlungseingang über alle Zahlungseingänge für ein Jahr
Frage B: Welchen operativen Cashflow erzielt das Unternehmen pro Jahr?
Kennzahl B: Summe aller Einzahlungen zu Rechnungen im Jahr XY in Euro.
Informationen und Kennzahlen interpretieren
Eine Kennzahl besteht oft aus einer Ziffer und einer Einheit. Im Beispiel oben sind das Zahl der Tage (A) oder Zahl der Euros (B). Eine Kennzahl allein braucht weitere Angaben, damit sie interpretiert und genutzt werden kann – im Sinne der Planung und Steuerung des Unternehmens, einer Abteilung oder eines Prozesses. Wenn Sie also in der Praxis mit solchen Informationen wie im vorigen Beispiel konfrontiert werden, schließen sich mehrere Fragen an:
- Ist das viel oder wenig?
- Ist dies eine Planzahl, oder wurde der Wert tatsächlich erreicht?
- Ist die Zahl aktuell, oder spiegelt sie den Stand vor einem Monat?
- Ist die Zahl endgültig, oder kann sich daran noch etwas ändern?
- Wie wurde das gemessen?
- Wer hat diese Einzahlungen oder den Cashflow geplant oder erzielt? Unser gesamtes Unternehmen? Oder eine Produktmanagerin?
- Mit welchem Aufwand wurde diese Kennzahl ermittelt?
- Wurde die Zahl berechnet? Wenn ja, mit welchem Verfahren?
Es wird klar, dass Kennzahlen, die für sich alleinstehen, nur eine beschränkte Aussagekraft haben. Erst durch Vergleiche und Verhältnisangaben und durch weitere Informationen zur Methode, zum Umfeld oder zur Abgrenzung können viele Kennzahlen richtig interpretiert werden. Und erst dann können daraus Argumente abgeleitet, Entscheidungen getroffen und Maßnahmen begründet werden. Der Kontext ist wichtig, um aus einer Kennzahl Information und Wissen zu machen.
Anforderung an Kennzahlen
Damit Kennzahlen richtig interpretiert werden können, müssen sie einer Sachlogik und einer Zahlenlogik genügen:
- Sachlogik bedeutet: Die Kennzahl beschreibt tatsächlich den Sachverhalt, den sie vorgibt zu beschreiben; gleiche Sachverhalte führen deshalb zum gleichen Wert der Kennzahl.
- Zahlenlogik bedeutet: die Daten, Messwerte und Kennzahlen werden mit angemessenen mathematischen und statistischen Verfahren bearbeitet; es werden nur solche Rechenverfahren angewendet, die für die jeweiligen Zahlen gelten und die zu richtigen Ergebnissen führen.
Absolute Kennzahlen beschreiben Zustände oder Ereignisse
Aus diesen Gründen unterscheidet man zunächst absolute Zahlen und Verhältniszahlen als grundlegende Kennzahlenarten. Mit absoluten Zahlen werden Mengen oder eine Anzahl abgebildet. Die Kennzahl ist eine einzelne Zahl mit einer Einheit, eine Summe, eine Differenz oder ein Mittelwert, Median oder Modus (als statistisch ermittelte Kenngrößen). Dazu wird zu einem bestimmten Zeitpunkt oder für einen festgelegten Zeitraum etwas gemessen. Entsprechend werden Bestandsgrößen und Stromgrößen unterschieden.
Beispiele für absolute Zahlen als Kennzahlen sind: Cashflow oder Umsatz als Stromgrößen sowie Bilanzsumme oder Lagerbestand zum 31.12. als Bestandsgrößen. Wird jeden Monat der Cashflow gemessen, dann kann der Mittelwert der Cashflows pro Monat für ein Jahr berechnet werden.
Absolute Zahlen reichen aber oft nicht aus, um daraus Erkenntnisse abzuleiten, Bewertungen durchzuführen oder Entscheidungen zu treffen. Deshalb werden Verhältniszahlen als Kennzahlen verwendet.
Verhältniskennzahlen erlauben Vergleiche und Bewertungen
Eine Zahl ist in vielen Fällen erst dann zu verstehen, wenn sie in ein Verhältnis gesetzt wird zu einer anderen Zahl oder zu einem weiteren Sachverhalt. Meistens werden zwei Mengen sachlogisch durch einen Quotienten miteinander verknüpft. Man kann unterscheiden:
Gliederungszahlen:
Ein Teil wird in Beziehung zu einem Ganzen gesetzt; zum Beispiel die Anzahl der Auszubildenden zur Anzahl aller Beschäftigten eines Unternehmens.
Beziehungszahlen:
Eine Kennzahl wird auf eine logische Einheit bezogen; zum Beispiel Reisekosten je Mitarbeiter.
Index- oder Messzahlen:
Sie werden ermittelt aus einer Folge von Zahlen und diese nehmen auf eine Basis (meistens 100) Bezug oder werden auf diese normiert; zum Beispiel die jährlichen Aufwände für Forschung und Entwicklung im Unternehmen; der Aufwand im Jahr 2000 wird gleich 100 (Basis) gesetzt, alle anderen Aufwände werden in Bezug auf 100 berechnet. So lassen sich zeitliche Entwicklungen sichtbar machen.
Weitere Beispiele für Verhältniskennzahlen sind: Eigenkapitalquote, Umsatz je Mitarbeiter oder Materialkostenindex. So lässt sich eine Fülle von Kennzahlen zur Planung und Steuerung im Unternehmen generieren. Mit den Verhältniszahlen kann das Augenmerk des Managements auf einen bestimmten Sachverhalt gelenkt werden – der dann entsprechend geplant, geändert, genauer analysiert oder fortgeführt werden kann.
Beispiele für Kennzahlenarten
Frage: Wie entwickelt sich der Krankenstand in der Belegschaft?
Messwerte: Anzahl der Tage, für die Beschäftigte eine Krankmeldung abgegeben haben (Krankentage).
Bezug: Gemessen werden die Krankentage pro Jahr (Stromgröße) und pro Abteilung.
Kennzahl A (absolute Zahl): Summe aller Krankentage im Unternehmen und im Jahr XY.
Kennzahl B (Gliederungszahl): Quotient aus: Summe aller Krankentage der Abteilung K und Summe aller Krankentage im Unternehmen insgesamt im Jahr XY.
Kennzahl C (Beziehungszahl): Quotient aus: Summe aller Krankentage im Unternehmen insgesamt im Jahr XY und Anzahl der Mitarbeiter. Entspricht der Anzahl der Krankentage pro Mitarbeiter (Mittelwert).
Kennzahl D (Beziehungszahl): Median aller gemeldeten Krankentage im Unternehmen im Jahr XY. Mit dem Median werden Ausreißer, zum Beispiel durch chronisch kranke Mitarbeiter, besser sichtbar.
Kennzahl E (Indexzahl): Entwicklung der Summe aller Krankentage im Unternehmen insgesamt über mehrere Jahre hinweg, wobei die Anzahl der Mitarbeiter berücksichtigt wird (Kennzahl C) und der Startwert im Jahr 2000 auf 100 festgelegt wird.
Interpretation: Durch einen Vergleich der Kennzahlen wird sichtbar, wie es um die „Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ im Unternehmen steht. Steigt Kennzahl E, gibt es eine Verschlechterung; man müsste nach Ursachen forschen. Gibt es bei Kennzahl B (Abteilungsvergleich) große Unterschiede, könnten in betroffenen Abteilungen spezielle Maßnahmen zum Gesundheitsmanagement durchgeführt werden.
Mit Verhältniszahlen lässt sich der jeweilige Verantwortungsbereich besser abbilden und damit besser planen und steuern. Denn Verhältniszahlen helfen dabei:
- Ursachen zu isolieren und damit besser zu erkennen,
- die relative Bedeutung von einzelnen Größen zu erkennen und damit die mögliche Stärke ihrer Wirkung auf Zielerreichung und die damit verbundenen Chancen oder Risiken besser zu bewerten,
- Deckungsrelationen zwischen zwei Zahlen aufzuzeigen, um Zusammenhänge sichtbar zu machen (zum Beispiel zwischen Anlagevermögen und langfristigen Verbindlichkeiten),
- vertrauliche Zahlen nicht nach außen zu geben, indem Indexwerte gebildet werden.
Überprüfen Sie Ihre bestehenden Kennzahlen:
- Welche Fragen wollen Sie damit beantworten?
- Was genau wird dazu gemessen?
- Wie wird gemessen?
- Welche Informationen brauchen Sie außerdem, um die jeweilige Kennzahl interpretieren zu können?
- Handelt es sich jeweils um eine Bestandsgröße oder Stromgröße?
- Welche Zeiträume haben Sie damit im Blick?
- Genügt die zeitliche Auflösung, um die Frage zu beantworten und um Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten?
- Welche Verhältniszahlen werden als Kennzahlen genutzt?
- Wie werden die Verhältniszahlen berechnet?
- Sind die statistischen Methoden korrekt (zum Beispiel Median statt Mittelwert)?
- Stimmt die Sachlogik der Verhältniszahlen? Geben Sie also eine logisch geeignete Antwort auf die Frage?
- Welche Interpretationen und Antworten leiten Sie aus Ihren Kennzahlen ab?
- Wann greifen Sie in Abläufe ein?
- Welche Maßnahmen wollen Sie damit begründen?
- Was verändern Sie im Einzelfall?
Beschreiben und erläutern Sie entsprechend Ihre wichtigsten Kennzahlen in der folgenden Vorlage.
Damit Kennzahlen richtig interpretiert werden, muss klar sein, auf welchen Zeitraum oder Zeitpunkt sie sich beziehen. Bilden Sie die Vergangenheit ab? Oder machen sie zukünftige Entwicklungen sichtbar? Darum geht es im nächsten Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels, denn für Planung und Steuerung braucht es mehrere Perspektiven auf das Geschehen.