Worum geht es bei Mitarbeiterbindung?

Das Empfinden und Erleben von Zugehörigkeit, Verbundenheit und Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber ihrem Unternehmen oder ihrer Organisation wird als Mitarbeiterbindung, Personalbindung oder organisationales Commitment bezeichnet. Sie führt dazu, dass die Belegschaft aus freien Stücken Verhaltensweisen an den Tag legt, die dem Unternehmen und seinen Zielen sehr nützlich sind.

Gebundene Mitarbeiter hegen nicht den Wunsch, ihren Arbeitsplatz zu wechseln. Sie bleiben dem Unternehmen (länger) treu.

Das Retention Management umfasst alle Maßnahmen, die auf eine nachhaltige Mitarbeiterbindung im Sinne einer Personalerhaltung der für das Unternehmen wichtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzielen.

Doch oft erkennen Vorgesetzte nicht, wie wichtig die Mitarbeiterbindung ist. Sie handeln nach dem Motto: „Reisende soll man nicht aufhalten.“ Sie sind gekränkt oder meinen, sie könnten leicht für Ersatz sorgen.

Manche Unternehmen sehen in ihren Beschäftigten ohnehin nur eine Personalnummer, einen Kostenfaktor oder Zielerfüllungsgehilfen. Dabei würden Unternehmen mehrfach von leistungsfähigen, qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitieren, wenn sie den Wert der  loyalen Mitarbeitenden erkennen.

Es gilt der Grundsatz: Unternehmen sind nur so gut wie ihre bewährten Mitarbeiter!

Warum sich Mitarbeiterbindung auszahlt

Wenn Mitarbeitende ihrem Arbeitgeber emotional verbunden sind, machen sie sich Gedanken um das Wohl ihres Unternehmens. Sie identifizieren sich mit ihrer Abteilung und mit den Produkten ihres Unternehmens. Die unternehmerischen Interessen werden so zu ihren eigenen.

Ein wertvoller Nebeneffekt: Die Mitarbeitenden sprechen oft und gut über ihren Arbeitgeber, sind motiviert, leistungsbereit und arbeiten gerne. Das alles wirkt sich positiv auf Produktivität, Kundenservice und Umsatz sowie Innovationsfähigkeit, Wandlungsbereitschaft und Image des Unternehmens aus.

Für Unternehmen zahlt es sich also aus, in Maßnahmen der Personalbindung oder Mitarbeiterbindung zu investieren. Insbesondere die strategisch wichtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für ein Unternehmen wertvoll. Doch sie gehören gleichzeitig zu der Gruppe, die am häufigsten zu einem Unternehmenswechsel neigen.

Mitarbeiterbindung als Managementaufgabe

Mitarbeiterbindung sollte ein Unternehmensziel und eine wichtige Managementaufgabe sein. Alle Maßnahmen, die damit verbunden sind, werden auch als „Retention Management“ bezeichnet. Mit Retention Management sollen die wertvollen Mitarbeiter im Unternehmen gebunden werden.

Dazu sollen spezielle Angebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Verhaltensweisen der Vorgesetzten und Rahmenbedingungen in der Abteilung und im Unternehmen beitragen.

Unternehmen können mehrfach von leistungsfähigen und qualifizierten Mitarbeitern profitieren. Sie sparen sich vor allem die direkten und indirekten Kosten eines Personalwechsels. Und sie tun sich leichter bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter – insbesondere im Hinblick auf Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung.

Ein strategisches Personalbindungsmanagement wird damit zu einem unverzichtbaren Teil der betrieblichen Personalpolitik. Die lebenslange Verbindung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen ist jedoch unwahrscheinlich. Es kommt beim Retention Management darauf an, die Personalerhaltung im Sinne einer nachhaltigen Personalbindung zu verstehen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten das Gefühl haben: „Able to go but happy to stay“.

Effekte geringer Mitarbeiterbindung

Wenn Mitarbeiter gehen und Stellen neu besetzt werden müssen, kann das positive und negative Effekte haben. Vorteilhaft an der Mitarbeiterfluktuation kann sein:

  • Möglichkeit zur Reorganisation und Optimierung
  • Aufstiegsperspektive für bleibende Mitarbeiter
  • Aussicht auf die Einstellung neuer, motivierter Mitarbeiter
  • Neuregelung des Personaleinsatzes, zum Beispiel durch den Einsatz von freien Mitarbeitern, Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigter
  • Neuregelung der Aufgabenverteilung, zum Beispiel durch Zusammenlegung von Abteilungen oder Outsourcing von Aufgaben

Für das Unternehmen überwiegen allerdings die negativen Konsequenzen. Das sind vor allem:

  • hohe Personalbeschaffungskosten
  • Fehlgriffe bei der Personalbeschaffung
  • Verlust von Erfahrungswissen, Know-how und Schlüsselqualifikationen
  • Probleme innerhalb von Unternehmensprozessen wie Produktentwicklung oder Kundenservice
  • Verlust von persönlichen Netzwerken, zum Beispiel von Beziehungen zu Kollegen in anderen Abteilungen, Filialen oder Ländern, Kontakte zu Kunden, Lieferanten und Kooperationspartnern
  • erhöhter Druck auf verbleibende Mitarbeiter, was deren Motivation und Zufriedenheit sowie Produktivität und Kreativität negativ beeinflusst
  • reduzierte Kapazitäten für Wachstum
  • Veränderung von Unternehmenswerten, da das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern gleichzeitig Menschen verliert, die die Firmenkultur mitgeprägt und getragen haben

Was Mitarbeiter zum Bleiben motiviert

Die Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat eine starke psychologische Komponente. Aus Studien ist bekannt, was zur Wahl des Arbeitgebers sowie zur Bindung oder eben zur Kündigung eines Beschäftigten beiträgt. Drei Dimensionen bestimmen die Motivlagen:

Affektive Dimension der Mitarbeiterbindung

Diese Ebene umfasst die emotionale Verbundenheit gegenüber der Organisation. Bei positiven Erfahrungen und erfüllten Erwartungen steigt die Zufriedenheit der Beschäftigten. Die Arbeitszufriedenheit ergibt sich aus:

  • den Bedürfnissen und Ansprüchen des Mitarbeiters und dem Grad ihrer Befriedigung und Erfüllung, wie sie im Alltag erfahren und erlebt werden;
  • außerdem aus der Abweichung von Anspruch und Bedürfnis einerseits und Befriedigung und Erfüllung andererseits und wie diese Abweichung vom Mitarbeiter subjektiv bewertet wird.

Verschiedene Faktoren tragen zum affektiven Commitment bei:

  • Identifikation des Mitarbeiters mit seinem Unternehmen und dessen Zielen
  • Zugehörigkeitsgefühl und Übereinstimmung von Ansichten und
  • damit verbundene Emotionen wie Stolz und Freude, Zufriedenheit mit Aufgaben, Vorgesetzten, Führungsverhalten und Entgelt.

Rationale oder kognitive Dimension der Mitarbeiterbindung

Diese Ebene umfasst die Reflexion des Beschäftigten über die Vor- und Nachteile des Verbleibs im Unternehmen. Verlustangst ist ein Kernelement dieser Ebene und bezieht sich auf Aspekte wie Karriere, Entgelte und Zusatzleistungen. Außerdem bedenkt der Mitarbeiter Aspekte zur Nichtverwertbarkeit seiner Kompetenzen oder mögliche Qualifikationen in anderen Unternehmen.

Rationales Commitment basiert auf den Kosten für den betroffenen Mitarbeiter, die mit dem Verlassen des Unternehmens zusammenhängen. Jeder Tag im Unternehmen ist für den Mitarbeiter eine Investition. Er überlegt sich genau, inwiefern er diese bei einem Jobwechsel abschreiben muss.

Der bisherige Verbleib beeinflusst potenzielle Alternativen, und jeder nicht vollzogene Wechsel trägt positiv zum weiteren Verbleib bei.

Normative Dimension der Mitarbeiterbindung

Diese Ebene umfasst die moralisch-ethische Verbundenheit mit dem Unternehmen, weil es den Beschäftigten „gut behandelt“. Damit sind vertragliche, freiwillig eingegangene Reglementierungen gemeint, die eine Selbstverpflichtung des Mitarbeiters einschließen.

Diese Ebene beinhaltet eine Zwangsdimension, da der Mitarbeiter anderen Mitarbeitern gegenüber Verpflichtungen eingeht und rechtliche Regelungen einhalten sowie Leistungen erbringen muss, die mit der Unternehmensmitgliedschaft verbunden sind.

Normatives Commitment beruht auf unternehmerischer Übereinstimmung, sozialer und funktionaler Integration und der Identifikation mit dem Wertesystem der Organisation.

Maßnahmen der Mitarbeiterbindung ableiten

Die Maßnahmen der Mitarbeiterbindung sollten auf diese drei Dimensionen der Mitarbeiterverbundenheit abgestimmt sein, damit sie sich gegenseitig verstärken und erfolgreich sein können. Das heißt, Personalbindung im Sinne von Personalerhaltung vollzieht sich auf mehreren Ebenen und einzelne Maßnahmen richten sich auf:

Affektive Dimension

  • Identifikation mit dem Unternehmen
  • Identifikation mit den Organisationszielen
  • Zufriedenheit mit Aufgaben, Entgelt und anderen Leistungen des Arbeitgebers
  • Erwartungserfüllung
  • Bedürfnisbefriedigung

Rationale Dimension

  • Sicherheit bezüglich empfangener Vorteile
  • Bewahrung und Ausbau individueller Kompetenzen

Normative Dimension

  • organisationale Konformität
  • soziale Integration 
  • funktionale Integration
  • Identifikation mit Werten

Zwangsdimension

  • Arbeitsvertragsgestaltung 
  • verpflichtende Leistungen

Was Mitarbeiter zum Austritt und zur Kündigung motiviert

Beweggründe für den Austritt aus einem Unternehmen sind gleichzeitig die Stellhebel, an denen Mitarbeiterbindung ansetzen kann. Deshalb ist es wichtig, solche Beweggründe und Kündigungsgründe zu kennen. In Befragungen nennen Jobwechsler, warum sie ihr Unternehmen verlassen:

  • schlechte Work-Life-Balance
  • Versäumnisse bei der Einführung und Integration am neuen Arbeitsplatz
  • fehlende oder unbefriedigende Entwicklungschancen
  • unspannende Aufgaben und zu viele Routinetätigkeiten
  • zu wenig Herausforderung oder das Gefühl, unterfordert zu sein
  • zu hohe Arbeitsbelastung und zu lange Arbeitszeiten
  • mäßige Bezahlung oder Unzufriedenheit mit dem Gehalt
  • keine Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeit im Homeoffice
  • fehlende Identifikation mit dem Arbeitgeber
  • schlechtes Betriebsklima, Mobbing oder Unzufriedenheit mit der Unternehmenskultur
  • Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen
  • geringe Wertschätzung durch Vorgesetzte

Personalcontrolling als Ausgangspunkt für die Mitarbeiterbindung

Der Grad der Mitarbeiterbindung lässt sich mit Kennzahlen messen. Personalverantwortliche sollten diese Kennzahlen stets im Blick haben. Denn sie zeigen an, ob ein Maßnahmenplan zur Mitarbeiterbindung entwickelt oder überarbeitet werden sollte. Folgende Kennzahlen sind dabei hilfreich:

  • Fluktuationsquote im Unternehmen oder in der Abteilung
  • Abwesenheitsquote beziehungsweise Krankmeldungen
  • Produktivitätsrate
  • Ideen-Output
  • Mitarbeiterzufriedenheit
  • Anteil der Stellen, die durch interne Mitarbeiter besetzt werden
  • Entwicklung der Anzahl der Initiativbewerbungen (als Kennzahl für die Arbeitgeberattraktivität)
Praxis

Grad der Mitarbeiterbindung bestimmen

Kennen Sie die Gründe, warum (wichtige) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Unternehmens gekündigt haben?

  • Welche Kündigungsgründe sind das?
  • Welche Vermutungen haben Sie?
  • Werden die Kündigungsgründe systematisch ermittelt?

Nutzen Sie für die Analyse und Darstellung der Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterloyalität die folgenden Excel-Vorlagen. Damit stellen Sie zusammen, welche Gründe Ihre Beschäftigten haben, um im Unternehmen zu bleiben oder es (dennoch) zu verlassen.

Mit Kennzahlen können Sie diese Merkmale und Faktoren quantitativ beschreiben und in Diagrammen darstellen.

Gerade dann, wenn Mitarbeiter kündigen und das Unternehmen verlassen wollen, ergeben sich die meisten Einsichten dazu, was bei der Mitarbeiterbindung nicht funktioniert. Um mögliche Verbesserungsmaßnahmen zu identifizieren, sollte mit jedem Mitarbeiter, der gekündigt hat, ein Austrittsgespräch geführt werden.

Dazu im Management-Handbuch

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