Produkthaftung und ProduktsicherheitWer trägt die Verantwortung hinsichtlich der Produkthaftung?
Von der Produkthaftung betroffene Akteure in der Lieferkette
Die Produkthaftung spielt immer dann eine Rolle, wenn ein Unternehmen ein Produkt an einen Endverbraucher verkauft. Die Verantwortung trägt nicht nur der Hersteller des Produkts. Auch Lieferanten von Vorprodukten, Importeure, Händler, Quasi-Hersteller oder Verkäufer sind in der Pflicht.
Nach deutschem Produkthaftungsgesetz haftet zunächst derjenige, der das Produkt in Verkehr gebracht hat. Allerdings werden Fehler in der Wertschöpfungs- oder Lieferkette zurückverfolgt. Dann haftet das Unternehmen, in dessen Verantwortungsbereich der Fehler entstanden ist, der zum Schaden führte.
Sind das mehrere Unternehmen, dann haften sie gesamtschuldnerisch. Das bedeutet für die einzelnen Akteure in der Lieferkette eines Produkts:
Lieferant
Der Lieferant haftet, wenn sein Bauteil oder Material einen Fehler aufweist, den er in seinem Verantwortungsbereich hätte verhindern können.
Er haftet nicht, wenn sein fehlerfreies Teilprodukt in ein durch Konstruktion fehlerhaftes Endprodukt eingebaut wird. Auch wenn sein Kunde eine ungenügende Bedienungsanleitung für den Endverbraucher beilegt, haftet der Lieferant nicht.
Umgekehrt: Unternehmen, die Teilprodukte ihrer Lieferanten in ihre Produkte einbauen, sollten sich absichern. Denn wenn im Schadensfall das Teilprodukt Ursache für den Schaden war, muss der Lieferant in die Pflicht genommen werden. Dafür müssen Sie gegebenenfalls nachweisen, dass der Fehler auf der Seite des Lieferanten liegt.
Hersteller
Als Hersteller eines Produkts sind Sie dafür verantwortlich, dass keine Gefahren von Ihren Produkten ausgehen und alle gesetzlichen und sonstigen relevanten Regeln eingehalten werden. Sie müssen dies entsprechend dokumentieren und im Fall der Fälle nachweisen und belegen.
Außerdem müssen Hersteller für ihre Produkte eine Risikoanalyse durchführen, mit der sie prüfen, welche Schäden entstehen und welche Folgen diese haben können.
Für die Lieferteile, die Sie in Ihr Produkt einbauen, sollten Sie entsprechende Vereinbarungen mit Ihren Lieferanten treffen, um Ihr eigenes Haftungsrisiko zu begrenzen. Fordern Sie insbesondere, dass Lieferanten eine Betriebs- oder Produkthaftpflichtversicherung haben.
Händler, Importeur (Einführer) – stationär oder online
Als Händler, Importeur oder Einführer sind Sie der Akteur, der ein Produkt in Verkehr bringt. Das kann in der Form Verkauf, Vermietung, Mietkauf oder einer anderen Art und Weise erfolgen.
Dazu zählen zudem Anbieter eines Online-Marktplatzes, die über ihren Webshop Produkte anbieten, verkaufen und vertreiben. Maßgeblich ist das Angebot im Internet.
Fulfilment-Dienstleister
Die Akteure in der Lieferkette, die Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung oder den Versand von Produkten anbieten und durchführen.
Quasi-Hersteller
Als Quasi-Hersteller bringen Sie Ihren Namen oder Ihre Marke am Produkt an und geben sich insofern als Hersteller aus.
Für den Endkunden und Anwender sind Sie in allen diesen Fällen erster Ansprechpartner, wenn ein Schaden eingetreten ist – unabhängig davon, ob Ihr Unternehmen das Produkt hergestellt hat. Sie tragen als Inverkehrbringer deshalb die Verantwortung dafür, dass
- ein Fehlgebrauch durch konstruktive Maßnahmen verhindert wird,
- ein Missbrauch nicht eintreten kann,
- die Produkte dem Stand der Technik entsprechen,
- keine Gefahren von ihnen ausgehen,
- deutschsprachige Bedienungsanleitungen mit Gefahrenhinweisen den Produkten beigefügt sind, die den deutschen Standards entsprechen.
Auch in diesem Fall sollten Sie entsprechende Vereinbarungen mit Ihren Lieferanten und den eigentlichen Herstellern des Produkts treffen, um Ihr eigenes Haftungsrisiko zu begrenzen.
Fordern Sie, dass die Hersteller eine Betriebs- oder Produkthaftpflichtversicherung haben. Mindestens sollten Sie sicherstellen und dokumentieren, wer der Hersteller des Produkts ist, damit Sie dies nachvollziehen und dem Geschädigten gegenüber nachweisen können.
Problematisch kann dies dann werden, wenn der Hersteller eines Produkts im Ausland angesiedelt ist, nicht ausfindig gemacht oder benannt werden kann und wenn er nicht oder nur beschränkt dem deutschen Produkthaftungsgesetz unterworfen werden kann. In diesem Fall haftet Ihr Unternehmen als Importeur und Händler für das Produkt.
Wer persönlich die Verantwortung trägt
Als Geschäftsleitung eines Unternehmens sind Sie dafür verantwortlich, dass Sie alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die möglichen Schäden durch Ihr Produkt zu vermeiden oder zumindest einzugrenzen.
Da Sie im Allgemeinen die damit verbundenen Aufgaben nicht alle selbst erfüllen können, müssen Sie entsprechende Prozesse organisieren und die Voraussetzungen dafür schaffen. Dazu gehören insbesondere:
- Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche klar zuordnen
- nur Personal einsetzen, das ausreichend qualifiziert ist und das entsprechend eingewiesen und unterrichtet wurde
- Arbeitsabläufe und Produkte überwachen (lassen) und für eine ausreichende Qualitätskontrolle sorgen
- ausreichende Ressourcen, Kapazitäten und technisch geeignete Werkzeuge und Maschinen zur Verfügung stellen
- im Schadensfall schnell reagieren und geeignete Maßnahmen einleiten (lassen); zum Beispiel Warnung oder Rückruf
Auch wenn diese Aufgaben auf andere Führungskräfte und leitende Angestellte übertragen und delegiert werden, bleibt die Geschäftsführung in der Verantwortung, dass die Aufgaben sorgfältig ausgeführt werden.
Die Bevollmächtigten müssen ihrerseits entsprechende Sorgfalt walten lassen, wenn sie die Ausführung der Aufgaben an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter delegieren.
Im Zweifelsfall muss die Geschäftsleitung nachweisen, dass der Schaden auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre. Denn Sorgfalt gehört zu ihren Verkehrssicherungspflichten.
Ist das nicht der Fall, wird ein eingetretener Schaden nicht nur dem Unternehmen vorgeworfen, sondern auch einer einzelnen Person, die die Verantwortung trägt. Ist diese Person aus Fahrlässigkeit ihren Pflichten nicht nachgekommen, kann sie im Rahmen der Produzentenhaftung belangt werden.
Was beinhaltet Haftung für Hersteller, Lieferanten und Händler?
Unternehmen und ihre Vertreter haften für die Produkte, die sie in Verkehr bringen, aus unterschiedlichen Gründen. Die Produkthaftung ergibt sich aus der vertraglichen Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer, aber auch aus einer außervertraglichen Haftung zum Schutz des Endverbrauchers.
Insbesondere sind zu unterscheiden:
Garantie
Der Hersteller verpflichtet sich freiwillig zu einer bestimmten Leistung, wenn sich das Produkt beim Kunden als schadhaft herausstellt.
Mängelgewährleistung
Der Hersteller ist verpflichtet, die zugesagte Leistung zu erbringen.
Ist das nicht der Fall, hat er die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung oder zur Nachlieferung. Ist dies nicht möglich, kann der Kunde auch vom Kaufvertrag zurücktreten oder eine Preisminderung einfordern.
Im Allgemeinen gibt es eine Verjährungsfrist von zwei Jahren für Produktmängel.
Produkthaftung (abgeleitet aus dem Produkthaftungsgesetz)
Hier sind die Ansprüche auf Schadenersatz geregelt, den ein Hersteller dem Endverbraucher leisten muss, wenn dieser durch den Gebrauch des Produkts einen Schaden erleidet, und zwar unabhängig vom Verschulden des Herstellers.
Der Anwendungsbereich für die Produkthaftung ist das Produkt selbst. Im Sinne des Gesetzes ist damit jede bewegliche Sache gemeint, auch wenn sie Teil eines anderen Produkts ist, also Teile, Baugruppen etc., die von Lieferanten bezogen und in das Produkt eingebaut werden. Außerdem gehört Elektrizität dazu.
Produzentenhaftung (deliktische Haftung)
Die Produzentenhaftung ist eine spezielle Ausprägung der deliktischen Haftung, wenn die sogenannten Verkehrssicherungspflichten nicht erfüllt werden. Anspruchsgrundlage ist § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Hier wird vorausgesetzt, dass der Schaden dem Verursacher persönlich vorgeworfen werden kann. Die Haftung ergibt sich aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Der Schadenersatz kann weiterreichen als der aus dem Produkthaftungsgesetz ableitbare Schadenersatz.
Die Produzentenhaftung kommt insbesondere dort zur Geltung, wo die Anwendung der Produkthaftung eingeschränkt ist.
Wofür werden Hersteller, Lieferanten und Händler haftbar gemacht?
Voraussetzung der Produkthaftung ist, dass das Produkt einen Fehler hatte, der zu einem Schaden beim Endverbraucher führt.
Dieser Fehler muss schon vorliegen, wenn das Produkt verkauft wird. Er darf nicht durch die übliche Abnutzung oder durch Einwirkung des Anwenders, zum Beispiel durch unsachgemäße Handhabung, entstanden sein.
Ein Fehler liegt dann vor, wenn ein Produkt nicht die Sicherheit bietet, die nach vorgeschriebenen Verordnungen (EU), Gesetzen, Normen (zum Beispiel DIN, ISO, VDE, VDI) oder nach anderen allgemeinen und anerkannten Regelwerken oder dem Stand der Technik erforderlich ist.
Ebenso muss geprüft werden, was mit dem Verkauf versprochen oder vertraglich zugesichert wurde und womit der Endnutzer rechnen konnte. Das Unternehmen muss also insbesondere auf folgende Fehlerquellen achten:
Konstruktions- und Designfehler
Schon bei der Entwicklung eines Produkts können grundlegende Fehler entstehen; Beispiele sind: ungenügende Festigkeit des Materials, keine Abschirmung von Gefahrenquellen oder konstruktive oder funktionelle Defizite.
Produktions- und Fabrikationsfehler
Bei der Herstellung können Fehler entstehen durch das Herstellungsverfahren selbst, durch falsche Handhabung eines Mitarbeiters oder durch mangelhafte Qualitätskontrolle; Beispiele sind hier Entstehung von Lunkern, falsche Verdrahtung oder unsachgemäße Lagerung.
Instruktions- und Anleitungsfehler
Wenn die Bedienungsanleitung missverständlich oder unvollständig ist oder wenn die Gestaltung des Produkts eine falsche Handhabung nahelegt, kann es zu Fehlern in der Anwendung durch den Endnutzer kommen.
Anwendungsfehler
Ob ein Fehler bei der Nutzung durch den Endverbraucher zum Tragen kommt, hängt auch davon ab, wie der Verbraucher mit dem Produkt umgeht. Aus Sicht der Rechtsprechung ist der sogenannte „idealtypische Verbraucher“ maßgeblich.
Gerichte, die im Zweifelsfall entscheiden, gehen also davon aus, dass sich ein Verbraucher nicht außergewöhnlich dumm anstellt.
Gleichwohl ist entscheidend, welche Verwendungsmöglichkeiten ein Anwender erkennt und was er mit dem Produkt macht. Womit der Hersteller selbst rechnet, ist nicht maßgeblich.
Unterschiede für Länder und im Zeitverlauf beachten
Welche Sicherheit ein Kunde erwarten kann, unterliegt auch einem zeitlichen Wandel; und die Maßstäbe unterscheiden sich in den einzelnen Ländern.
Für die Unternehmen bedeutet das: Sie müssen nicht jedes denkbare Fehlverhalten durch den Anwender vorhersehen und ihm vorbeugen. Sie müssen aber davon ausgehen, dass jeder Anwender mit dem Produkt das macht, was er für richtig und angemessen erachtet.
Wo die Grenze hier gezogen wird, muss im Einzelfall entschieden werden (meist durch ein Gerichtsverfahren).
Klären Sie:
- Wie kommen Sie als Geschäftsführung oder verantwortliche Person Ihres Unternehmens Ihrer Sorgfaltspflicht nach?
- Inwieweit erfüllen Sie alle Verkehrssicherungspflichten?
Überprüfen Sie die Organisation der Produktsicherheit in Ihrem Unternehmen in Bezug auf Ihr Qualitätsmanagement und das Risikomanagement.
Halten Sie in der folgenden Vorlage fest, welche Maßnahmen Sie im Vorfeld getroffen haben, damit die Produkte Ihres Unternehmens keinen Schaden anrichten oder das Risiko dazu minimiert wird.
Stellen Sie sicher, dass alle bereits ergriffenen Maßnahmen dokumentiert sind und alle noch offenen Punkte behandelt und gelöst werden.
Die notwendigen Organisationspflichten betreffen insbesondere die folgenden Aspekte:
- Konstruktionsfehler bei Produkten vermeiden
- Produktionsfehler vermeiden
- Instruktionsfehler beim Anwender des Produkts vermeiden
- Produkte bei der Anwendung beobachten