VisionZukunftszielbild entwickeln in zehn Schritten

Wer die Zukunft erreichen will, muss ein Bild davon haben, wer er in Zukunft sein will und was er dort tut. Nur wenn Unternehmen die Trends der Zukunft verstehen und sich mit wachsamem Optimismus zukunftsfit machen, schaffen sie es ins Übermorgen. Wie man ein unternehmerisches Zukunftszielbild kreiert, zeigt dieser Beitrag.

Warum Zukunftsfähigkeit wichtig ist

Was übermorgen der Renner sein soll, müssen wir heute vorbereiten. Doch viele Unternehmen plagt kognitive Zukunftskurzsichtigkeit. Für sie klingt Zukunft nach irgendwann. „Das machen wir später“ ist in Hochgeschwindigkeitszeiten leider sehr schnell „zu spät“.

Die Suche nach zukünftigen Wachstumsfeldern muss also frühzeitig beginnen. Eine Zukunftszielbildplanung sorgt für fundierte Einsichten in voraus liegende Entwicklungen im Umfeld des Unternehmens und seines Geschäftszwecks.

Die Verantwortlichen bekommen auf dieser Basis ein feines Gefühl für Chancen und Risiken, können rechtzeitig Anpassungen vornehmen, mit Bedacht Weichen stellen und müssen seltener auf unerwartete Ereignisse reagieren. Stehen Entscheidungen an, können sie auf „Vorgedachtes“ zurückgreifen sowie rasch und umsichtig handeln.

Zudem gewinnen sie ein klareres Bild von den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden von morgen und finden zu neuen Geschäftsideen in attraktiven Zukunftsmärkten. Das kraftvolle Bild einer brillanten Zukunft zieht auch die besten Talente wie magisch an. Diese sind engagierter und produktiver in ihrem Job, weil sie sich mit dem Zukunftszielbild des Unternehmens identifizieren.

Um all dies in Gang zu bringen, empfehle ich folgendes 10-Schritte-Programm:

Schritt 1: Future Taskforce zusammenstellen

Stellen Sie zunächst eine Future Taskforce für das Vorhaben zusammen. Diese ist crossfunktional, interhierarchisch, genderübergreifend, interkulturell und sowohl mit erfahrenen als auch mit jungen Leuten besetzt.

Am besten involvieren Sie im Vorfeld einen externen Profi, etwa einen Futurologen, der die maßgeblichen Trends mit den Teilnehmenden diskutiert und die jeweiligen Szenarien mitentwickelt. Die Erfahrung zeigt, dass firmeninterne Teilnehmerinnen und Teilnehmer unerwünschte Aspekte womöglich verharmlosen oder negieren, die erwünschten hingegen übertrieben optimistisch darstellen.

Schritt 2: Ausgangsfrage formulieren

Gleich zu Beginn wird eine Ausgangsfrage formuliert, etwa so:

In welcher Arbeits- und Lebenswelt werden wir uns im Zukunftsjahr X befinden?

Noch zielführender ist eine Konkretisierung. Zum Beispiel klingt das bei einem bayerischen Bauträger so:

Wie sieht die Lebenssituation Wohnen mit Blick auf Digitalisierung und Klimaaspekte in 20 Jahren in München aus und welche Einflüsse werden auf Bauträger, Hausverwaltungen und sonstige Teilnehmer im Immobilienmarkt wirken?

Schritt 3: Zielzeitachse bestimmen

Die zu wählende Zeitachse ist je nach Branche verschieden. So unterliegt die kurzlebige Modebranche ganz anderen Zeitzyklen als die sehr langfristig orientierte Bauwirtschaft. In aller Regel ist ein Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren sinnvoll.

Schritt 4: Maßgebliche Trends erforschen

Für diesen Schritt braucht es ausreichend Zeit und eine notwendige Menge an Vorlauf. Zunächst befassen Sie sich mit den maßgeblichen Trends. Hierbei sind besonders die Langzeittrends von Bedeutung. Ergänzend sind die branchenspezifischen Trends zu betrachten.

Wie Sie diese finden? Namhafte Consulting-Firmen, führende Futurologen und Zukunftsforschungsinstitute haben mithilfe wissenschaftlicher Methoden und computergestützter Simulationen Szenarien für eine Vielzahl von Industrien, Märkten und Lebenssituationen entwickelt, die teils kostenlos auf deren Webseiten abrufbar sind.

Wenn es speziell um technologische Entwicklungen geht, ist der Gartner Hype Cycle von Interesse, der unter anderem den Reifegrad einer jeweiligen Technologie zeigt. Eigene Analysen, vertiefende Online-Recherchen, Einblicke in fortschrittliche andere Branchen, Videos, Podcasts und Gespräche mit Zukunftsexperten und denen, die die neuen Technologien vorantreiben, bilden eine weitere Grundlage für die Vorausschau.

Schritt 5: Veränderungskräfte identifizieren

Hierzu betrachten Sie die maßgeblichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Einflüsse sowie die möglichen Triebkräfte, sogenannte Driving Forces, die von außen auf eine Branche und speziell auf Ihr Unternehmen langfristig einwirken können.

Im Bereich des Wohnens sind das zum Beispiel:

  • Demografie
  • Zu- und Abwanderung
  • Wohnbedarf
  • Einkommenslage
  • gesetzliche Vorschriften
  • Infrastruktur
  • Smart City
  • Energieversorgung
  • Wasserversorgung
  • Verkehr
  • Büro- und Gewerbeflächen
  • Shoppingverhalten
  • Begrünung
  • Naturschutz
  • Sicherheit

Schritt 6: Mögliche Szenarien entwickeln

Bestimmen Sie nun die Szenarien, mit denen Sie sich ausführlich befassen wollen. Ich empfehle, drei Szenarien zu entwickeln und zu beschreiben, zum Beispiel diese:

  • ein Beste-aller-Welten-Szenario,
  • ein Sehr-wahrscheinlich-Szenario,
  • ein Schlimmster-Albtraum-Szenario.

Bilden Sie für jedes Szenario eine eigene Arbeitsgruppe. Wichtig: Bei der Entwicklung der Szenarien geht es um mögliche Verläufe, nicht um das für ein Unternehmen machbare. Und ja, dabei müssen Sie sich auch mit Albtraum-Szenarien befassen, um Klarheit darüber zu gewinnen, welche Zukunft Sie ganz sicher nicht wollen.

Schritt 7: Future Personas konzipieren

Kreieren Sie für jedes Szenario eine Future Persona, die in diesem Szenario lebt. Personas sind realitätsnahe prototypische Stellvertreter einer Personengruppe. Im Zukunftsmanagement beschreibt ein Persona-Profil einen zwar fiktiven, aber dennoch charakteristischen Menschen und sein Umfeld im anvisierten Jahr. Es beschreibt typische Handlungen, Eigenschaften, Vorgehensweisen und Erwartungen.

Stellen Sie sich dazu Fragen wie diese:

  • In welcher Umwelt wird die prognostizierte Person im Zukunftsjahr leben?
  • Wie wird sie arbeiten?
  • Wo und wie wird sie kaufen und konsumieren?
  • Von welchen Trends wird sie beeinflusst?
  • Was sind die vorherrschenden Themen ihrer Zeit?
  • Von welchem gesellschaftlichen Kontext ist sie umgeben, was wird dort wichtig sein und was sorgt für soziale Akzeptanz?
  • Was wird diese Persona begeistern und was wird sie enttäuschen?

Entwickeln Sie auf dieser Basis eine lebendige Story, die von einer Passage im künftigen Leben dieser Persona erzählt.

Schritt 8: Passende Handlungsfelder fixieren

Wählen Sie in diesem Schritt aus, mit welchem der Szenarien Sie sich näher befassen wollen. Wer die nicht gewählten Szenarien erstellt hat, stößt zu diesem Szenario-Team dazu, um zu bereichern oder vor den Gefahren eines Albtraum-Szenarios zu warnen.

Definieren Sie dann die Handlungsfelder, die sich für Ihr Unternehmen fortan ergeben. Der Bauträger könnte sich dabei zum Beispiel auf Zukunftskonzepte wie Co-Living, Co-Working, Co-Gardening und Co-Mobility konzentrieren.

Schritt 9: Zukunftsstrategie definieren

Zunächst geht es nun um das Zukunftszielbild des Unternehmens, welche Idealpositionierung es also in dieser Zukunft haben wird. Daraus wird eine Zukunftsstrategie abgeleitet.

Dann werden die Etappenschritte definiert, die nötig sind, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Um nicht der Gefahr zu erliegen, die Zukunft aus der Vergangenheit und Gegenwart heraus einfach fortzuschreiben, bedienen Sie sich der Retropolation, auch Backcasting oder Regnose genannt.

Dabei wird, ausgehend von der beschriebenen Zukunft im Zieljahr, in festgelegten zeitlichen Schritten rückwärtsgehend abgeleitet, was jeweils bis zu einem bestimmten Zeitpunkt getan sein muss, damit die gewünschte Zukunft Wirklichkeit werden kann. Zum Beispiel lautet die Frage im Fall eines Fünf-Jahres-Zeitraums:

Wenn wir in fünf Jahren ein Zielbild X erreichen wollen, welche Maßnahmen müssen in vier, drei, zwei, einem Jahr ergriffen worden sein, um dorthin zu gelangen?

Oder bei einem Albtraumszenario in zehn Jahren:

Welche Maßnahmen müssen in acht, sechs, vier, zwei Jahren ergriffen worden sein, damit uns das ganz sicher nicht passiert?

© Anne M. Schüller
Zukunftsszenarien mit Retropolation in fünf Schritten

Schritt 10: Umsetzungspläne initiieren

Nachdem die Handlungsfelder fixiert, Zukunftszielbild und -strategie definiert sowie die sich aus der Retropolation ergebenden Etappenschritte festgelegt sind, werden die notwendigen Umsetzungspläne entworfen. Auf diese Weise stolpern Unternehmen nicht länger durch die Umstände getrieben voran, sondern projektieren ihre Zukunft aus der Vorausschau heraus und in einem gesamten Kontext.

Und Achtung dabei: Zukunftsgerichtete Aktivitäten sind niemals Projekte mit Anfang und Ende. Sie befinden sich immer in einer Transition, dem Übergang zu etwas noch besserem Neuen. Insofern sind iterative Vorgehensweisen entscheidend, um zeitnah auf neueste Entwicklungen reagieren zu können. Denn sowohl die Ausprägung von Trends als auch die Reaktionen der Märkte darauf ändern sich laufend.

Auf einen Blick: Ein Future Canvas erstellen

Für die Gesamtschau lässt sich ein Future Canvas erstellen. Dies ist eine großformatige, einseitige Übersicht, auch Zukunftslandkarte genannt, die auf einen Blick die wesentlichen Elemente Ihrer strategischen Zukunftsarbeit sichtbar macht.

Hierauf können die einzelnen Aktivitäten und die dazugehörigen Überlegungen festgehalten und gemeinsam mit den Beteiligten bearbeitet werden. Die in den einzelnen Feldern aufgezeigten Aspekte sind nicht fix, sondern werden flexibel an die fortschreitende Entwicklung angepasst.

Die ausführlichen Details zu den einzelnen Aspekten können in einer separaten Dokumentation dargelegt werden. Die sich daran anschließende Umsetzungsplanung wird auf einem weiteren Maßnahmen-Canvas visualisiert.

© Anne M. Schüller
Future Canvas: Visualisierung einer Zukunftslandkarte

Dazu im Management-Handbuch

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