ÜberstundenÜberstunden – Was Sie arbeitsrechtlich beachten müssen
- Arbeitszeit, Überstunden und ihre gesetzlichen Grenzen
- Wann dürfen Arbeitgeber Überstunden anordnen?
- Wer keine Überstunden machen darf
- Wer darf Überstunden anordnen?
- Überstunden vergüten oder durch Freizeit ausgleichen
- Vertragliche Ausgleichsregelung bei Überstunden
- Gesetzlicher Vergütungsanspruch
- Wenn Überstunden nicht angeordnet, aber geduldet werden
- Umfang der Überstunden: Wer muss was beweisen?
- Gesetzliche Nachweispflichten beachten
- 4 Vorlagen im Praxisteil
Arbeitszeit, Überstunden und ihre gesetzlichen Grenzen
Unter Überstunden versteht man die Arbeitszeit, die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über ihre vertraglich festgelegte Arbeitszeit hinaus geleistet wird.
Höchstgrenzen bezüglich der Arbeitszeit legt das Arbeitszeitgesetz fest: Demnach dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich maximal acht Stunden pro Werktag und maximal 48 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Arbeitszeit kann aber auf bis zu zehn Stunden pro Werktag verlängert werden, wenn innerhalb eines halben Jahres ein entsprechender Ausgleich stattfindet.
Die Bestimmungen zur Arbeitszeit sind im Beitrag Wichtige gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeit erläutert.
Überstunden auf Arbeitszeitkonto
In vielen Unternehmen werden Arbeitszeitkonten geführt, auf denen Plus- oder Minusstunden gesammelt werden. Gängige Modelle sind Gleitzeit-, Jahresarbeitszeit- oder Lebensarbeitszeitkonten.
Wie viele Überstunden auf einem solchen Konto angehäuft werden dürfen, kann arbeitsvertraglich oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Damit sich nicht uferlos Überstunden ansammeln, ist zu empfehlen, eine Höchstgrenze für Plus- und Minusstunden sowie einen Zeitraum für den Stundenausgleich festzulegen.
Zu beachten ist: Auch in den Fällen, in denen ein Arbeitszeitkonto geführt wird, sind die gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeiten einzuhalten.
Wann dürfen Arbeitgeber Überstunden anordnen?
Knifflig kann es werden, wenn es um die Frage geht, ob der Arbeitgeber von seinen Beschäftigten verlangen darf, dass sie länger arbeiten als eigentlich vereinbart. Darf der Arbeitgeber Überstunden einfach so anordnen? Dürfen sich Beschäftigte weigern, länger zu bleiben?
Grundsätzlich gilt: Arbeitgeber dürfen Überstunden nicht einseitig – ohne Zustimmung des Beschäftigten – anordnen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers reicht dafür in aller Regel nicht aus. Aber es gibt Ausnahmen.
Überstunden aufgrund vertraglicher Vereinbarung
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zum Ableisten von Überstunden dann verpflichtet, wenn es eine Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung gibt, aus der hervorgeht, dass er oder sie zu Überstunden verpflichtet werden kann.
Zu beachten ist: Eine vertragliche Überstundenklausel ist nur dann wirksam, wenn für den Arbeitnehmer aus der Vereinbarung ersichtlich wird, in welchem Umfang er maximal Überstunden leisten muss und wie geleistete Überstunden ausgeglichen werden. Es muss nämlich gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin weiß, wie viele Überstunden im Bedarfsfall von ihm oder ihr verlangt werden können.
Überstunden aufgrund Absprache im Einzelfall
Besteht keine vertragliche Überstundenregelung, ist es möglich, Überstunden je nach Bedarf mit Mitarbeitenden individuell zu vereinbaren. Selbstverständlich ist auch in diesen Fällen die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit einzuhalten.
- Beispiel 1 gemeinsame Absprache: Wegen eines Großauftrags bittet die Führungskraft A in einem Gespräch den Mitarbeiter B, in den nächsten 5 Arbeitstagen jeweils 1 Stunde pro Tag länger zu arbeiten. B willigt ausdrücklich ein.
- Beispiel 2 stillschweigendes Einverständnis: Führungskraft A bittet Mitarbeiter B per E-Mail um das Ableisten von Überstunden, um einen Großauftrag zu bewältigen. B antwortet nicht auf die E-Mail, leistet aber die für die Bewältigung des Auftrags notwendigen Überstunden.
Überstunden kraft einseitiger Weisung des Arbeitgebers
Nur in absoluten Notsituationen, zum Beispiel wenn durch ein unerwartetes äußeres Ereignis die Existenz des Unternehmens gefährdet ist, haben Arbeitgeber das Recht, Überstunden einseitig anzuordnen, ohne dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zustimmen muss. In solchen (Ausnahme-) Fällen gebietet es die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, Überstunden zu leisten.
Wenn es sich dagegen zum Beispiel um einen Personalmangel handelt, der auf einer unzureichenden Personalorganisation basiert und damit vorhersehbar war, darf der Arbeitgeber Überstunden nicht einseitig anordnen.
Mehrarbeit und Überstunden
Mehrarbeit liegt vor, wenn die nach dem Arbeitszeitgesetz (§ 3 ArbZG) vorgeschriebene Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag oder durchschnittlich 48 Stunden pro Woche für Arbeitnehmer in Vollzeit überschritten wird.
Überstunden liegen vor, wenn die individuelle vertraglich geregelte Arbeitszeit überschritten wird.
Wer keine Überstunden machen darf
Für bestimmte Mitarbeitergruppen sind Überstunden per Gesetz verboten: So dürfen Jugendliche (gemäß dem Jugendarbeitsschutzgesetz) sowie schwangere oder stillende Mitarbeiterinnen (gemäß dem Mutterschutzgesetz) keine Überstunden machen.
Arbeitnehmer, die einen Schwerbehindertenstatus haben, können eine Freistellung von jeglicher Mehrarbeit verlangen. Wenn sie von diesem Recht Gebrauch machen wollen, müssen sie den Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.
Wer darf Überstunden anordnen?
Um Überstunden anordnen zu können, muss man weisungsbefugt sein. In der Regel ist das der direkte Vorgesetzte. Auch die Geschäftsführung ist gegenüber den Mitarbeitenden weisungsbefugt. Im Umkehrschluss heißt dies: Ein Arbeitnehmer ohne Weisungsbefugnis kann seinen Kollegen nicht anweisen, Überstunden zu leisten.
Überstunden vergüten oder durch Freizeit ausgleichen
Überstunden müssen entweder vergütet, also ausbezahlt, oder durch Freizeit ausgeglichen werden. In vielen Unternehmen wird es so gehandhabt, dass ein Freizeitausgleich stattfindet. Besteht ein Arbeitszeitkonto, bietet es sich an, dass ein angespartes Zeitguthaben durch entsprechende Freizeit ausgeglichen wird. So können die Überstunden in Zeiten mit geringerem Arbeitsbedarf abgebaut werden – eine Lösung, die oft sowohl im Interesse des Unternehmens als auch im Interesse der Beschäftigten ist.
Vertragliche Ausgleichsregelung bei Überstunden
Vielfach ist eine Überstunden-Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag verankert. Wichtig ist bei einer solchen Regelung, dass für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin klar erkennbar ist, wie viele Überstunden er oder sie im Bedarfsfall maximal leisten muss und wie die Überstunden ausgeglichen werden.
Manchmal finden sich in Arbeitsverträgen Klauseln, in denen geregelt wird, dass Überstunden pauschal mit dem Grundgehalt abgegolten werden. Solche Regelungen sind aber rechtlich heikel.
Heißt es zum Beispiel in einem vorformulierten Standard-Arbeitsvertrag „Erforderliche Überstunden sind mit dem Grundgehalt abgegolten“, so ist diese Klausel unwirksam. Der Grund: Die Formulierung „erforderliche Überstunden“ lässt den Beschäftigten im Unklaren darüber,
- unter welchen Voraussetzungen Überstunden anfallen können,
- welche Anzahl an Überstunden verlangt werden kann und
- welche Leistung der Mitarbeiter für das vereinbarte Gehalt maximal erbringen muss.
Gesetzlicher Vergütungsanspruch
Falls keine vertragliche Regelung zum Ausgleich von Überstunden besteht, kann sich ein Vergütungsanspruch aus § 612 Absatz 1 BGB ergeben. Demnach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Eine solche „Vergütungserwartung“ ist gemäß einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf Überstunden regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer „kein herausgehobenes Entgelt“ bezieht (BAG, Urteil vom 22.2.2012, Az. 5 AZR 765/10).
Wenn Überstunden nicht angeordnet, aber geduldet werden
Ein Anspruch auf Vergütung oder Freizeitausgleich besteht auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Überstunden zwar nicht aktiv fordert, aber davon weiß, dass der Mitarbeiter Überstunden macht, und die Überstunden duldet oder akzeptiert.
Arbeitgeber sind allerdings nicht dazu verpflichtet, Überstunden zu dulden, die ein Mitarbeiter – ohne Anweisung des Arbeitgebers – freiwillig oder eigenmächtig leistet. In einem solchen Fall darf der Arbeitnehmer nicht automatisch davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden akzeptiert und vergütet.
Erfährt der Arbeitgeber, dass ein Mitarbeiter ohne entsprechende Anordnung Überstunden macht, sollte er es frühzeitig kommunizieren, wenn er nicht möchte, dass Überstunden angehäuft werden. Weiß der Arbeitgeber von den Überstunden und duldet er diese stillschweigend, kann er später nicht argumentieren: „Ich wollte aber gar nicht, dass Überstunden gemacht werden ...“
Umfang der Überstunden: Wer muss was beweisen?
Manchmal sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer uneins, ob und in welchem Umfang Überstunden gemacht wurden. Wer muss in solchen Fällen die Überstunden belegen?
Hier liegt die sogenannte Beweislast beim Arbeitnehmer: Er muss selbst nachweisen, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang er Überstunden gemacht hat. Außerdem muss er belegen können, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt wurden.
Der Nachweis der Überstunden kann zum Beispiel in der Form geschehen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit in einem digitalen Dokument notiert und sich diese Aufzeichnungen wöchentlich oder monatlich von seinem Vorgesetzten oder von der Geschäftsführung bestätigen lässt.
Gesetzliche Nachweispflichten beachten
Aufgrund einer Änderung des Nachweisgesetzes zum 01.08.2022 muss der Arbeitgeber unbedingt schriftlich festhalten und dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin aushändigen:
- die Information, dass Überstunden angeordnet werden können,
- die Voraussetzungen für das Ableisten von Überstunden sowie
- Angaben zur Überstundenvergütung.
Das bedeutet: Eine eventuell vorhandene Überstunden-Regelung im Betrieb muss bei Beschäftigten, die ab dem 01.08.2022 neu eingestellt werden, in irgendeiner Form schriftlich dokumentiert werden – entweder direkt im Arbeitsvertrag oder in einem anderweitigen schriftlichen Dokument, das dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin ausgehändigt wird.
Bei denjenigen Beschäftigten, die vor dem 01.08.2022 eingestellt wurden, müssen Arbeitgeber die zusätzlichen Nachweise nur dann ergänzen, wenn der Mitarbeiter dies ausdrücklich verlangt.
Bei denjenigen Beschäftigten, die vor dem 01.08.2022 eingestellt wurden, müssen Arbeitgeber die zusätzlichen Nachweise nur dann ergänzen, wenn der Mitarbeiter dies ausdrücklich verlangt.
Prüfen Sie: Sind Überstunden zulässig?
Im Tarifvertrag, im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung muss stehen, dass der Arbeitgeber Überstunden anordnen kann. Außerdem muss dort genau benannt sein:
- Wie viele Überstunden darf es pro Woche oder pro Monat maximal geben?
- Wie werden Überstunden ausgeglichen?
Nur wenn diese Aspekte eindeutig und schriftlich geregelt sind, darf ein Arbeitgeber oder ein Vorgesetzter Überstunden verlangen. Ansonsten können Arbeitnehmer diese verweigern.
Ausnahme: Das Unternehmen befindet sich in einer Notsituation, die so nicht absehbar war.
In den folgenden beiden Checklisten sind die wichtigen rechtlichen Aspekte zu Überstunden zusammengefasst – für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber. Halten Sie fest, was in Ihrem Unternehmen gilt und wie Sie die Regelungen, Vereinbarungen und Vorgaben umsetzen und sicherstellen.
Prüfen Sie: Wie viele Überstunden sind entstanden
Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit steht im Arbeitsvertrag; meist in Stunden pro Woche. Wird mehr gearbeitet in einer Woche, sind diese zusätzlichen Arbeitsstunden Überstunden.
Laut Arbeitsgesetz darf pro Tag nicht länger als 10 Stunden gearbeitet werden. Bei sechs Werktagen pro Woche können also maximal 60 Arbeitsstunden anfallen. Bei einer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche sind das 20 Überstunden.
Diese Überstunden müssen innerhalb eines halben Jahres ausgeglichen werden.
Tipp: So fordern Sie die Vergütung von Überstunden
Wenn Sie viele Überstunden gemacht haben und diese nicht (mehr) durch Zeitausgleich abgebaut werden können, sollten Sie Ihren Anspruch auf Vergütung der Überstunden geltend machen. Nutzen Sie dafür das folgende Musterschreiben.
Überstunden dokumentieren
Als Arbeitnehmer sollten Sie Ihre Überstunden in jedem Fall dokumentieren. Also aufschreiben:
- Was wurde bezüglich Überstunden (in dieser Woche) vereinbart?
- Wie viele Stunden wurde am Tag (Datum) gearbeitet?
- Insbesondere dann, wenn es um Leistungen während der Überstunden geht: Welche Leistungen wurden dabei erbracht?
Erfassen Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter sämtliche Arbeitsstunden und insbesondere Ihre geleisteten Überstunden. Am einfachsten ist dies mit der folgenden Excel-Vorlage. Weitere Erläuterungen dazu finden Sie in den vorigen Abschnitten dieses Handbuch-Kapitels.