Wie hilft die Discovery-Phase, innovative Lösungen zu entwickeln?

In der Discovery-Phase werden wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse, Herausforderungen und Wünsche der Zielgruppe gewonnen. Indem Unternehmen tiefes Verständnis und Empathie für ihre Nutzerinnen und Nutzer entwickeln, legen sie den Grundstein für kreative und nutzerzentrierte Ideen.

Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage, um innovative Lösungen zu entwickeln, die nicht nur oberflächliche Bedürfnisse abdecken, sondern tatsächlich bestehende Probleme lösen.

Ein genaueres Verständnis der Zielgruppe führt zu Ideen, die in den späteren Phasen des Design Thinking sinnvoll weiterentwickelt werden können. So wird verhindert, dass Ressourcen in Lösungen investiert werden, die am Markt vorbeigehen oder nicht auf das Nutzerbedürfnis zugeschnitten sind.

Zielpersonen und Zielgruppen als Persona beschreiben

Ziel der Discovery-Phase ist es, die Zielpersonen möglichst gut zu verstehen. Design Thinking spricht davon, Empathie zu diesen zu entwickeln.

Dafür werden sogenannte Personas erarbeitet: Dies sind umfassende Beschreibungen von Zielpersonen, die so gut verstanden werden, dass man sich in diese einfühlen kann. So können bessere Entscheidungen basierend auf dem Wissen über die Personas getroffen werden.

Die Darstellung einer Persona erfolgt so anschaulich wie möglich: Angestrebt werden lebensgroße und lebensnahe Abbildungen der Personen auf Flipcharts, wobei auch hier der Kreativität keine Grenzen gesetzt werden.

Für die Beschreibung und Modellierung der Zielpersonen (Personas) können diverse Tools und vielfältige Daten- und Informationsquellen herangezogen werden. Welche Quellen tatsächlich zur Verfügung stehen, hängt sowohl vom jeweiligen Projekt ab und davon, wie lange das Unternehmen bereits besteht und was es deshalb von seinen Märkten und Kunden schon weiß.

Ebenso ausschlaggebend ist, ob es sich um den ersten Design-Thinking-Durchlauf handelt oder um einen Folgedurchlauf. Jeder Durchlauf setzt auf Ergebnissen und Erfahrungswerten aus vorangegangenen Durchläufen auf – denn Design Thinking ist ein iteratives Vorgehensmodell.

Nachfolgend werden ausgewählte Methoden und Tools für die Modellierung von Personas als Zielpersonen vorgestellt.

Merkmale der Persona ermitteln und festhalten

Zu Beginn der Discovery-Phase wird überlegt, welcher Personenkreis ein bestehendes Produkt oder einen bestehenden Service bereits nutzt oder zukünftig nutzen soll – je nachdem, ob eine neue Lösung gefunden oder eine bestehende verbessert werden soll. Für die so festgelegte Gruppe wird der typische Repräsentant möglichst exakt beschrieben.

Dazu werden die folgenden Eigenschaften und Merkmale der Persona festgehalten.

Allgemeine Beschreibung

Neben demografischen Daten wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Wohngegend, Beruf, Einkommen oder Ausbildung sollten auch Hobbys, soziales Umfeld, Milieu oder Denkweise erfasst werden. Je umfangreicher die Beschreibung ausfällt, desto besser. In einer späteren Phase des Design Thinking werden die Daten für Markttests erhoben.

Absichten und Erwartungen

Der Einsatz von Produkten und die Nutzung von Dienstleistungen sind kein Selbstzweck. In der Regel wird damit eine Absicht verfolgt, die Nutzung soll eine Verbesserung bringen; mehr Freude durch Luxusgüter, Transfer an einen anderen Ort bei einer Flugreise, Immunisierung nach Verabreichung einer Impfung etc.

Diese Absichten und Erwartungen sollen für jede Persona erfasst werden. Somit kann im Nachgang getestet werden, ob das neue Produkt oder die neue Dienstleistung die Erwartungen auch erfüllen kann. Beim Design Thinking wird hierfür das „Jobs-to-be-done-Framework“ eingesetzt, das unten genauer erläutert wird.

Anwendungsfälle

Außerdem werden typische Anwendungsfälle aufgelistet und beschrieben. Die Frage dabei ist: In welchen Situationen und für welche Zwecke wenden die Kunden das (neue) Produkt an? Diese Anwendungsfälle werden herangezogen, um neue Vorschläge zu testen und um bestehende Schwierigkeiten zu verstehen.

Die Beschreibung kann verbal erfolgen oder auch mithilfe formaler Beschreibungssprachen (zum Beispiel Unified Modeling Language, UML). Wichtig bei der Wahl des Formats ist, dass sämtliche Teammitglieder die Dokumentation der Anwendungsfälle verstehen und nachvollziehen können.

Probleme mit bisherigen Lösungen: Pains

Probleme, Einschränkungen, Unannehmlichkeiten – alle Schwachstellen mit bisherigen Lösungen sollen erhoben und dokumentiert werden. Quellen hierfür können tatsächliche Kundenbeschwerden sein. Aber auch Beobachtungen des Nutzungsverhaltens, etwa in Online-Shops oder die Selbstbeobachtung beim Durchspielen von Anwendungsfällen durch Teammitglieder.

Willkommene Verbesserungen: Gains

Erfasst werden sollen zudem alle möglichen Verbesserungen. Dies können Ideen aus dem Team sein genauso wie Anregungen von Benutzern. Zum Beispiel das User-Verhalten aus dem Online-Shop (Auswertung von Logfiles), Daten von Internet-of-things-tauglichen Geräten – auch hier sind vielfältige Datenquellen möglich.

Wenn keine Informationen zur Persona-Beschreibung vorliegen

Zu Beginn eines Projektes, nach Gründung eines Unternehmens – und somit am Anfang des Design-Thinking-Vorhabens – stehen mitunter noch keine Daten über die Nutzung des Produkts oder Services zur Verfügung. Eventuell gibt es auch noch keine Kunden, die befragt werden können.

Im Laufe der Zeit fallen jedoch Daten automatisch an. In Online-Shops kann Benutzungsverhalten aufgezeichnet werden, (potenzielle) Kunden, auch von Wettbewerbern, können befragt werden. Ebenso bringt jeder Durchlauf des Design-Thinking-Prozesses neue Ergebnisse mit sich.

Somit stehen im Laufe der Zeit verschiedene Datenquellen zur Verfügung, um Personas zu verstehen und zu beschreiben.

Wichtig ist in jedem Fall die Validierung der beschriebenen Personas in der Praxis. Die entsprechenden Personas müssen in der Praxis gefunden und angesprochen werden können. Ansonsten bliebe es bei reiner Fiktion.

Für Design-Thinking-Projekte gibt es einige Instrumente (Tools), die das Sammeln und Auswerten von Daten hin zur Beschreibung von Personas strukturieren. Die so erarbeiteten Erkenntnisse sollen dann wiederum in die Beschreibung der Persona einfließen.

Nachfolgend werden ausgewählte Tools vorgestellt, die das Beschreiben von Personas unterstützen können.

Tool: Empathie-Raster

Ein wesentliches Ziel bei der Beschreibung der Personas ist es, sich in diese einfühlen (eindenken) zu können, gewissermaßen Empathie zu diesen zu entwickeln. So ist es dann möglich, Entscheidungen aus Sicht der Personas zu treffen und Innovation in deren Sinn zu gestalten.

Design Thinking schlägt zur Unterstützung der genauen Kundenanalyse das Empathie-Raster, auch die Empathy-Map oder Empathie-Karte vor.

Beim Empathie-Raster liegt die Persona im Schnittpunkt der vier Bereiche (siehe folgende Abbildung):

  • Denken und Fühlen
  • Sehen
  • Sprechen und Tun
  • Hören

Aus dieser empathischen Kundenbetrachtung ergeben sich dann:

  • Pains: Was Kunden bemängeln, befürchten, als hinderlich oder lückenhaft sehen
  • Gains: Was Kunden als Vorteil und echten Nutzen erleben, was sie schätzen, mögen, anerkennen
Aufbau und Darstellung des Empathie-Rasters für Design Thinking

Für diese vier Perspektiven der Kundenbetrachtung können auch Annahmen getroffen werden, basierend auf zur Verfügung stehender Daten und Informationsquellen. Das können beispielsweise sein:

  • Beschreibungen der Personen in der Literatur
  • Studien und Statistiken
  • Medienberichte
  • Auftreten der Personen auf Veranstaltungen, in Online-Foren oder auf Social-Media-Plattformen

Möglich ist auch die Verwendung von Bild- und Videomaterial, das etwa Anwender in Aktion zeigt oder auch Aufzeichnungen des Nutzerverhaltens aus Online-Shops. Diese Daten und Quellen werden interpretiert, diskutiert und vor dem Hintergrund eigener Vorstellungen dokumentiert. Alle Ergebnisse sollen dann in die Beschreibung der Persona einfließen.

Die Verwendung der Empathy-Map garantiert jedoch nicht, dass die so generierten Ideen und Annahmen praxistauglich sind. Wiederum ist es erforderlich, die Ergebnisse zu validieren, das heißt, die Frage zu klären, ob die beschriebenen Personas in der Realität gefunden und angesprochen werden können.

Tool: Jobs-to-be-done-Framework

Für die Beschreibung der Personas ist es bedeutsam zu verstehen, mit welcher Erwartungshaltung diese das Produkt oder die Dienstleistung nutzen.

Ein Beispiel ist der Verkauf von Milchshakes an Bahnhöfen. Ein solches Unternehmen identifizierte zwei Kundengruppen:

  • morgens: Personen, die auf dem Weg zur Arbeit ein gesundes Frühstück zu sich nehmen wollen.
  • nachmittags: Mütter, die ihren Kindern auf dem Heimweg einen gesunden Snack anbieten wollen.

Konsistenz und Zutaten der Shakes werden deshalb entsprechend variiert. Nachdem die unterschiedlichen Personas und deren Anliegen und Erwartungen verstanden wurden, konnten entsprechende Shakes gemixt werden.

Auf Basis dieser Erkenntnis werden mit dem Jobs-to-be-done-Framework drei Aspekte einer Persona-Aktivität unterschieden:

  • Ausgangssituation
  • Handlung
  • Ergebnis

Dazu ein weiteres Beispiel: Ein Mikro-Blogger möchte rasch ein kompaktes Posting an seine Follower senden, um diese über aktuelle Neuigkeiten zu informieren. Ein Blog-Autor möchte einen umfassenden Artikel schreiben, um seine Leser kompetent zu informieren. Im Jobs-to-be-done-Framework ließe sich dies wie in der folgenden Abbildung darstellen.

© Alexander Simon – www.business-wissen.de
Handlungsbeschreibung für zwei unterschiedliche Persona mit dem Jobs-do-be-done-Framework

Anwendungsfälle (Use Cases) können aus den „Jobs-to-be-done“ abgeleitet werden, sind jedoch detaillierter. Das Schreiben eines umfassenden Artikels beinhaltet unter anderem die Anwendungsfälle Textformatierung setzen, Fotos hinzufügen, Videos einbetten etc.

Tool: AEIOU-Raster

Ein weiteres Tool für die Discovery-Phase beim Design Thinking ist das AEIOU-Raster. Dieses soll helfen, die Beobachtung der Anwender zu strukturieren. AEIOU bezeichnet dabei die Ebenen:

  • Activity: Welche Handlungen und Aktivitäten zeigen die Benutzer?
  • Environment: In welchen Umgebungen wird das Produkt oder die Dienstleistung genutzt?
  • Interaction: Wie hängen Handlungen und Umgebung zusammen? Welche Wechselwirkungen bestehen?
  • Objects: Welche Gegenstände werden verwendet?
  • User: Welche Rollen haben die Anwender? Durch wen werden sie beeinflusst?

Beobachten versteht sich dabei im weiteren Sinne und umfasst auch die Auswertung von Benutzerdaten in Online-Shops und die Nutzung anderer Datenquellen. Beim Einsatz des Rasters empfiehlt es sich, zuvor genaue Fragen zu formulieren, die dann im Zuge der Beobachtung beantwortet werden.

Zukünftige Anwender im Sinne des Design Thinkings beachten

Sind die Personas umfassend beschrieben, kann überlegt werden, was künftige Anwender und weitere potenzielle Zielgruppen ausmacht und kennzeichnet. Die vorliegenden Beschreibungen sollen gewissermaßen in die Zukunft extrapoliert werden.

Zuvor sollte überlegt werden, wie sich die Rahmenbedingungen künftig ändern. Empfehlung ist, dafür das AEIOU-Raster heranzuziehen. Für jede Ebene wird dann gesondert überlegt, wie diese künftig aussieht.

Bestehende Persona-Beschreibungen, und das so gewonnene Zukunfts-AEIOU-Raster können dann genutzt werden, um die zukünftigen Personas zu beschreiben.

Herausforderungen in der Discovery-Phase

Die Discovery-Phase ist in mehrfacher Hinsicht sehr anspruchsvoll: Sie steht am Beginn des Design-Thinking-Prozesses und prägt die nachfolgenden Phasen. In der Discovery-Phase werden die Personas kreiert, die für die weiteren Schritte zentral sind.

Tools geben Hilfestellungen, doch deren Anwendung allein garantiert nicht die Exaktheit und Vollständigkeit der Persona-Beschreibungen. In erster Linie regen die Tools die Kreativität an und sie geben Bereiche vor, die gezielt analysiert werden sollen. Und Kreativität ist ein wichtiger Erfolgsfaktor des Design-Thinking-Prozesses.

Personas müssen reales Kundenverhalten, Anliegen und Interessen der Zielpersonen zutreffend beschreiben. Dies funktioniert nur, wenn verschiedene Datenquellen ausgewertet und zusammengeführt werden.

Zudem sind Persona-Beschreibungen dann auch Praxistests zu unterziehen; nicht nur zu Beginn, sondern über alle Durchläufe hinweg. Die damit verbundenen Aufgabenstellungen gleichen der Erstellung eines Forschungsdesigns.

Design Thinking ist ein anspruchsvoller Prozess, dessen Moderation einiges an Expertise voraussetzt. Ist Design Thinking innerhalb der Organisation noch nicht etabliert, bietet sich der Einsatz von erfahrenen Unternehmensberatern an. Diese können den Design-Thinking-Prozess moderieren und bei der Erstellung des Forschungsdesigns unterstützen.

Praxis

Recherche zu den (potenziellen) Kunden

Recherchieren Sie so viele Informationen wie möglich zu Ihrem Design-Thinking-Thema. Wichtig sind vor allem Informationen zu Ihren (angestrebten) Märkten, Zielgruppen und Kunden.

Fassen Sie die Informationen zu Ihren Zielgruppen und Kunden in Form einer oder mehrerer Persona-Beschreibungen zusammen. Nutzen Sie dafür die folgende Vorlage.

Empathie-Raster nutzen

Um die Besonderheiten der Persona zu erkennen und zu erfassen, hilft das Empathie-Raster. Damit versetzen Sie sich so gut es geht in die Situation der Person, die Sie vor Augen haben. Analysieren Sie Denkhaltungen, Werte, Eindrücke, Erfahrungen, Wahrnehmungen, Meinungen und Aussagen der Person, die Ihre Persona repräsentiert.

Erfassen Sie dies mit den folgenden Vorlagen.

Tools für die Kundenanalyse nutzen

Weitere Tools, um die Persona, ihre besondere Situation und ihre Erwartungen, Anforderungen, Wünsche etc. zu erfassen und zu beschreiben, sind das Jobs-to-be-done-Raster und das AEIOU-Raster.

Nutzen Sie für diese Analysen die folgenden Vorlagen.

Mit dem Abschluss der Discovery-Phase haben Sie das Thema und das Betrachtungsfeld des Design-Thinking-Projekts umfassend erkundet und Informationen zusammengestellt. Damit können Sie in der folgenden Phase der Problemdefinition spezielle Fragen und Aufgaben formulieren, die für die Lösungsfindung maßgeblich sind.

Dazu im Management-Handbuch

Vorlagen nutzen

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