Assessment-CenterInstrumente und Methoden für das Assessment-Center
Methodenmix beim Assessment-Center
Für die Bewerberauswahl und andere Entscheidungen zur Personalentwicklung gibt es unterschiedlich Instrumente und Methoden. Sie haben alle ihre jeweiligen Vorteile und Nachteile. Welche zum Einsatz kommen, sollte von den Zielen und Zwecken abhängen. Wichtig sind meist:
- Kosten und Zeitaufwand
- verfügbare Ressourcen und Know-how für Planung, Durchführung und Bewertung zur jeweiligen Entscheidungsfrage
- Verlässlichkeit der Methode in Bezug darauf, die richtige Entscheidung zu treffen
- Folgen der Entscheidung oder Fehlentscheidung
Um die richtigen Personalentscheidung zu treffen oder um die richtige Person für die freie Stelle auszuwählen, werden beim Assessment-Center-Konzept unterschiedliche Instrumente kombiniert und eingesetzt.
Internes und externes Assessment-Center mit Dienstleister
Eine interne Stellenausschreibung oder die Eignung für eine betriebliche Qualifizierungsmaßnahme oder die Personalentwicklung können mit einem internen Assessment-Center am besten geprüft werden. Ein externes Assessment-Center bedeutet, dass betriebsfremde Personen geprüft werden.
Es kann aber zugleich auch bedeuten, dass das Assessment-Center mit einem externen Dienstleister durchgeführt wird, der einzelne oder alle damit verbundenen Aufgaben übernimmt. Nachdem in den 1960er-Jahren Assessment-Center zuerst in den USA eingesetzt wurden, hat sich diese Vorgehensweise inzwischen auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz in vielen Unternehmen etabliert.
Wer mit spezialisierten externen Assessment-Dienstleistern zusammenarbeitet, kann auf deren Erfahrung aus zahlreichen Assessment-Projekten aufbauen. Dabei können diese Dienstleister belastbare Auswertedaten und ein erhebliches Spezialwissen nutzen. Außerdem lässt sich mit ihnen der Zeitaufwand für Beobachtung und Datenauswertung reduzieren. Der Einsatz eines Assessment-Dienstleisters ist vor allem dann anzuraten, wenn die Folgen bei möglichen Fehlbeurteilungen beträchtlich sein können.
Varianten von Assessment-Centern
Der Prüfungs- und Bewertungsprozess nach einem Assessment-Center-Konzept kann sich durch mehrere Merkmale unterscheiden. Bei seiner Konzeption und Planung sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
Zeitbedarf
Je nach dem Umfang der verschiedenen Elemente eines Assessment-Centers dauert es unterschiedlich lange. In der Praxis unterscheidet man zwischen kurz- und langzeitigem Assessment-Center. Ein kurzzeitiges Assessment-Center dauert einen halben Tag, langzeitige Assessment-Center dauern drei bis fünf Tage. Besonders umfangreiche und langwierige Assessment-Center gibt es für spezielle Anwendungen wie zum Beispiel die Auswahl von Astronauten.
Gruppe oder individuell
Für die Auswahl zur Besetzung einer Sekretariatsstelle werden viele Bewerber und Bewerberinnen zu erwarten sein. Dann eignet sich ein Gruppen-Assessment-Center. Für die Besetzung der Stelle der Entwicklungsleitung und erst recht für die Abwerbung einer noch ungekündigten Geschäftsführerin ist ein Individual-Assessment-Center sinnvoll oder sogar zwingend notwendig. Eine weitere Variante ist das Online-Assessment-Center. Hier können mehrere Kandidatinnen und Kandidaten nach der gleichen Methode geprüft und bewertet werden; gleichzeitig werden diese Prüfungen aber individuell abgelegt.
Entscheidung oder Evaluation
Schließlich lässt sich noch ein Entscheidungs-Assessment-Center von einem Evaluations-Assessment-Center unterscheiden. Im ersten Fall geht es um eine Stellenbesetzung, im zweiten Fall beispielsweise um die Überprüfung eines Qualifikationserfolges. Wenn es um eine Standortbestimmung für eine Person oder eine umfangreiche Personalentwicklung geht, liegt das Assessment-Center oft zwischen beiden Arten; akut steht vielleicht noch keine Entscheidung an, aber die Betreuung mit anspruchsvolleren Aufgaben und die Beobachtung können als Vorbereitung auf eine Personalentscheidung begriffen werden.
Instrumente und Methoden für Assessment-Center
Folgende Instrumente und Methoden werden im Rahmen eines Assessment-Centers genutzt:
Selbstpräsentation
Die Selbstpräsentation ist fast immer Bestandteil des Assessment-Centers. Sie kann als sogenannte Elevator Speech mit drei Minuten sehr kurz ausfallen. Das ist die Zeit, die man in einem Fahrstuhl zur Ansprache eines Vorstandsvorsitzenden hätte. In der Regel wird man jedoch fünf bis zehn Minuten Zeit zur Präsentation seiner Person haben. Behandelt werden die Fragen:
- Wer bin ich?
- Was kann ich?
- Warum bewerbe ich mich für diese Position, Aufgabe, Maßnahme?
Hier ist darauf zu achten, nicht Fakten des schriftlichen Lebenslaufs brav zu wiederholen. Entscheidend ist die Hervorhebung von Highlights und ihr Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Position.
Fragebogen
Fragebögen sind besonders beliebt bei großen Probandengruppen, weil sie standardisiert sind und sich statistisch auswerten lassen. Sie sind vielfältig auszugestalten und mit geringen Kosten durchzuführen. Was nicht gegen ihre Güte spricht, denn Validität und Zuverlässigkeit von ausgeklügelten und wissenschaftlich getesteten Fragebögen können hohen Ansprüchen genügen. Fragebögen lassen sich zudem sinnvoll mit anderen Instrumenten wie zum Beispiel Interviews verknüpfen.
Interview
Das Interview ist ein freies oder strukturiertes Gespräch, das feinfühliger auf die individuelle Situation des Befragten einzugehen erlaubt. Zudem liefert das Interview mit Intonation und Mimik mehr Informationen als jeder Fragebogen und durch eine vertiefende Gesprächsführung und den Dialog mehr Informationen als die (antrainierte) Selbstpräsentation.
Leistungstest
Leistungstests simulieren Anforderungen der Position. Das heißt, es werden Problemstellungen gegeben, die man – oft in knapper Zeit – zu lösen hat. Berühmtheit hat die Postkorbübung erreicht, weil sie Einblicke in die Arbeitsweise der Bewerber und Bewerberinnen bietet. Hier können die Lösungsmenge und die Lösungsgüte gemessen werden. Eine Fehlerdiskussion kann in einem nachfolgenden Gespräch weitere Erkenntnisse bringen. Und der Zeitdruck – in der Regel ist die Postkorbübung nicht einmal für den Besten zu schaffen – bietet Einsichten in Verhaltensweisen unter Stress.
So funktioniert die Postkorbübung
Die Postkorbübung ist ein Klassiker im Assessment-Center. Dabei erhält der Kandidat eine große Zahl von Schriftstücken oder E-Mails, die er in vorgegebener und knapper Zeit bearbeiten soll. Die Aufgaben sind vielfältig. Manche einfach, andere komplex, manche wichtig, andere weniger wichtig, manche drängeln, andere nicht. Der Kandidat muss die Aufgaben bearbeiten und dabei Prioritäten erkennen und Ziele abwägen. Durch die knappe Zeit ist er auch gehörig unter Stress. Damit lassen sich analytisches Denken, Entscheidungsfähigkeit, Stressresistenz und Art der Aufgabenbearbeitung testen.
Mit Leistungs- oder Eignungstests kann geprüft werden, ob die Bewerberinnen und Bewerber alle Voraussetzungen mitbringen, die für unverzichtbar gehalten werden. Sie können auf das Wissen, auf die Intelligenz zielen, sie können das Gedächtnis, die Sprache, die Aufmerksamkeit oder die Lernfähigkeit messen. Sie können genauso gut auf das physische Leistungsvermögen zielen. Wenn Ausdauer, Schnelligkeit oder feinmotorische Fähigkeiten gemessen werden, bilden sie den Übergang zu einer Arbeitsprobe.
Ob ausreichend Expertise, also abrufbares Wissen und beherrschte Fertigkeiten, vorhanden sind, kann mit theoretischen und praktischen Eignungstests überprüft werden. Sie werden je nach Aufgabenstellung angepasst. Mal geht es darum, die passende Person für eine freie Stelle auszuwählen; oder es sollen die Voraussetzungen für eine Fortbildung geprüft werden.
Prüfungen
Für solche Zwecke sind Prüfungsaufgaben am Markt erhältlich. Hier werden in der Regel allgemeine, also für alle Belange gleichermaßen zutreffende Testfragen geboten: Allgemeinwissen, logisches Denken, Sprache, Mathematik, Technik. Für die jeweiligen Anforderungen in Ihrem Unternehmen können leicht, gemeinsam mit Wissensträgern aus den Fachbereichen, spezielle Fragen zusammengestellt werden.
Beispiel: Bei einer Zimmerei müssen Bewerberinnen und Bewerber wissen, wie sie den Flächeninhalt eines Carports errechnen, der auf drei Seiten mit einer Holzverkleidung umgeben werden soll. Wer diese Aufgabe nicht beherrscht, bekommt wohl keinen Azubi-Vertrag. Die praktische Eignung ist mit solchen Arbeitsproben am besten zu bewerten.
Schwieriger ist zu testen, ob die Bewerberinnen und Bewerber ausreichend Kompetenz für die zu besetzende Stelle haben; insbesondere, wenn Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen bewertet werden sollen. Aber auch dafür gibt es einige Angebote am Markt zu kaufen, wobei nicht alle wissenschaftlich fundiert sind und zu zuverlässigen Ergebnissen führen.
Intelligenztest
Intelligenztests könnten eigentlich zu der Rubrik der Leistungstests gerechnet werden. Sie haben sich aber zu einem umfangreichen und teilweise standardisierten Testverfahren entwickelt und ragen insofern aus dieser Rubrik heraus. Der sogenannte IQ-Test, der den Intelligenzquotienten ermittelt, hat es sogar zu weltweiter Anwendung gebracht. Trotz des Wehklagens vieler Geschäftsführer oder Personaler, dass die Intelligenz ihrer Bewerber zu wünschen übriglässt, muss festgestellt werden, dass sich der Intelligenzquotient in Deutschland in den letzten Jahren im Durchschnitt verbessert hat.
Gruppendiskussion
Gruppendiskussionen können ganz unterschiedliche Ausgangspunkte haben, etwa die Selbstpräsentation einer Teilnehmerin, Ergebnisse eines Interviews oder ein vorgegebenes Thema. Hier sind – vermutlich mehrere – Beobachter gefordert. Sie müssen nämlich nicht nur auf die inhaltliche Argumentation achten, sondern auch das Sozialverhalten und seine Dynamik beobachten. Schnell lässt sich herausfinden, wer für eine Führungsaufgabe geeignet ist und wer eher Fachaufgaben beherrscht, wer den argumentativen oder den demagogischen Stil bevorzugt. Der scharfsinnige Teilnehmer, der zurückhaltend den „Lautsprechern“ den Vortritt lässt, hat in der Diskussion schlechte Karten. Aber sein nachfolgendes Memo könnte durchschlagende Wucht haben.
Gruppenaktion
Bei dieser Methode interagieren die Teilnehmenden zum Beispiel in Rollenspielen. Sie simulieren Messebesuche oder Kreativ-Workshops, sie bewähren sich in gestellten Konfliktsituationen oder erproben Argumente und Gegenargumente wie mit dem Force-Fit-Spiel. Solche Gruppenaktionen können bis zu ausgedehnten Führungsplanspielen gehen, in denen beispielsweise eine Krisensituation wie der Brand einer Lagerhalle angenommen und bearbeitet wird. Es werden auch Businessplanspiele oder Börsenplanspiele eingesetzt. Übrigens gibt es hier einen erfreulichen Übergang zu Gesellschafts- und Kinderspielen, die ebenfalls im Assessment-Center eingesetzt werden können.
Fallstudie
Mit einer Fallstudie wird den Teilnehmenden eine Aufgabe oder ein Problem vorgelegt, das genau dem tatsächlichen Arbeitsprozess entspricht. Noch stärker als in der Gruppendiskussion muss die Beobachtung und Bewertung auf die inhaltlichen, die verfahrenstechnischen und die sozialen Aspekte gerichtet sein. Diese ganzheitliche Sicht sollte dann ein Abbild des originären Arbeitsprozesses sein, auch wenn in der realen Situation am Ende der Aufgabenbearbeitung nicht sofort eine Personal- oder Entwicklungsentscheidung fällt. Diese Nähe der Fallstudie zum üblichen Arbeitsprozess hat dazu geführt, dass sich vielfältige Formen ausgeprägt haben: Problemfindungsfall, Informationsfall, Untersuchungsfall, Beurteilung- und Entscheidungsfall seien genannt.
Arbeitsproben
Die Arbeitsprobe ist eine verbreitete Form der Testierung. Das altehrwürdige Gesellenstück wies den Lehrling als fertig ausgebildet aus. Insbesondere in Branchen, die es mit Unikaten zu tun haben wie Theaterproduktionen, Musik- oder Texterzeugung oder Werbung, ist die Arbeitsprobe ein verbreitetes Verfahren. Eine Fallstudie kann immer noch nur eine Simulation tatsächlicher Arbeitsinhalte sein, die Arbeitsprobe ist immer ein realer Fall des Unternehmens, stammt aus dem Produktionsprozess und mündet in ihn ein.
Konzept für das Assessment-Center entwickeln
Wenn Sie (im vorigen Abschnitt des Handbuch-Kapitels) die Ziele und Zwecke geklärt haben, die mit der Bewertung von Bewerberinnen und Bewerbern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbunden sind, starten Sie mit der Konzeption des Bewertungsprozesses. Dabei können Sie mehrere Instrumente und Methoden nutzen, um unterschiedliche Merkmale, Expertisen oder Kompetenzen der betreffenden Personen zu entdecken und zu bewerten.
Klären Sie dazu folgende Punkte:
- Stelle, die zu besetzen ist, Fortbildungsprogramm oder Qualifizierungsmaßnahme, für die geeignete Kandidaten gefunden werden sollen
- Aufgaben und Anforderungen, die damit verbunden sind
- mögliche Folgen einer Fehlbeurteilung der Personen oder Fehlbesetzung der Stelle
- Entscheidung, die im nächsten Schritt getroffen werden soll
Wählen Sie dann die Form des Assessment-Centers, die Sie für geeignet halten, um die Ziele zu erreichen und die Rahmenbedingungen zu beachten. Legen Sie dabei fest:
- Dauer des Assessment-Centers
- Unterstützung durch interne und externe Personen oder Dienstleister
- Instrumente und Methoden, die geeignet sind, die erforderliche Expertise sowie Kompetenzen, Verhaltensweisen und persönliche Merkmale zu erkennen und zu bewerten
In der folgenden Vorlage finden Sie ein Beispiel oder Muster dafür, wie Sie ein Assessment-Center planen, vorbereiten und durchführen können. Das Beispiel zeigt anhand eines Ablaufplans, wie ein Tag im Assessment-Center ablaufen kann.
Halten Sie Ihre Überlegungen und Planungen für das von Ihnen geplante Assessment-Center in der folgenden Vorlage fest.
Im folgenden Abschnitt wird ausführlich erläutert, wie Sie diese Instrumente und Methoden für Ihr individuelles Assessment-Center nutzen können und wie Sie das Assessment-Center im Detail planen. Dort finden Sie auch Vorlagen für spezielle Aufgaben und Übungen, die Sie den Teilnehmenden vorlegen.