Working Capital ManagementProzesse und Kennzahlen für das Working Capital Management

Mit Working Capital Management optimieren Sie Prozesse in Ihrem Unternehmen. Meistens geht es dabei darum, Prozesse besser aufeinander abzustimmen und Bearbeitungszeiten, Wartezeiten oder Liegezeiten zu reduzieren. Spezielle Kennzahlen machen sichtbar, wo Prozesse ineffizient sind und wo zu viel Kapital gebunden ist.

Prozesse mit Kapitalbindung identifizieren und beschreiben

Um das Optimierungspotenzial im Bereich des Working Capital zu identifizieren, müssen die relevanten Prozesse im Detail betrachtet werden. Die folgende Abbildung zeigt die Wertschöpfungskette eines produzierenden Unternehmens mit den einzelnen Prozessschritten.

In diesen Prozessen stecken die Potenziale, die es mit Working Capital Management zu heben gilt. Dazu müssen Sie die für Ihr Unternehmen wichtigen Prozesse und Teilprozesse zunächst identifizieren.

Prozesse mit Relevanz für das Working Capital Management

Einzelne Prozessschritte im Hinblick auf das Working Capital analysieren

Im nächsten Schritt beschreiben Sie einzelne Prozessschritte, die für das Working Capital Management relevant sind. Sie gehen in die Details und klären, welche Tätigkeiten und Aufgaben dort erfüllt werden. Dabei kommt es insbesondere auf die Zeit und die Dauer, die für die jeweiligen Aufgaben und Tätigkeiten benötigt werden. Sie sind für die Kapitalbindung besonders relevant.

Diese Zeitarten sollten Sie besonders betrachten:

  • Bearbeitungszeiten
  • Wartezeiten
  • Liege- oder Lagerzeiten

Schließlich analysieren Sie, ob Sie die relevanten Zeitdauern verringern können, ob die betroffenen Aufgaben schneller erledigt werden können oder ob die Teilprozesse anders angeordnet, besser aufeinander abgestimmt oder durch Digitalisierung und Automatisierung beschleunigt werden können.

Damit haben Sie die wichtigen Stellhebel identifiziert, über welche die Höhe des Working Capital besonders beeinflusst wird. Die folgende Abbildung zeigt mögliche Ansatzpunkte für solche Prozessverbesserungen.

Optimierungspotenziale in der Wertschöpfungskette

Ziele bei der Prozessoptimierung

Das Ideal eines Unternehmens sollte sein, ein Produkt zu verkaufen, das sofort und ohne Lagerung von Material und Teilen hergestellt und ausgeliefert werden kann. Der Kunde bezahlt prompt und mit diesem Geld werden die Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten beglichen. Ein Prozess, der wenig Working Capital in Anspruch nimmt.

In der Realität dürfte ein solcher Prozess nur selten vorkommen. Aber es gibt Methoden und Werkzeuge, um sich einem solchen Ideal anzunähern. Wichtig ist, dass die einzelnen Prozessschritte, die Verfahren und Verfahrensanweisungen sowie die Rahmenbedingungen genau analysiert werden. Es geht darum, den Ursachen für lange Bearbeitungszeiten und hohe Lagerbestände auf die Spur zu kommen.

Oft geht es beim Working Capital Management um Details in einzelnen Teilprozessen oder Aufgaben. Beispiel: Wird der Kunde 10 Tage nach Fälligkeit der Rechnung gemahnt oder erst nach 30 Tagen?

Aber: Durch Optimierungen auf operativer Ebene dürfen strategische Ziele nicht untergraben werden. Bevor Maßnahmen zur Reduzierung des Working Capital durchgeführt werden, muss eine Risikoanalyse erfolgen: Gibt es strategische Ziele, die von der Umsetzung der Maßnahmen betroffen und die gefährdet sind? Kurzfristige Verbesserungen können langfristig Schäden verursachen.

Mit Kennzahlen zum Working Capital Management Potenziale erkennen

Kennzahlen sind hilfreich, um die Qualität des Working Capital Managements zu bewerten und zu verbessern. Der zeitliche Ablauf in der folgenden Abbildung macht sichtbar, welche Kennzahlen dabei wichtig sind.

Kennzahlen für das Working Capital Management

Folgende Kennzahlen sind für das Working Capital Management entscheidend:

Days Payables Outstanding (DPO) oder  Days in Payable (DIP)

Durchschnittliche Anzahl der Tage, bis die Rechnung eines Lieferanten bezahlt wird. Diese Kennzahl wird auch als Kreditorenlaufzeit oder Lieferantenzahlungsziel bezeichnet. Sie stellt die Lieferantenkreditdauer in Tagen dar.

DPO oder DPI =

durchschnittlicher Bestand an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen × 365
÷ Herstellkosten der verkauften Güter

Days Inventory Held (DIH) oder Days in Inventory (DII)

Durchschnittliche Anzahl der Tage, die ein zugekauftes Material oder Teil im Unternehmen verbringt, bis es in der Form eines Endprodukts an den Kunden ausgeliefert wird; vergleichbare Kennzahlen sind auch die Lagerumschlaghäufigkeit oder die durchschnittliche Lagerreichweite in Tagen als Maß für die Höhe der Lagerbestände.

DIH oder DII =

durchschnittlicher Lagerbestand (Vorräte) × 365
÷ Herstellkosten der verkauften Güter

Days Sales Outstanding (DSO)

Durchschnittliche Anzahl der Tage von Versand und Rechnungsstellung bis Bezahlung einer Kundenrechnung. Diese Kennzahl wird auch als Debitorenlaufzeit oder Kundenzahlungsziel bezeichnet. Sie stellt die Kundenkreditdauer in Tagen dar.

DSO =

durchschnittlicher Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen × 365
÷ Umsatz

Neben diesen zeitbezogenen Kennzahlen sind auch die absoluten Größen des Lagerbestandes, der Forderungen und Verbindlichkeiten wichtige Kennzahlen. Diese können ins Verhältnis gesetzt werden zu Kennzahlen wie Umsatz, Gesamtkapital oder Bilanzsumme.

Um das genau messen zu können, lassen sich weitere Kennzahlen ermitteln und auswerten. Diese können sich beispielsweise auf geleistete oder erhaltene Anzahlungen beziehen, auf Durchlaufzeiten oder Liegezeiten in der Produktion, auf zu frühe Anlieferungen oder zu späte Produktabnahmen oder Freigabe durch Kunden.

Analyse der Kennzahlen

Die Analyse der Kennzahlen kann getrennt erfolgen für einzelne

  • Produkte,
  • Lieferanten oder
  • Kunden.

Zudem können Sie Ihr Unternehmen mit anderen Unternehmen in derselben Branche oder mit ähnlichen strukturellen Merkmalen vergleichen – innerhalb verschiedener Teilbereiche des Unternehmens. Wenn Sie die Kennzahlen im Zeitverlauf betrachten, erkennen Sie, ob und wie gut es gelingt, die Kapitalbindung zu verringern.

Die roten Pfeile in der folgenden Abbildung sollen deutlich machen, in welche Richtung sich die Kennzahlen entwickeln sollten, damit die Kapitalbindung verringert wird. So soll beispielsweise die Rechnung an Kunden möglichst schnell nach Auslieferung der Produkte geschrieben werden. Das setzt voraus, dass der Kunde die Produkte ebenso schnell abnimmt.

Ziele für das Working Capital Management

Mit der ABC-Analyse kritische Schwachstellen identifizieren

Mit der ABC-Analyse erkennen Sie, wo Sie vor allem ansetzen sollten, um die Kapitalbindung zu verringern. Dazu differenzieren Sie nach Kunden, Lieferanten oder Produkten, wenn Sie die Kennzahlen wie Days Payables Outstanding, Days Inventory Held oder Days Sales Outstanding analysieren.

Zur Differenzierung können Sie drei Klassen bilden: A, B oder C. Sie wählen dazu Kriterien wie: Anteil der Teile und ihr Beschaffungswert, Bedeutung der Teile für den störungsfreien Betrieb oder Wiederbeschaffungszeiten. Je nach Bedeutung und Kategorisierung in A, B oder C müssen unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden.

Wo es um geringe Summen oder Mengen geht (Klasse C), sind die Effekte zur Reduzierung der Kapitalbindung eher gering. Betrachten Sie stattdessen die Fälle, bei denen es um viel Geld und große Mengen geht. Das sind die A-Fälle aus der ABC-Analyse. Wenn Sie diese verbessert und im Griff haben, wenden Sie sich den weiteren Fällen (B-Klasse) zu.

Praxis

Prozesse analysieren

Ermitteln Sie, welche Prozesse in Ihrem Unternehmen für das Working Capital Management wichtig sind.

  • Wo werden Materialien, Teile, Baugruppen, Produkte gelagert?
  • Wo befinden sich entsprechende Lagerbestände?
  • Welche Prozesse werden dabei durchgeführt?
  • Welche Prozesse sind außerdem betroffen?
  • Wie erfolgt die Rechnungsstellung und Zahlungsverfolgung gegenüber Kunden?
  • Wie funktionieren die Mahnprozesse in Ihrem Unternehmen?
  • Wie werden Bestellungen, Einkäufe, Anlieferung durch Lieferanten und Bezahlung von Lieferantenrechnungen organisiert?

Bilden Sie diese Prozesse in einem Schaubild wie in der folgenden Vorlage ab. Ermitteln Sie dann, wo sich welche Schwachstellen befinden können. Nutzen Sie dazu die Hinweise in der folgenden Vorlage und Übersicht.

Kennzahlen ermitteln, darstellen und auswerten

Stellen Sie für die Prozesse dann die Kennzahlen zusammen, die für die Kapitalbindung und das Working Capital Management relevant sind. Das sind:

  • Days Payables Outstanding (DPO); Days In Payable (DIP)
  • Days Inventory Held (DIH); Days In Inventory (DII)
  • Days Sales Outstanding (DSO)

Sie können grafisch mithilfe der folgenden Vorlage sichtbar machen, was genau Sie dabei messen.

Mit den folgenden Excel-Vorlagen verfolgen Sie auf Monatsbasis, wie sich die einzelnen Kennzahlen im Zeitverlauf ändern. Dadurch wird sichtbar, inwiefern die Ziele des Working Capital Managements erreicht werden – oder welche Gründe es geben kann, dass sie nicht erreicht werden.

Analysieren Sie den Zeitverlauf der jeweiligen Kennzahl entsprechend.

Cashflow oder Cash Conversion Cycle (CCC) berechnen

Mit der folgenden Excel-Vorlage können Sie auf der Grundlage Ihrer Bilanz diese Kennzahlen zusammenstellen. Damit quantifizieren Sie den sogenannten Cashflow Cycle. Er wird berechnet nach folgender Formel:

Cashflow Cycle (in Tagen) = Cash Conversion Cycle (CCC)

Days Inventory Held (DIH)
+ Days Sales Outstanding (DSO)
- Days Payables Outstanding (DPO)

Handlungsschwerpunkte mit der ABC-Analyse ermitteln

Führen Sie eine ABC-Analyse für Forderungsbestand, Bestand der Verbindlichkeiten und Lagerbestände durch. Dadurch identifizieren Sie die Bereiche im Unternehmen, also die Teile, Produkte, Kostenstellen, Kunden, Prozesse etc., wo sich Maßnahmen zum Working Capital Management am ehesten lohnen dürften.

Nutzen Sie dazu die folgende Excel-Vorlage.

Dazu im Management-Handbuch

Vorlagen nutzen

Weitere Kapitel zum Thema