Bausteine für das Qualitätsmanagement nach ISO 9001Mit der Turtle-Methode arbeiten
- Was ist ein Turtle-Diagramm?
- Turtle-Methode für die Prozessanalyse
- Beschreibung und Analyse von Prozessen mit W-Fragen
- Wie sieht ein Turtle-Diagramm aus?
- Wofür wird die Turtle-Methode eingesetzt?
- So funktioniert die Turtle-Methode und so erstellen Sie ein Turtle-Diagramm
- Schwachstellenanalyse auf Grundlage des Turtle-Diagramms
- 11 Vorlagen im Praxisteil
Was ist ein Turtle-Diagramm?
Mit einem Turtle-Diagramm wird ein Prozess, ein Prozessabschnitt oder ein Prozessschritt anhand unterschiedlicher Merkmale beschrieben und charakterisiert. Die Informationen zur Prozessbeschreibung werden als Grafik in Form einer Schildkröte visualisiert: das Turtle-Diagramm oder Schildkröten-Diagramm.
Die Merkmale im Turtle-Diagramm beinhalten insbesondere Prozess-Input, Prozess-Output, Ziele, Ressourcen, Beteiligte, Kennzahlen sowie Methoden. Das sind die Extremitäten der Schildkröte. Das Erstellen eines Turtle-Diagramms wird als Turtle-Methode bezeichnet.
Turtle-Methode für die Prozessanalyse
Die Prozessanalyse ist ein wesentlicher Baustein des Qualitätsmanagements. Die Turtle-Methode ist eine Art der Visualisierung und Analyse von Prozessen und einzelner Prozessmerkmale für das Qualitätsmanagement.
Mit dem Turtle-Diagramm lassen sich die Prozessmerkmale übersichtlich auf einer Seite darstellen. Nach ISO/TS 16949 und nach VDA, Band 6, Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie ist das Turtle-Diagramm eine Grundlage für das Qualitätsaudit und die Zertifizierung.
Beschreibung und Analyse von Prozessen mit W-Fragen
Welche Informationen zu einem Prozess mit der Turtle-Methode erhoben und im Turtle-Diagramm dargestellt werden, hängt von der Komplexität des Prozesses und vom Zweck der Analyse ab. Auf jeden Fall werden die einzelnen Prozessaktivitäten oder Tätigkeiten benannt: „Was ist zu tun?“
Damit wird ein gewünschtes Prozessergebnis oder Resultat erzeugt: der Prozess-Output. Voraussetzung ist, dass der Prozess eine Eingabe erhält: der Prozess-Input. Ergänzt werden weitere Informationen anhand folgender W-Fragen:
- Womit: Ressourcen
- Wer/ mit wem: Verantwortliche, Beteiligte und Betroffene
- Wofür/ wie gut: Ziele und Kennzahlen
- Wie: Methoden, Verfahren und Anweisungen
- Woher: Auslöser oder Quelle des Prozess-Inputs
- Wohin: Weitergabe oder Nachfolger für den Prozess-Output
Wie sieht ein Turtle-Diagramm aus?
Die Darstellung und Benennung der Prozessmerkmale auf einer Seite und in Form einer Schildkröte ist das Besondere an der Turtle-Methode. Das gibt einen Überblick und schafft Transparenz. Die kritischen Merkmale eines Prozesses können so hervorgehoben werden. Abbildung 4 zeigt, wie ein Turtle-Diagramm aussehen kann.
Wofür wird die Turtle-Methode eingesetzt?
Mit der Turtle-Methode zur Prozessbeschreibung und Prozessanalyse können mehrere Zwecke erfüllt werden. Das Unternehmen kann sich damit auf ein Qualitätsaudit vorbereiten, indem es die Schwachstellen der Prozesse identifiziert, Risiken erkennt und Lösungen entwickelt. Für den Auditor wird dies transparent und bewertbar. Das Turtle-Diagramm ist deshalb meistens ein Baustein des internen und externen Audits.
Gleichzeitig werden Risiken im Prozess sichtbar. Beispiele sind:
- die Ressourcen sind zu knapp geplant;
- es gibt keine eindeutige Prozessverantwortung, sodass Fehler nicht erkannt werden;
- wichtige Input-Informationen fehlen oder werden zu spät geliefert;
- Methoden und Werkzeuge sind nicht angemessen, um den erwünschten Prozess-Output zu erzeugen.
Mit dem Turtle-Diagramm werden die Schnittstellen zwischen zwei Prozessen oder Prozessschritten geklärt. Denn der Output des einen Prozesses ist der Input des anderen, nachfolgenden Prozesses. Mit dem Turtle-Diagramm wird sichtbar, wenn Schnittstellen nicht reibungslos funktionieren und wichtige Informationen verloren gehen.
Außerdem werden im Turtle-Diagramm die Ziele vorgegeben, die mit dem Prozess erreicht werden sollen. Ob das gelingt, wird durch Kennzahlen dargestellt, die aus den Zielen abgeleitet werden. Das macht die Leistung des Prozesses sowie mögliche Leistungsdefizite sichtbar.
So ist die Turtle-Methode ein wichtiges und hilfreiches Werkzeug, um Prozesse zu verbessern und die interne und externe Kundenzufriedenheit zu steigern.
So funktioniert die Turtle-Methode und so erstellen Sie ein Turtle-Diagramm
Mit der Turtle-Methode sammeln Sie alle Informationen und Daten, die Sie in Ihrer Schildkröte darstellen und benennen wollen. Was das im Einzelnen umfasst, hängt von Ihren Zielen und Zwecken ab. In jedem Fall stellen Sie Informationen zu folgenden Elementen der Schildkröte zusammen.
Output
Der Schwanz der Schildkröte symbolisiert den Prozess-Output, das Resultat oder Ergebnis. Das kann eine Information, eine Dienstleistung oder ein Produkt sowie eine Kombination aus all dem sein. Mit der Turtle-Methode stellen Sie zusammen, was dieses Ergebnis in jedem Fall kennzeichnen oder leisten soll. Grundlage dafür sind die Anforderungen der Kunden oder des Nachfolgeprozesses. Im Einzelnen halten Sie fest:
- Eigenschaften und Funktionen des Ergebnisses
- Qualitätsmerkmale des Ergebnisses
- Art und Umfang der Informationen, die im Prozess erzeugt werden
- Dienstleistung für den Kunden oder Nachfolgeprozess
Sie können dies ergänzen mit Informationen dazu, wann und in welcher Menge dieses Ergebnis vorliegen soll.
Prozess
Im Prozess beschreiben Sie, was genau getan werden soll, um das gewünschte Ergebnis, den Prozess-Output, zu erreichen. Sie nennen dazu Tätigkeitsbegriffe wie: prüfen, montieren, beraten, schreiben, erstellen, sortieren, testen, messen, … Diese Prozesstätigkeiten machen den Körper der Schildkröte aus.
Input
Damit der Prozess starten kann, benötigt er von einem Vorläuferprozess einen Prozess-Input. Er wird durch den Kopf der Schildkröte symbolisiert. Der Prozess-Input ist immer Information, die besagt, dass etwas getan werden muss. Das ist der Auslöser dafür, dass der Prozess startet.
Außerdem kann der Prozess Material, Teile oder andere Produkte benötigen, die im Prozess umgewandelt und zum Ergebnis transformiert werden. Sie halten im Turtle-Diagramm fest, welcher Input für den Prozess notwendig ist. Zum Beispiel:
- Art und Umfang der Informationen, die der Prozess braucht, um zu starten und aktiv zu werden
- Material, Teile, Komponenten, Baugruppen, Produkte
- Kundenanforderungen oder Qualitätsmerkmale, die wichtig sind
- Hinweise dazu, was genau getan werden soll
Stützen des Prozesses
Die vier Beine der Schildkröte symbolisieren die Stützen des Prozesses. Damit erläutern und beantworten Sie weitere W-Fragen, die bei der Prozessdurchführung wichtig sind: womit, wer, wie, wofür, wie gut? Konkret sind das:
- materielle Ressourcen
- personelle Ressourcen
- Methoden
- Ziele und Leistungsindikatoren
In einer Liste stellen Sie zusammen, was genau der Prozess als Stütze und Hilfe braucht, um aktiv zu werden und aus dem gegebenen Input den erwünschten Output zu erzeugen. Das können sein: Maschinen, Geräte, Betriebsstoffe, Infrastruktur, Informationstechnik, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen, Qualifizierungsmaßnahmen, Anweisungen, Verfahrensbeschreibungen, Checklisten, Dokumente sowie Ziele, Kennzahlen, Messgrößen oder Bewertungskriterien.
Wichtig: Benennen Sie im Rahmen der personellen Ressourcen in jedem Fall eine Person eindeutig als Prozess-Eigner. Diese Person ist verantwortlich dafür, dass alle Inputs rechtzeitig verfügbar sind, die Stützen des Prozesses vollständig sind und das Ergebnis rechtzeitig geliefert wird.
Risiken
Was Sie im Turtle-Diagramm benennen und darstellen, kann mit Risiken verbunden sein: Funktionieren die Ressourcen? Wird das Material rechtzeitig bereitgestellt? Agieren die Personen, wie sie sollen? Sind die Anweisungen vollständig und verständlich? Gibt es Störfaktoren, die den Prozessablauf beeinflussen? Soweit dies möglich ist, benennen Sie Risiken. Diese werden ebenfalls im Turtle-Diagramm als Liste dargestellt.
Dokumentation
Schließlich halten Sie alle Informationen stichwortartig in einer Übersicht, dem Turtle-Diagramm, fest. Dieses Diagramm soll eine Seite umfassen – nicht mehr. Bei Bedarf können die einzelnen Stichpunkte in einem ergänzenden Dokument erläutert und erklärt werden. Dort können auch weitere Detail-Informationen gegeben werden. Zum Beispiel können Messwerte für die Leistungsindikatoren angegeben werden.
Schwachstellenanalyse auf Grundlage des Turtle-Diagramms
Wenn die Informationen übersichtlich dargestellt sind und wenn für mehrere, aufeinander folgende Prozesse Turtle-Diagramme erstellt wurden, kann eine Schwachstellenanalyse durchgeführt werden.
Auswertung der Ziele und Leistungsindikatoren
Diese startet mit einem Vergleich der gemessenen Leistungsindikatoren zu den Zielvorgaben. Sie führen einen Soll-Ist-Vergleich durch. Damit wird sichtbar, wenn der Prozess nicht die gewünschte Leistung erbringt.
Im nächsten Schritt kann mit einer Ursachen-Analyse hinterfragt werden, wodurch die Defizite begründet sind. Werkzeuge dafür sind zum Beispiel das Ishikawa-Diagramm oder die Fünf-Why-Methode.
Risikoanalyse
Mit den W-Fragen zur Prozessbeschreibung werden meist die Risiken und Gefahren klar, die damit verbunden sein können. Diese werden ebenfalls im Turtle-Diagramm benannt. Diese Risiken sind wiederum Zeichen für mögliche Schwachstellen.
Wenn das Risiko groß ist, bedeutet dies eine Schwachstelle im Prozess. Um die Bedeutung und das Schadenspotenzial der Risiken zu erkennen und zu bewerten, können Sie eine Fehler-Möglichkeiten-und-Einfluss-Analyse (FMEA) durchführen.
Schnittstellenanalyse
Mit der genauen Darstellung des Inputs und des Outputs des Prozesses werden die Schnittstellen zu Vorgänger-Prozessen und Nachfolger-Prozessen sichtbar. Diese sind ebenfalls mögliche Quellen für Schwachstellen bei Abläufen im Unternehmen. An den Schnittstellen oder Nahtstellen kommt es darauf an, dass alle notwendigen Informationen mit Vorgängern und Nachfolgern ausgetauscht werden. Diese müssen Antwort auf die W-Fragen geben, damit der Prozess funktionieren kann.
Entscheidend sind: was, wie viele, (bis) wann?
Nutzen Sie die Turtle-Methode, wenn Sie Prozesse oder einzelne Prozessschritte übersichtlich auf einer Seite darstellen und für ein Qualitätsaudit bewertbar machen wollen.
Turtle-Diagramm erstellen
Sammeln Sie dazu alle notwendigen Informationen zu:
- Output: Prozessergebnis und gewünschtes Resultat
- Prozess: Tätigkeiten, die durchgeführt werden
- Input: notwendige Informationen und Materialien
- Womit: Ressourcen
- Wer/ mit wem: Verantwortliche, Beteiligte und Betroffene
- Wofür/ wie gut: Ziele und Kennzahlen
- Wie: Methoden, Verfahren und Anweisungen
Fassen Sie diese Informationen auf einer Seite zusammen. Erläutern Sie diese Informationen – sofern notwendig – in einem ergänzenden Dokument. Nutzen Sie für Ihr Turtle-Diagramm die folgenden Vorlagen.
Schwachstellenanalyse
Führen Sie dann eine Schwachstellenanalyse durch. Dazu überprüfen Sie die Informationen und Erläuterungen zum Turtle-Diagramm anhand folgender Aspekte und Kriterien:
- Wo zeigen die Leistungsindikatoren und Kennzahlen, dass die vorgegebenen Ziele nicht erreicht werden? Soll-Ist-Vergleich
- Welche Risiken können kritisch sein und den Prozess-Output gefährden?
- Welche Schnittstellen oder Nahtstellen funktionieren nicht?
- Worüber beschweren sich Kunden und Nachfolgeprozesse?
- Was sind die Ursachen für diese Schwachstellen und möglichen Risiken und Fehler in diesem Prozess?
Nutzen Sie die folgenden Vorlagen für die Schwachstellenanalyse sowie für die Maßnahmenplanung, um Schwachstellen zu beseitigen und Risiken einzugrenzen.
Die folgende Abbildung 5 zeigt, wie eine Prozessbeschreibung und Prozessanalyse auf der Grundlage der Turtle-Methode aussehen kann. Hier am Beispiel Vertragsprüfung und Angebotserstellung.
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