Change-ManagementFallbeispiel: Agile Netzwerke für das Change-Management

Wie werden Mitarbeitende dafür gewonnen, selbst Verantwortung in Change-Prozessen zu übernehmen und Ideen oder Veränderungen umzusetzen? Das folgende Fallbeispiel zeigt, wie das mit Agilen Netzwerken gelingen kann.

Veränderungen greifen nicht

Viele Veränderungsprozesse erweisen sich häufig als schwerfällig und langsam. Nach wie vor verharren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter passiv, bleiben Ideen ungenutzt. Veränderungen durchdringen die Köpfe und Herzen der Beschäftigten nur selten. Der Grund für Demotivation und Know-how-Verluste sind nicht zuletzt die vielen Reorganisationen, die sie im Laufe ihres Berufslebens schon erfahren mussten.

Wie kann man es schaffen, in kurzer Zeit einen möglichst rasch wirkenden und gleichzeitig nachhaltigen Veränderungsprozess anzustoßen, der sich merklich und direkt auch auf die Kundenzufriedenheit auswirken würde?

Agile Netzwerke bringen Veränderungen voran

In einem Kundenprojekt entwickelten wir das Konzept der Agilen Netzwerke. Eine Vorgehensweise, bei dem der Wandel zwar zentral von oben angeschoben werden sollte, die eigentlichen Ideen und deren Umsetzung sollten jedoch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst stammen.

Denn wir nahmen an, dass diejenigen, die jeden Tag vor Ort mit den Kunden zu tun haben, am besten wissen, welche Dinge verändert werden sollten. Fachexperten aus möglichst allen operativen Gruppen eines Unternehmens sollen dabei helfen, gute Ideen der Mitarbeitenden zu verwirklichen.

Was sind Agile Netzwerke?

Um Wandel erfolgreich zu gestalten, ist es entscheidend, dass an vielen Stellen der Organisation Schlüsselpersonen Verantwortung für Veränderungen übernehmen und dass diese Personen untereinander gut vernetzt sind. Nur so kann sich der Veränderungsprozess selbstständig tragen.

Für solch ein System, das Veränderungen selbstständig angeht und in Schwung hält, wählten wir den Begriff „AN! Agile Netzwerke“.

Eine Möglichkeit, sich selbst tragende Veränderungsprozesse zu installieren, ist das Konzept des „dualen Betriebssystems“ von John P. Kotter. Er hat eine neue Herangehensweise an Change-Prozesse vorgeschlagen. Er empfiehlt, ein zweites, dauerhaftes Betriebssystem für Veränderungen und Innovationen zu installieren.

Dieses Betriebssystem arbeitet parallel zur alltäglichen Steuerung des Unternehmens durch die Hierarchie (das erste Betriebssystem), indem es

  • kreative Initiativen aufgreift,
  • Gefahren und Chancen im Markt erkennt und
  • Veränderungen schnell umsetzen kann.

Wie agile Netzwerke aufgebaut werden

Zunächst werden in einem Workshop zur Teamentwicklung die Führungskräfte der Bereiche für die Netzwerkidee gewonnen. Einige gründen das Kernteam. Sie verständigen sich auf die Hauptziele der Veränderung, die Vision.

In diesem Kernteam werden dann die Rahmenbedingungen, die Prozesse und die Spielregeln definiert. Außerdem wird eine zentrale Kommunikationsplattform vorbereitet. In wenigen Wochen werden so die Voraussetzungen für das Entstehen eines agilen Netzwerks geschaffen.

In einem ersten Kick-Off-Workshop wird das Netzwerk einer großen Gruppe von Fachexperten und Multiplikatoren vorgestellt, woraus die ersten Netzwerk-Initiativen entstehen sollen. Das Kernteam hilft den Vorschlagenden, ein Team für die Umsetzung ihrer Ideen zu finden. Das Kernteam gibt Rat und vermittelt die notwendige Expertise.

Die Aufgabe des Managements besteht vor allem darin, falls nötig Budgets bereitzustellen und Unterstützung „von oben“ zu leisten.

Wichtig ist bei der Anlage des Netzwerks, die klassischen Fehler des traditionellen Ideenmanagements zu vermeiden. Ein klassisches Vorschlagswesen beruht bekanntlich darauf, dass Mitarbeitende Ideen in ein zentrales System „einkippen“. Anschließend dauert es Wochen oder sogar Monate, bis sie wieder davon hören.

Es geht viel kostbare Zeit verloren, bis es schließlich im besten Fall zur Umsetzung kommt. Sehr viel später bekommt der Mitarbeiter – wenn er Glück hat – eine Belohnung.

Ideen in Eigeninitiative umsetzen

Durch Einführung der agilen Netzwerke sollen vor allem die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen sowie die Eigeninitiative der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt werden. Agile Netzwerke bauen auf die intrinsische Motivation und die Innovationskraft aller auf.

Unter dem Motto „Mitmachen statt Einkippen“ sollen sich die Mitarbeitenden selbst für ihre Ideen engagieren, statt sie nur irgendwo einzureichen und auf die Umsetzung durch andere zu warten. Jeder Mitarbeiter, der eine Idee hat, soll gleich die Verantwortung für ihre Umsetzung übernehmen und möglichst schnell die Ergebnisse sehen. 

Erfolge des Change-Managements im agilen Netzwerk

Die Ergebnisse aus der Praxis lassen den Schluss zu, dass durch die Einführung eines agilen Netzwerkes folgende Effekte erzielt werden:

  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken aktiv mit, die Organisation effizienter aufzustellen und fit für die Zukunft zu machen.
  • Initiativen der Mitarbeitende mit Kundenkontakt erhöhen den Kundenfokus der gesamten Organisation.
  • Das Netzwerk fördert einen hohen Grad an Kreativität und Innovationen, weil jeder Einzelne bei der Umsetzung seiner Ideen auf Mitstreiter zugehen kann und gemeinsam noch bessere Lösungen gefunden werden.
  • Das agile Veränderungssystem entwickelt sich evolutionär weiter und belastet dadurch eine Organisation weniger als klassische Change-Projekte, die einen hohen Steuerungsaufwand des Managements erfordern.
  • Die Hierarchie ist im Netzwerk weniger gefordert als bei der Mitarbeit in größeren Change-Projekten.
  • Die Fähigkeit zu raschen Veränderungen und Innovation der Organisation wird erhöht.
  • Es wird eine Change-Kultur mit hoher Dynamik und Agilität gefördert.

Handlungsempfehlungen für das Management

Es ist nicht möglich, allgemeine Rezepte für alle Unternehmen zu formulieren. Doch die Erfahrungen aus diesem Change-Projekt machen die folgenden Erfolgsfaktoren für das Initiieren und Aufrechterhalten eines agilen Netzwerkes deutlich:

Führungskräfte, die sich als Helfer und Moderatoren begreifen

Es ist banal, doch in der Praxis selten: Agile Netzwerke erfordern Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden auf hierarchie- und bereichsübergreifende Kooperationen einschwören. Sie müssen vor allem für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen. Sie stellen ein angemessenes Budget zur Verfügung, helfen beim Priorisieren der Maßnahmen und unterstützen die Teams dabei, sich bereichsübergreifend zu vernetzen. Außerdem stellen sie ein pragmatisches Monitoring sicher.

Mut zum Empowerment der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Initiativen werden nicht Top-down in Entscheidungsgremien losgetreten, sondern vom Kunden kommend direkt von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt initiiert. Die Kunden und die Mitarbeitenden mit Kundenkontakt sind die besten Berater eines Unternehmens.

Ein engagiertes Netzwerk-Kernteam

Ein Team hält die Fäden in der Hand und ermöglicht maximale Gestaltungsfreiräume im Netzwerk. Im Unterschied zu einem klassischen Lenkungsteam verzichtet das Kernteam im agilen Netzwerk auf inhaltliche Bewertungen und Bevormundung. Stattdessen fokussiert es sich auf Vernetzung und Befähigung.

Ein festes Netzwerk engagierter Expertinnen und Experten

Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens bringen sich in das dynamische Netzwerk der Initiativen unterstützend ein.

Spaß, Pioniergeist und positive Naivität

Erfolgreich umgesetzte Initiativen werden im Sinne des Netzwerkgedankens gefeiert. So erweitern sich die Netzwerke, und es entstehen spielerisch neue Ideen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen selbst die Verantwortung für die Umsetzung ihrer Ideen

Im agilen Netzwerk werden nicht alle möglichen Ideen irgendwo „eingekippt“ und von anderen bewertet. Denn das klassische Vorschlagswesen führt oft dazu, dass die Vorschläge wie in einer Deponie massenhaft liegen bleiben. Zudem fördert es auch noch die weit verbreitete Mentalität, die (Mit-) Verantwortung für die Umsetzung wegzudelegieren und Lösungen abzulehnen.

Die oft geforderte Haltung der Verantwortlichkeit („accountability“) wird demgegenüber im agilen Netzwerk besonders gefördert. Denn hier wird jede Veränderungsidee vom Initiator selbst vorangetrieben.

Erfolge feiern

Ebenfalls banal, wird aber oft vergessen: Erfolge sichtbar machen und feiern. Wichtig ist dabei nicht nur, dass gefeiert wird, sondern dass die Feier wirklich authentisch zeigt, wie sehr die Erfolge wertgeschätzt werden.

Fazit

Agile Netzwerke ersetzen nicht die klassische hierarchische Organisation und auch nicht die Notwendigkeit, große, strukturelle Veränderung mithilfe des klassischen Change- und Projektmanagements umzusetzen. Sie können jedoch hierarchie- und abteilungsübergreifend erfolgreich dynamische, eigeninitiierte Verbesserungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorantreiben. So können diese deutlich schneller auf Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden reagieren.

Die Mitarbeitenden erkennen in ihrer täglichen Arbeit oft selbst, worüber Kunden sich ärgern und wie sie deren Zufriedenheit steigern können, etwa wenn es um bürokratische Formulare oder falsche Rechnungen geht. Dafür können sie pragmatisch einfache Lösungen schaffen.

Dies erhöht nicht nur die Agilität der Organisation, sondern auch die Motivation der Menschen. Gleichzeitig wird ihre Selbstverantwortung gestärkt. Ihr organisationales Wissen steigt genauso wie ihr Verständnis für Zusammenhänge über ihren bisherigen „Tellerrand“ hinaus.

Agile Netzwerke ermöglichen den Aufbau einer lösungsorientierten Unternehmerkultur in komplexen Organisationen, indem sie optimale Freiräume schaffen. Diese auch dauerhaft gegen die Routinen von Hierarchie und Kostendruck zu erhalten, sollte die vornehmste Aufgabe von Managerinnen und Managern sein, die sich dem Anspruch verpflichtet fühlen, Leader zu sein.

Für dieses Change-Projekt hat die Fuhrmann Leadership GmbH den HR Excellence Award 2015 in der Kategorie Agile Organisationsentwicklung erhalten.

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