KündigungWann Sie krankheitsbedingt kündigen können
- Unsicherheit und Mehrarbeit durch häufige Ausfälle bei Krankheit
- Mögliche Konstellationen für eine krankheitsbedingte Kündigung
- Hohe Anforderungen an Kündigung wegen Krankheit
- Kündigung muss Ultima Ratio sein
- Bei krankheitsbedingter Kündigung ist keine Abmahnung notwendig
- Was gilt für Kleinbetriebe?
- Mit Vorlage im Praxisteil
Unsicherheit und Mehrarbeit durch häufige Ausfälle bei Krankheit
Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter monatelang ausfällt oder sehr oft kurzzeitig krankheitsbedingt fehlt, kann dies für das Unternehmen und für Kolleginnen und Kollegen zur Belastung werden: Betriebliche Abläufe müssen angepasst, die Arbeiten müssen im Team verteilt werden und möglicherweise muss eine Vertretungskraft eingestellt werden.
Noch dazu kommt die Unsicherheit, wie sich die Fehlzeiten in Zukunft entwickeln und ob der oder die Mitarbeiterin künftig überhaupt wieder in der Lage sein wird, den Anforderungen an seinen Arbeitsplatz gerecht zu werden. Manch ein Arbeitgeber zieht dann eine Kündigung in Erwägung.
Mögliche Konstellationen für eine krankheitsbedingte Kündigung
Eine Kündigung wegen Krankheit kommt in Betracht bei:
- einer Langzeiterkrankung
- häufigen Kurzerkrankungen
- dauerhafter Arbeitsunfähigkeit
- krankheitsbedingter Leistungsminderung
Das bedeutet: Eine einzelne kurzzeitige und ordnungsgemäß attestierte Erkrankung ist kein Kündigungsgrund.
Hohe Anforderungen an Kündigung wegen Krankheit
Die krankheitsbedingte Kündigung zählt zu den sogenannten personenbedingten Kündigungen. Die Maßstäbe, die an die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung angelegt werden, sind hoch. Es gilt das „Ultima-Ratio-Prinzip“: Sie darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden, andere mildere Maßnahmen müssen vorab ausgeschöpft worden sein.
Voraussetzung 1: Negative Gesundheitsprognose
Erste Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung ist eine negative Gesundheitsprognose. Das bedeutet: Es müssen objektive Umstände vorliegen, welche die Prognose zulassen, dass der oder die Beschäftigte auch in Zukunft in erheblichem Umfang krankheitsbedingt ausfällt und die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen kann.
Negative Gesundheitsprognose
Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei einer Langzeiterkrankung von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen, wenn innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.
BAG, Urteil vom 12.4.2002, Aktenzeichen 2 AZR 148/01
Handelt es sich um häufige Kurzerkrankungen, darf der Arbeitgeber seine Prognose wie folgt stellen: Wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter in einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren aufgrund von Kurzerkrankungen mindestens sechs Wochen pro Jahr krankheitsbedingt fehlte, ist zu erwarten, dass dies auch in Zukunft so sein wird.
Bei einer lang andauernden Erkrankung (mehr als sechs Wochen) besteht eine negative Gesundheitsprognose in der Regel dann, wenn absehbar ist, dass der krankheitsbedingte Ausfall auch noch längere Zeit andauert.
Voraussetzung 2: Wirtschaftliche und betriebliche Interessen des Arbeitgebers sind beeinträchtigt
Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung ist, dass wirtschaftliche und betriebliche Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind.
Eine wirtschaftliche Beeinträchtigung ist zum Beispiel gegeben, wenn:
- zusätzliche Personalkosten entstehen, weil eine Vertretung eingestellt werden muss, um den Ausfall zu kompensieren;
- der Arbeitgeber mit Kosten für Lohnfortzahlung erheblich belastet ist.
Betriebliche Interessen sind zum Beispiel beeinträchtigt, wenn sich durch die lange oder häufige Ausfallzeit eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin Störungen im Produktionsablauf ergeben.
Voraussetzung 3: Die Interessen des Arbeitgebers müssen überwiegen
Zusätzliches Kriterium ist, dass das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses das schutzwürdige Interesse der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters an einer Weiterbeschäftigung überwiegt. Der Arbeitgeber muss die beiderseitigen Interessen gegeneinander abwägen und gewichten.
Dabei sind zugunsten des Arbeitnehmers Faktoren wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein Alter oder eventuelle Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Außerdem ist zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle im Betrieb möglich ist.
Zu beachten ist: Um eine Kündigung rechtfertigen zu können, müssen die Voraussetzungen 1 bis 3 zusammen erfüllt sein. Ist nur ein Teil der Voraussetzungen erfüllt, so reicht das nicht aus – eine Kündigung wäre dann unwirksam.
Kündigung muss Ultima Ratio sein
Bei der notwendigen Interessenabwägung spielt es auch eine Rolle, ob die Kündigung das letzte Mittel, die Ultima Ratio, ist oder ob andere mildere Maßnahmen infrage kommen. Hat eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eine bestimmte Anzahl an krankheitsbedingten Fehltagen pro Jahr, sind Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen.
Kündigt ein Arbeitgeber einem Beschäftigten krankheitsbedingt, ohne zuvor ein BEM durchgeführt zu haben, so wird dies bei der Interessenabwägung vor Gericht in der Regel zugunsten des Beschäftigten berücksichtigt.
Bei krankheitsbedingter Kündigung ist keine Abmahnung notwendig
Vor einer krankheitsbedingten Kündigung ist keine Abmahnung notwendig. Denn bei einer Erkrankung geht es ja nicht um ein bestimmtes Verhalten, das man der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer zum Vorwurf machen kann. Insofern würde eine Abmahnung in einem solchen Fall ins Leere gehen.
Was gilt für Kleinbetriebe?
In Betrieben mit maximal zehn Beschäftigten gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Das bedeutet: In Kleinbetrieben mit nicht mehr als zehn Beschäftigten bedarf eine Kündigung keiner „sozialen Rechtfertigung“ im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und ist damit wesentlich einfacher umzusetzen als in größeren Unternehmen.
Gewisse Schranken für eine Kündigung gibt es allerdings auch in Kleinbetrieben, zum Beispiel sind auch dort sitten- oder treuwidrige Kündigungen verboten oder solche, die willkürlich erfolgen. Ein „Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme“ ist auch in Kleinbetrieben zu wahren.
Wirksame Kündigung im Kleinbetrieb
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erklärte die Kündigung einer Mitarbeiterin, die 19 Jahre lang in einem Kleinbetrieb tätig war, für wirksam. Zum Kündigungszeitpunkt war die Frau seit zweieinhalb Monaten arbeitsunfähig krank, eine Genesung war nicht absehbar. Das Gericht wertete den Grund für die Kündigung – die lange Ausfallzeit wegen Krankheit – als einleuchtend und beurteilte die Kündigung weder als treuwidrig noch als willkürlich.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.10.2014, Aktenzeichen 1 Sa 151/14
Bevor Sie eine Kündigung wegen Krankheit in Betracht ziehen, sollten Sie sich folgende Fragen stellen und klären:
Liegt ein kündigungsrelevanter Sachverhalt vor?
Prüfen und dokumentieren Sie anhand von Fehltagen und Krankmeldungen (Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit):
- Besteht eine Langzeiterkrankung?
- Fällt der Mitarbeitende oft wegen Kurzerkrankungen aus?
- Ist der Beschäftigte dauerhaft arbeitsunfähig?
Klären Sie damit auch, inwiefern eine krankheitsbedingte Leistungsminderung vorliegt. Dokumentieren Sie die Leistungsminderung anhand von Kennzahlen oder anderen Bewertungen.
Sind alle Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung erfüllt?
Handelt es sich um eine Langzeiterkrankung oder häufige Kurzzeiterkrankungen (in der Summe mehr als sechs Wochen pro Jahr), dann prüfen Sie, womit Sie in den nächsten beiden Jahre rechnen müssen:
- Besteht eine negative Gesundheitsprognose?
- Wodurch ist diese begründet?
Dokumentieren Sie die wirtschaftlichen und betrieblichen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen:
- Ergeben sich zusätzliche Personalkosten durch eine Vertretung oder Leiharbeit?
- Wie hoch sind die krankheitsbedingten Kosten und Lohnfortzahlungen?
- Gab es Produktionsausfälle, Lieferprobleme oder Terminverschiebungen aufgrund der Krankheit des Mitarbeiters?
Überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin an einer Weiterbeschäftigung? Wägen Sie dazu ab:
- negative Folgen für den Arbeitgeber, die betrieblichen Abläufe und das Team (Kolleginnen und Kollegen des kranken Mitarbeiters)
- negative Folgen für den kranken Mitarbeiter bei einer Kündigung
Gibt es mildere Maßnahmen, mit denen das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann?
Prüfen Sie schließlich:
- Ist eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle im Betrieb möglich? Inwiefern? An welcher Stelle?
- Wurde ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt? Welche Maßnahmen?
Halten Sie alle Daten und Informationen zu diesen Fragen fest und dokumentieren Sie so die jeweilige Situation: „Das hat sich bisher aus der langen oder häufigen Abwesenheit des Mitarbeiters wegen Krankheit ergeben.“ Und geben Sie eine Prognose für die nächsten beiden Jahre ab: „Für die nächsten beiden Jahre müssen wir davon ausgehen, dass …, weil …“