KaizenKaizen im Unternehmen einführen und verankern
Kaizen in der Organisation einführen und verankern
Da Kaizen und kontinuierliche Verbesserung (KVP) vor allem eine Denkweise sind, die Einstellung und Handeln aller Mitarbeiter im Unternehmen prägen soll, kann eine Umsetzung im Unternehmen nur schrittweise erfolgen. Damit Mitarbeiter eine neue Einstellung zu ihrer Arbeit und ihrem Arbeitsbereich und die Kaizen-Prinzipien verinnerlicht haben, dafür braucht es ausreichend Zeit und Geduld.
Das Vorgehen zur Etablierung von Kaizen hängt von den Bedingungen und Möglichkeiten für Veränderungen im Unternehmen ab und damit von der Organisationskultur:
- Wie üblich sind in Ihrem Unternehmen die Prinzipien und Regeln, die mit Kaizen verbunden sind?
- Können alle Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz selbstverantwortlich verändern und verbessern?
- Wird das Mitdenken gefordert und gefördert?
- Bringen die Mitarbeiter sich ein und sind sie engagiert?
Solche Fragen und die entsprechenden Antworten geben ein Bild von der prägenden Unternehmenskultur – und davon, wie sich Kaizen einführen lässt.
Es sind mehrere Maßnahmen für die Umsetzung und Einführung der Kaizen-Prinzipien in einem Unternehmen notwendig. In der Praxis ist die Einführung von Kaizen ein Prozess, der von „oben“ (Top-Down), vom Top-Management angestoßen wird und von „unten“ (Bottom-Up) gelebt und praktiziert wird.
Top-Down
Das (Top-) Management initiiert und treibt die Einführung von Kaizen und seinen Regeln und Prinzipien voran. Es entwickelt eine Vision der kontinuierlichen Verbesserung durch jeden Mitarbeiter und macht klare Zielvorgaben. Es prüft den Fortschritt der Umsetzung und die Zielerreichung. Bei Konflikten und Reibungen muss es vermitteln, ausgleichen und entscheiden.
Bottom-Up
Alle Mitarbeiter im Unternehmen sind dafür verantwortlich, dass Kaizen und kontinuierliche Verbesserung eingesetzt und gelebt werden. Sie nutzen die unterschiedlichen Werkzeuge, entwickeln Ideen und setzen diese um.
Das mittlere Management (Meister, Teamleiter) nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Zum einen treibt es die Vorgaben des Top-Managements voran, hilft bei der Einführung und überprüft den Fortschritt. Zum anderen greift es die Ideen und Anforderungen der Mitarbeiter auf und meldet Verbesserungsvorschläge an das Top-Management zurück, die über den einzelnen Arbeitsplatz hinausgehen. Bei den anderen, einfachen Verbesserungen, die sich ohne Abstimmung mit anderen umsetzen lassen, sorgt das mittlere Management dafür, dass es auch getan wird.
Betriebsrat einbinden
Besonders wichtig ist die Einbindung des Betriebsrats. Denn die Grundsätze und die allgemeine Organisation eines Vorschlagswesens sind nach §87 Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig. Es ist deshalb zu empfehlen, dass zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.
Dort wird Folgendes festgelegt:
- Wie wird der Begriff „Vorschlag“ definiert und wer ist berechtigt, Vorschläge einzureichen?
- Wie wird das Einreichen und der weitere Bearbeitungsweg von Vorschlägen ausgestaltet?
- Nach welchen Maßstäben werden Vorschläge bewertet und nach welchen Grundsätzen werden Vorschläge gegebenenfalls prämiert?
Die Entscheidung über Nutzung und Einführung von Vorschlägen und die Entscheidung über zu gewährende Prämien im Einzelfall sind nicht mitbestimmungspflichtig.
Prämien für Verbesserungsvorschläge?
In der Praxis ist umstritten, ob es Prämien für Verbesserungsvorschläge geben soll, die im Rahmen von Kaizen von Mitarbeitern eingebracht und realisiert wurden. Möglicherweise spart das Unternehmen durch einen solchen Verbesserungsvorschlag viel Geld. Die Mitarbeiterin, die diesen Vorschlag eingebracht hat, hat nichts davon, wenn es keine Prämie gibt. Das kann frustrieren, sagen die Befürworter eines Kaizen-Prämien-Modells.
Die Gegner wenden ein, dass Kaizen eben nicht durch Geld motiviert werden soll und auch nicht kann. Vielmehr gehört es zur „normalen Arbeit“, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vorschläge zur Verbesserung entwickeln, einbringen und umsetzen. Dafür erhalten sie ihr Gehalt.
Welche Variante – mit oder ohne Prämie – für Ihr Unternehmen richtig ist, müssen Sie selbst herausfinden. Praktikabel ist:
Kaizen ist eine selbstverständliche Aufgabe für alle
Vorschläge zur Verbesserung gehören zum Stellenprofil und zur Aufgabenbeschreibung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dafür gibt es keine zusätzlichen Prämien. Es wird einfach erwartet, dass sich jeder einbringt. Die „Belohnung“ besteht darin, dass Kaizen nicht nur für das Unternehmen Vorteile hat, sondern alle Mitarbeiter davon profitieren; die Arbeit wird leichter, es passieren keine Fehler, der Arbeitsschutz wird verbessert und der Arbeitsplatz ist sauber und aufgeräumt. Kaizen muss dann auch für das Top-Management eine selbstverständliche Aufgabe sein. Es macht immer deutlich und lebt vor: Verbesserungsvorschläge sind eine permanente Aufgabe aller!
Anerkennung besonderer Verbesserungsvorschläge
Ergänzend kann ein Prämienmodell eingeführt werden, das auf außergewöhnliche Verbesserungen ausgerichtet ist. Einmal pro Monat oder Jahr werden die Vorschläge mit Geld oder Sachleistungen prämiert, die für das Unternehmen besondere Kosteneinsparungen ermöglichen, die Innovationskraft stärken, ein drängendes Problem lösen, besonders originell sind oder Ähnliches. Dafür gibt es einen Prämientopf. Die Mitarbeiter entscheiden durch geheime Abstimmung, welcher Vorschlag und welcher Mitarbeiter ausgezeichnet wird.
Phasen zur Umsetzung von Kaizen und kontinuierlicher Verbesserung
Zur nachhaltigen Einführung empfiehlt sich ein Vorgehen, das die folgenden Schritte beinhaltet:
1 . Zukunftsvisionen von „Gelebtes Kaizen“ entwickeln
Die Unternehmensleitung und die obere Management-Ebene haben sich mit dem Thema Kaizen und kontinuierliche Verbesserung auseinandergesetzt. Sie kennen das Prinzip und haben sich Lösungen in anderen Unternehmen angeschaut. In einem Workshop werden gemeinsame Ziele formuliert und eine Vision von der Zeit nach der Einführung von Kaizen beschrieben. Ein strategischer Maßnahmenplan wird entwickelt. Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wird abgestimmt.
2. Programm erstellen zur Einführung von Kaizen und kontinuierlicher Verbesserung
Ein Projektplan wird entwickelt. Es wird ein Kaizen-Manager (Projektleiter) berufen und ein Projektteam eingerichtet. Wichtige Fragen dabei sind:
- Wird ein externer Berater oder Trainer hinzugezogen?
- Wird mit anderen Unternehmen zusammengearbeitet oder ein Erfahrungsaustausch organisiert?
- Welche Aufgaben zur Einführung von Kaizen fallen an?
- Wer übernimmt die jeweiligen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Projektteams?
- Auf welchen Zeitraum wird das Projekt „Einführung von Kaizen“ angelegt?
- Wann ist der richtige Zeitpunkt für wichtige Meilensteine?
3. Führungskräfte-Schulung
In dieser Phase werden die Führungskräfte auf allen Ebenen in den Prozess eingebunden. Sie werden informiert und für die Mitwirkung motiviert. Dazu finden entsprechende Schulungen statt, die zeigen und vermitteln, welche neuen Denk- und Verhaltensweisen notwendig sind. Das sind insbesondere die folgenden Themen:
- Förderung der Mitarbeiter bei Ideenfindung und Verbesserung
- Förderung von Teamarbeit
- kunden- und prozessorientiertes Denken
- Formulierung von Zielen
- beispielhaftes Vorleben der Veränderungen
- praktische Beispiele für Kaizen-Maßnahmen zur Verbesserung, Vermeidung von Verschwendung, Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz; etwa mit „Vorher-Nachher-Beispielen“
4. Moderatoren-Ausbildung
Aus allen Bereichen des Unternehmens werden Mitarbeiter ausgewählt, die Kaizen-Workshops initiieren, moderieren und leiten können. Diese Mitarbeiter sind die Multiplikatoren im Unternehmen. Sie vermitteln das Kaizen-Know-how und die neue Denkweise an alle Mitarbeiter des Unternehmens. Dabei müssen sie auch wissen, wie sie mit Widerständen und Konflikten umgehen.
5. Planung und Durchführung von Workshops
Das „Roll-out“ erfolgt in Kaizen-Workshops, in die alle Mitarbeiter eingebunden werden. Bereits hier wird deutlich, dass das Top-Management alle Aktivitäten in besonderem Maße fördert und vorantreibt und mit eigenem, guten Beispiel vorangeht.
In den Workshops wird das notwendige Kaizen-Wissen vermittelt und die Denkweise gefördert. Dabei sollte in der Anfangsphase auch der Kaizen-Manager teilnehmen und den Prozess unterstützen. In den Workshops werden die Regeln für die Zusammenarbeit, das Einbringen von Verbesserungsvorschlägen und ihre Umsetzung besprochen und fest vereinbart.
6. Betriebsvereinbarung
Spätestens jetzt wird eine Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmen und Betriebsrat formuliert und verabschiedet, die die allgemeinen Regeln für das Kaizen, kontinuierliche Verbesserung und Ideenmanagement beschreibt.
Hilfreiche Arbeitsmaterialien für die Umsetzung von Kaizen
Die folgenden Arbeitsmaterialien können bei der Umsetzung von Kaizen hilfreich sein. Sie unterstützen die einzelnen Abläufe für das Einreichen und die Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen.
- Formblätter zur Unterstützung der strukturierten Formulierung von Verbesserungsvorschlägen (Was, Wo, Wie, Warum und Wozu)
- Software zur Erfassung und Verwaltung von Vorschlägen (Eingabe im Intranet, automatische Versendung von Bescheiden, Gutachtenanforderungen und Mahnungen, automatische Generierung von Reports zu allen relevanten Kennzahlen)
- E-Mail-Verteiler zur Bearbeitung und Entscheidung von Vorschlägen im Umlaufverfahren
- Formblätter für einen Arbeitsauftrag für die Umsetzung von Vorschlägen
- Informationsplattformen wie Schwarze Bretter, Infotafeln, Ideenstraßen, Ideensäulen, Intranetseiten, Flyer, Broschüren für die Information von Kollegen; dadurch entsteht Transparenz über das Vorschlagswesen, über wichtige Kennzahlen, sowie über den aktuelle Bearbeitungs- und Umsetzungsstand einzelner Vorschläge
- Ideenpool an einem allgemein zugänglichen Ort oder mit Suchfunktion im Intranet
- Intranetplattform mit allen Protokollen, Arbeitshilfen, Kontaktdaten relevanter Ansprechpartner im Ideenmanagement
Hemmnisse bei der Umsetzung von Kaizen
Es besteht immer die Gefahr, dass Kaizen und der kontinuierliche Verbesserungsprozess einschlafen. Eine mögliche Ursache dafür kann sein, dass die Ideen der Mitarbeiter nicht aufgegriffen werden. Entscheidungen zur Umsetzung dauern zu lange. Die Mitarbeiter sind frustriert und stellen ihre Mitwirkung ein. Dies ist ein Zeichen dafür, dass das Management selbst Kaizen nicht wirklich ernst nimmt.
Wenn die Mitarbeiter Angst vor Arbeitsplatzverlust oder Schuldzuweisungen haben, stellen sie ebenfalls ihre Mitwirkung ein. Oft werden dann andere Gründe vorgeschoben: Keine Zeit zur Teilnahme an Workshops, Probleme werden heruntergespielt, Mitarbeiter bringen keine Vorschläge.
Nach einer Weile kann sich zeigen, dass zu wenige Verbesserungsvorschläge von den Mitarbeitern kommen. In manchen Fällen kann dies auch in der fehlenden Geduld der Führungskräfte liegen. Sie bedenken nicht, dass auch kleinste Verbesserungen ein Teil von Kaizen sind.
Phasenplan Kaizen entwickeln
Entwickeln Sie Ihren eigenen Phasenplan zur Umsetzung von Kaizen und kontinuierlicher Verbesserung in Ihrem Unternehmen. Nutzen Sie dazu die folgende Vorlage mit diesen einzelnen Schritten:
- Arbeitsbereich festlegen und abgrenzen
- Ist- und Soll-Zustand beschreiben
- Probleme beschreiben
- Probleme analysieren
- Lösungsideen entwickeln
- Lösungen bewerten und auswählen
- Maßnahmen ableiten
- Ergebnispräsentation
- Maßnahmen vereinbaren und Ressourcen klären
- Maßnahmen umsetzen
- Erfolg prüfen
- Ergebnis weiter verbessern
Mit der folgenden Checkliste wenden Sie die allgemeinen Lean-Grundsätze und das Kaizen-Prinzip Schritt für Schritt an, beziehen Mitarbeitende hierbei ein, setzen sich konkrete Ziele und planen langfristig.
Überprüfen Sie bei und nach der Einführung von Kaizen (nach einem halben Jahr):
- Welche Probleme sind aufgetaucht?
- Welche Ergebnisse lassen sich feststellen?
- Wie viele Verbesserungsvorschläge wurden bereits eingereicht?
- Wie gut ist diese Kennzahl „Anzahl Verbesserungen“ im Vergleich zu früher oder zu anderen Unternehmen, die ähnlich weit mit der Anwendung von Kaizen sind?
- Brauchen Sie ein Prämienmodell?
- Wie könnte das Prämienmodell aussehen?