Notfallplanung für UnternehmenInformation und Dokumentation für den Notfall im Unternehmen
Der Notfallordner als zentrales Dokument
Der Notfallordner ist das zentrale Instrument Ihrer Voraussicht und Notfallplanung. Er enthält – Schritt für Schritt zusammengetragen – alle Informationen, Verfügungen und Vollmachten, die für den Fortbestand und den Fortgang Ihres Unternehmens nötig sind. Reibungslos wird Ihr Ausfall bestimmt nicht sein, aber alle Prozesse werden so schnell wie möglich wieder geregelt ablaufen können. Nun ist es wichtig, dass davon auch alle Stakeholder, Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und andere Geschäftspartner, überzeugt sind. Deshalb muss vor und mit Eintreten des Notfalls die Informationspolitik zum Notfall geregelt werden.
In den Schritten 1 bis 4 geht es darum, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und die grundlegenden Fragen zu klären, Vorkehrungen für das operative Tagesgeschäft treffen und die langfristige Weiterführung des Unternehmens zu planen. Die Erläuterungen dazu finden Sie in den vorigen Abschnitten dieses Handbuch-Kapitels. Damit haben Sie alles geregelt. Nun müssen Sie dafür sorgen, dass die betroffenen Personen wissen, was im Notfall zu tun ist. Und besonders wichtig ist: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Unternehmens sowie Kunden, Lieferanten und andere Partner wissen, dass für den Notfall vorgesorgt ist.
Schritt 5: Informationspolitik
Zur Informationspolitik im Rahmen eines Notfalls zählen:
- Der Führungskreis weiß, was zu tun ist.
- Die Belegschaft ist sicher, dass keine Wirrnisse und kein Chaos eintreten werden.
- Kunden und Lieferanten sowie interessierte Kreise bekommen die angemessenen Informationen – bevor noch Gerüchte sich zu Geschäftsstörungen auswachsen können.
Sie haben berücksichtigt, dass Konkurrenten die Situation vielleicht nutzen wollen, um Ihre Lieferanten oder Kunden zu gewinnen oder Spezialisten abzuwerben. Sie haben für den Schutz wichtiger Betriebsgeheimnisse (Rezepturen, Verfahren) gesorgt. Und Sie haben Beteiligten und Betroffenen kommuniziert, was Sie im Firmen-Testament festgelegt haben. So wird die Übernahme durch Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger im Unternehmen keine Verwunderung auslösen.
Der Notfallordner enthält die Kompetenzverteilung für den Notfall und legt die Dauer der vorübergehenden Vollmachten fest (nicht zeitlich, sondern in Abhängigkeit von den rechtlich fundierten Nachfolgeregelungen). Er enthält Kopien aller wichtigen Dokumente und weist die Standorte der Originale aus. Zugriffsregelungen für geschützte Ablagen sind getroffen und selbst das (scheinbar unwichtige) Schlüsselverzeichnis ist geschrieben. Ihre Familie und die Leiter des Krisenstabes kennen den Standort des Notfallordners in Ihrem Stahlschrank.
Mit der Informationspolitik sorgen Sie dafür, dass alle davon betroffenen und beteiligten Personen genau darüber Bescheid wissen. Und sie wissen, was als Nächstes zu tun ist.
Schritt 6: Nachverfolgbarkeit
Die Handlungsunfähigkeit des Unternehmers oder der Unternehmerin wird trotz aller Maßnahmen zur Fortexistenz eine gewisse Unsicherheit nach sich ziehen. Diese Unsicherheit rührt daher, dass niemand hundertprozentig sicher sein kann, wie die Unternehmerin und der Unternehmer in der konkreten Situation entschieden hätten.
Diese Unsicherheit wird sogar über die rechtlich klare Nachfolge hin andauern, weil die Einarbeitung und die Verständigung zwischen den Beteiligten ebenfalls Zeit benötigen. Selbst wenn Sie vermuten, dass niemand die Interimszeit bösartig für egoistische Ziele ausnutzt, selbst dann muss davon ausgegangen werden, dass für die eine oder andere Entscheidung Unverständnis entsteht. (Vielleicht gibt es dieses Unverständnis mitunter auch bei Entscheidungen des Eigentümers; sie wird aber als Eigentümerentscheidung respektiert.)
Umso wichtiger ist es, dass alle Entscheidungen der Interimszeit dokumentiert werden. Nur auf diese Weise kann eine Nachverfolgbarkeit gesichert werden. Dann kann sogar Verständnis für Fehlentscheidungen entstehen.
Noch bedeutsamer ist: die Haftung regeln. Denn sowohl für Entscheidungen aufgrund erteilter Vollmachten, als auch bei Übernahme des Unternehmens entstehen automatisch Haftungsverhältnisse. Nach Handelsgesetzbuch haftet der Unternehmer gegenüber Dritten. Dies gilt auch bei Fortführung unternehmerischer Aktivitäten durch Bevollmächtigte oder die Nachfolger. Beispiele für Haftungsfälle können sein:
- Verbindlichkeiten des Unternehmens
- Absprachen zu Preisnachlässen
- vereinbarte Aufträge (auch entgegen rein ökonomischen Argumenten)
Die Folgen der jeweiligen Entscheidungen und Willenserklärungen behalten ihre Rechtsgültigkeit, Gläubiger genießen Rechtsschutz. Wenn die Bevollmächtigten von solchen Verträgen nichts wissen, sie nicht berücksichtigen können, müssen sie im Innenverhältnis von der Haftung befreit werden. Der Unternehmer hat also dafür zu sorgen, dass die Entscheidungen etwa des Krisenstabes – ausgenommen grob fahrlässige Handlungen – nicht zulasten seiner Beschäftigten gehen. Versicherungsvertreter oder Anwälte sind in dieser Angelegenheit zu konsultieren.
Fazit
Im ersten Teil dieses Handbuch-Kapitels sind mehrere Horrorszenarien skizziert. Vielleicht ist es im Ernstfall doch gut ausgegangen: Sie kommen nach einem dreiviertel Jahr genesen aus dem Krankenhaus und wieder in Ihr Unternehmen. Manches wird Sie überraschen, einiges hätten Sie garantiert anders entschieden. Aber alles in allem hat Ihr Unternehmen Ihre Abwesenheit überstanden. Ja, es sind sogar ein paar Veränderungen durchgesetzt worden, um die Sie immer einen Bogen gemacht hatten. Eine Veränderung wollen Sie auf keinen Fall rückgängig machen: Ihre Tochter und Nachfolgerin hat sich bereits eingearbeitet und Sie selbst können etwas ruhiger treten.
Alle Ihre Arbeit für den Notfallordner ist also gut investierte Lebenszeit!
Wenn Sie einen Notfallordner angelegt und einen Notfallplan ausgearbeitet haben, müssen Sie dafür sorgen, dass alle Stakeholder, Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und andere Geschäftspartner, davon wissen. Damit stellen Sie sicher, dass diese Personen und Unternehmen auch nach Ihrem Ausfall zum Unternehmen stehen und weiterhin für oder mit ihm arbeiten. Klären Sie deshalb bereits im Vorfeld:
- Was genau wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt, wenn Sie und die Geschäftsleitung ausfallen?
- Wie werden Kunden und Lieferanten informiert? Welche Botschaften erhalten diese Partner?
- Wie informieren Sie Banken, Versicherungen und andere Geschäftspartner? Welche Botschaft wird hier vermittelt?
Stellen Sie entsprechende Meldungen beispielhaft zusammen und erklären Sie dort, was Sie wie geregelt haben.