KennzahlensystemeZeitlicher Bezug von Kennzahlen

Kennzahlen bilden ab, was im Unternehmen passiert. Manche Kennzahlen schauen dabei in die Vergangenheit und zeigen Effekte und Wirkungen an. Andere Kennzahlen sind Indikatoren für zukünftige Entwicklungen. Hier erfahren Sie den Unterschied zwischen Frühindikatoren und Spätindikatoren – und warum es wichtig ist, dass Sie mit beiden Kennzahlenarten arbeiten.

Kennzahlen mit zeitlichem Bezug machen Leistung sichtbar

Viele Kennzahlen erhalten ihre Aussagekraft erst dadurch, dass sie in Beziehung zur Zeit gesetzt werden. Denn dadurch drücken sie eine Leistung aus (wie in der Physik: Leistung ist Arbeit pro Zeiteinheit). Für Unternehmen ist es wichtig, die erbrachte Leistung im Wettbewerb mit anderen Unternehmen und für den Kunden zu ermitteln und abzubilden. Das zeigt sich beispielsweise bei:

  • Umsatz pro Jahr
  • erzeugte Stückzahl pro Stunde
  • Reklamationen pro Woche

Damit Leistungsvergleiche möglich sind, muss also zu vielen Kennzahlen dazu gesagt werden, auf welchen Zeitraum sie bezogen sind.

Frühindikatoren und Spätindikatoren

Die Beziehung einer Kennzahl zur Zeit kann einen weiteren Aspekt betreffen: Einige Kennzahlen bilden vergangene Ereignisse ab; sie zeigen nachträglich auf, was passiert ist. Die damit verbundenen Effekte und Wirkungen sind bereits eingetreten. Andere Kennzahlen sind Indikatoren für zukünftige Entwicklungen; sie machen sichtbar, was in Zukunft sein könnte. Mit diesen Kennzahlen ist es möglich, frühzeitig zu planen und zu steuern, bevor die Wirkung eingetreten ist.

Beispiel: Die Kennzahl „Umsatz pro Quartal“ zeigt auf, welcher Umsatz in den zurückliegenden Quartalen erzielt wurde. Zeigt diese Kennzahl, dass der Umsatz in den letzten Quartalen gesunken ist, lässt sich das nicht mehr ändern. Das Ereignis ist bereits eingetreten. Nun muss analysiert werden, was die Gründe dafür waren. Die Kennzahl „Anzahl der Kundenbeschwerden pro Quartal“ kann eine Kennzahl sein, die sichtbar macht, dass der Umsatz zurückgehen kann. Die Wirkung ist noch nicht eingetreten und kann durch geeignete Maßnahmen noch vermieden werden. Deshalb bezeichnet man solche Kennzahlen, die nur indirekt eine Wirkung ergeben oder sichtbar machen können, auch als Indikator.

Das Kennzahlensystem eines Unternehmens sollte ausgewogen sein. Das heißt, es sollte Kennzahlen umfassen, die sich sowohl auf die Vergangenheit, als auch auf die Zukunft des Unternehmens beziehen. Dem entsprechend werden unterschieden:

1. Frühindikatoren

Frühindikatoren als Kennzahlen bilden Vorgänge ab, die heute maßgeblich Einfluss auf zukünftige Ergebnisse und Leistungen haben. Diese Kennzahlen sind also auf die Zukunft ausgerichtet. Sie zeigen frühzeitig auf, ob das Unternehmen auch in Zukunft seine Ziele noch erreichen und seine Leistungen erbringen wird. Deshalb werden sie auch Leistungstreiber genannt.

Gerade die Frühindikatoren spiegeln die Besonderheiten der Strategie eines Unternehmens wider. Deshalb sollten Sie für Ihr Unternehmen individuelle Frühindikatoren identifizieren und entwickeln. Diese Kennzahlen sind wichtig, weil Sie mit ihnen genau das planen und steuern, was Sie strategisch erreichen und umsetzen wollen, und weil Sie damit rechtzeitig oder frühzeitig (re-) agieren können. Frühindikatoren zeigen eben frühzeitig eine Entwicklung auf, die vielleicht aus dem Ruder läuft – und dann können Sie rechtzeitig gegensteuern.

Beispiele für Frühindikatoren sind:

  • Automobil-Zulieferer: Teilnehmende an einem vom Unternehmen jährlich organisierten Vibrationskongress für technische Teile. Ein sehr spezieller Frühindikator, der die Position des Zulieferers als Know-how-Führer in diesem Bereich aufzeigt und mit dessen Beobachtung das Unternehmen die Marktposition weltweit ausbauen und absichern will.
  • Kfz-Anhängerhersteller: Konstruktionsänderungsanteil.
    Der Frühindikator signalisiert, inwieweit bereits bei der Auftragsabsprache die Wünsche und Erwartungen des Kunden richtig ermittelt wurden und inwieweit dem Kunden die Möglichkeiten der individuellen Fertigung vorgestellt wurden. Damit soll die kundenorientierte Serviceleistung des Unternehmens und darauf aufbauend die Marktposition neu ausgerichtet werden.
  • Beratungsunternehmen: Anzahl der Weiterbildungstage für jeweils eine Beraterin oder einen Berater in neuen Themenfeldern. Im Management werden ständig neue Themen und Methoden entwickelt, über die die Beraterinnen und Berater Bescheid wissen müssen. Vielleicht müssen Studien durchgeführt oder eigene Beratungsprodukte zu einem ganz neuen und aktuellen Thema entwickelt werden. Damit soll die Innovationskraft des Unternehmens als Beratungsdienstleister erhalten oder ausgebaut werden.

2. Spätindikatoren

Spätindikatoren bilden vergangene Ereignisse ab, indem sie die Ergebnisse und Erfolge darstellen, die sich aus den Ereignissen ergeben haben. Deshalb werden sie auch als Ergebniskennzahlen oder Endpunkte bezeichnet. Das heißt, sie zeigen auf, ob und wie gut eine Strategie umgesetzt oder ein Ziel erreicht wurde.

Endpunkt meint dabei nicht, dass damit das Ziel endgültig erreicht wurde und alle Bemühungen eingestellt werden können. Damit ist vielmehr gemeint, dass ein Zeitraum als beendet betrachtet wird und die Ergebnisse für diesen vergangenen Zeitraum als Kennzahl dargestellt und analysiert werden. Endpunkte in diesem Sinn haben also mehr Meilenstein-Charakter, denn es werden auch danach Ereignisse stattfinden, die die Kennzahl beeinflussen. Nur dann haben Planung und Steuerung für Spätindikatoren einen Wert.

Viele klassische Kennzahlensysteme in Unternehmen setzen sich fast ausschließlich aus Spätindikatoren zusammen. Meistens sind dies typische Kennzahlen, die in vielen Unternehmen angewendet werden. Beispiele sind:

  • Umsatz
  • Gewinn
  • Marktanteil
  • Kundenzufriedenheit

Kennzahlen zur Analyse von Ursachen und Wirkungen

Ob eine Kennzahl ein Früh- oder ein Spätindikator ist, lässt sich meistens nur aus der Fragestellung ableiten, die mit ihr betrachtet wird. Denn Frühindikatoren und Spätindikatoren lassen sich als Kennzahlen interpretieren, die Ursache-Wirkungsbeziehungen sichtbar machen, die im jeweiligen Unternehmen relevant sind. Ein Spätindikator zeigt die Wirkung und ein Frühindikator die Ursache für eine Wirkung. Wird die Ursache hinter der Ursache gesucht, dann wird der Frühindikator zur Wirkung und damit zum Spätindikator und eine andere Kennzahl zeigt als Frühindikator tiefer liegende Ursachen auf – die dann behandelt werden können.

So kann beispielsweise die Kennzahl „Kundenzufriedenheit“ ein Frühindikator sein für zukünftige Entwicklungen des Absatzes, der Umsätze und der Gewinne (Spätindikatoren). Denn wenn unzufriedene Kunden abwandern, können Absatz, Umsatz und Gewinn darunter leiden und sinken.

Die „Kundenzufriedenheit“ kann auch ein Spätindikator sein und im Nachhinein abbilden, wie gut die Leistung beim Kunden ankam und von ihm bewertet wurde. Sie ergibt sich zum Beispiel aus der Produktqualität, der Lieferzeit, Funktionsumfang oder Schnelligkeit der Bearbeitung einer Kundenanfrage. Die entsprechenden Kennzahlen dazu sind dann wiederum Frühindikatoren für die Entwicklung der Kennzahl „Kundenzufriedenheit“.

Aus diesem Grund ist es wichtig, sich über die inhaltliche Bedeutung der Kennzahlen Klarheit zu verschaffen und Zusammenhänge aufzuzeigen. Diese ergibt sich aus der jeweiligen Verwendung einer Kennzahl in Gesprächen oder als Grundlage für Entscheidungen. Abbildung 2 zeigt solche Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Kennzahlen auf, wie Sie in einer Balanced Scorecard oder Strategy Map genau zu diesem Zweck dargestellt werden.

Abbildung 2: Kennzahlen und ihre Zusammenhänge
Praxis

Überprüfen Sie, welche zeitliche Perspektive Sie mit Ihren Kennzahlen betrachten. Unterscheiden Sie dabei:

  • Welche Frühindikatoren nutzen Sie? Frühindikatoren sind in die Zukunft gerichtet, zeigen mögliche Entwicklungen auf.
  • Welche Kennzahlen sind Spätindikatoren? Spätindikatoren bilden die Vergangenheit ab, zeigen die erreichten Ergebnisse und Leistungen.

Halten Sie die Ergebnisse Ihrer Analysen in der folgenden Vorlage fest.

Stellen Sie die Zusammenhänge der Indikatoren grafisch dar. Orientieren Sie sich dazu am folgenden Beispiel für eine Strategy Map und stellen Sie dann Ihre Kennzahlen in der leeren Vorlage zusammen.

Nachdem Sie geklärt haben, welchen Zweck Ihre Kennzahlen haben und was sie im besten Fall sichtbar machen sollen, dann müssen Sie festlegen, wie die dafür notwendigen Daten gemessen werden und woher sie kommen. Wie Sie Messung und Datenerhebung planen und durchführen, erfahren Sie im folgenden Abschnitt des Handbuch-Kapitels.

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