Wann sollten Sie sich über Vorgesetzte beschweren?

Wer eine Beschwerde über eine Führungskraft schreibt, sollte dies nicht aus einer Laune heraus tun. Eine Beschwerde kommt entweder bei einem inakzeptablen einzelnen Vorfall in Betracht oder bei einem Dauerkonflikt, der für den Arbeitnehmer nicht länger hinnehmbar ist.

Bevor Sie eine „offizielle“ Beschwerde einreichen, sollten Sie abwägen:

  • Ist der Vorfall oder das Verhalten der Führungskraft so schwerwiegend, dass direkt an Beschwerde angebracht ist?
  • Oder handelt es sich um eine Situation, die anders gelöst werden kann, zum Beispiel durch ein persönliches Gespräch mit der Führungskraft?

Diese Abwägung kann im Einzelfall schwierig sein. Holen Sie sich Meinungen von vertrauten Personen ein, zum Beispiel von Arbeitskollegen oder Familienmitgliedern.

Im Zweifel sollten Sie (zunächst) das „mildere Mittel“ wählen und versuchen, das Problem im persönlichen Gespräch mit der Führungskraft zu klären.

Gesetzliches Beschwerderecht

Der Gesetzgeber sieht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an zwei Gesetzesstellen ein Beschwerderecht vor:

Betriebsverfassungsgesetz

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, heißt es im § 84 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz.

Eine Beschwerde ist möglich, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Im Rahmen seiner Beschwerde kann der Arbeitnehmer ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Gemäß § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben die Beschäftigten das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn sie sich benachteiligt fühlen.

Maßgeblich sind die in § 1 AGG genannten Gründe für eine Benachteiligung:

  • Rasse
  • ethnische Herkunft
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung
  • Alter
  • sexuelle Identität

Liegt eine darauf gründende Benachteiligung durch Arbeitgeber, Vorgesetzte, andere Beschäftigte oder Dritte vor, ist eine Beschwerde möglich.

Was sind Gründe für Beschwerden?

Bei folgenden Anlässen ist eine Beschwerde möglich oder sogar angebracht:

  • Mobbing
  • Ungleichbehandlung von Frauen und Männern
  • Diskriminierung bestimmter Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen im Sinne des AGG
  • Führungsstil, der dauerhaft Teamkonflikte schürt
  • Beleidigungen gegenüber den Mitarbeitenden
  • Führungskraft verstößt gegen rechtliche Vorschriften, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis wichtig sind
  • Führungskraft vergreift sich regelmäßig im Ton und diskreditiert damit die Beschäftigten

Folgende Situationen sind – für sich genommen – noch kein Anlass für eine offizielle Beschwerde:

  • Führungskraft ist für die Mitarbeitenden schlecht erreichbar
  • Führungskraft kommuniziert zu wenig mit den Mitarbeitenden
  • Der Führungskraft fällt es schwer, Verantwortung an die Mitarbeitenden zu übertragen
  • Führungskraft ist schlecht organisiert
  • Führungskraft überfrachtet die Mitarbeitenden mit Arbeit, sodass sich diese überfordert fühlen

In solchen Fällen sollten Sie zunächst das Gespräch mit der Führungskraft suchen und das Problem offen ansprechen. Das Ziel muss dabei sein, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Was müssen Mitarbeiter vor einer offiziellen Beschwerde beachten?

Eine Beschwerde hinsichtlich eines Ereignisses, das Sie nicht nachweisen können, bringt wenig. Deshalb ist es wichtig, den Beschwerdegrund beweisen zu können, zum Beispiel durch:

  • Zeugen, die bei einem bestimmten Vorfall oder bei bestimmten Arbeitsanweisungen dabei waren
  • Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, die ähnliche Erfahrungen mit der Führungskraft gemacht haben
  • E-Mails, die Ihnen die Führungskraft geschickt hat
  • Dienstliche Anweisungen durch die Führungskraft, die einen Rechtsverstoß belegen
Merke

Dokumentieren Sie die Anlässe und Ereignisse, die zu der Beschwerde führen, schriftlich. Vermeiden Sie dabei „schwammige“ Vorwürfe, sondern benennen Sie den Beschwerdegrund möglichst präzise.

Wo kann man sich über Führungskräfte beschweren?

Mögliche Anlaufstellen für Beschwerden hinsichtlich des Verhaltens einer Führungskraft sind insbesondere:

  • die betriebliche Beschwerdestelle
  • der Betriebsrat
  • die Personalabteilung

Hat das Unternehmen keine Beschwerdestelle und keinen Betriebsrat, bleibt nur die Personalabteilung.

Wie geht es nach einer Beschwerde weiter?

Was muss der Arbeitgeber bei einer offiziellen Beschwerde tun?

Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, Abhilfe zu schaffen, sofern sie die Beschwerde für berechtigt erachten. Das bedeutet: Arbeitgeber müssen der Beschwerde nachgehen und sich mit dem vom Arbeitnehmer vorgetragenen Sachverhalt befassen.

Kommt der Arbeitgeber zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde begründet ist, muss er Gegenmaßnahmen treffen und sich um eine Lösung des Problems bemühen.

Wichtig: Der Gesetzgeber schreibt vor, dass dem Arbeitnehmer wegen der Erhebung einer Beschwerde keine Nachteile (im Arbeitsverhältnis) entstehen dürfen.

Was muss der Betriebsrat tun?

Wenn die Beschwerde beim Betriebsrat eingeht, ist dieser dazu verpflichtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken – falls er die Beschwerde für berechtigt erachtet. Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde, kann der Betriebsrat die sogenannte Einigungsstelle anrufen.

Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sofern Gegenstand der Beschwerde kein Rechtsanspruch ist.

Was muss die betriebliche Beschwerdestelle tun?

Reicht eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eine Beschwerde, bei der es um einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach dem AGG geht, bei der betrieblichen Beschwerdestelle ein, sieht der Gesetzgeber ein bestimmtes Beschwerdeverfahren vor.

Die Beschwerdestelle hat zunächst die Aufgabe, eingehende Beschwerden zu prüfen und den geschilderten Sachverhalt aufzuklären. Kommt die Beschwerdestelle zum Ergebnis, dass es sich um eine begründete Beschwerde handelt, dann ist der Arbeitgeber, sofern er von der Beschwerdestelle entsprechend informiert wurde, dazu verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Person zu ergreifen.

Wenn die Beschwerde als nicht gerechtfertigt erachtet wird

Bei einer betriebsinternen Beschwerde liegt es letztlich im Ermessen der zuständigen Stelle, ob sie die Beschwerde für begründet oder unbegründet einstuft. Gegenmaßnahmen muss der Arbeitgeber grundsätzlich nur dann treffen, wenn er die Beschwerde für gerechtfertigt hält und wenn er von der Beschwerdestelle (zum Beispiel der Personalabteilung) darüber informiert wird, dass es sich um eine begründete Beschwerde handelt.

Kommt der Arbeitgeber zum Ergebnis, dass die Beschwerde unbegründet ist, muss sich der Mitarbeiter überlegen, wie er nun weiter vorgehen soll:

  • Wartet er ab und lässt die Angelegenheit (zunächst) auf sich beruhen?
  • Oder möchte er weiterhin gegen den – aus seiner Sicht existierenden – Beschwerdegrund vorgehen?

Im letzteren Fall bleibt ihm die Möglichkeit, eine erneute Beschwerde (eventuell mit präziseren Angaben) einzureichen, oder er kann den Weg einer Klage vor dem Arbeitsgericht gehen, zum Beispiel wenn er sich aufgrund eines AGG-Merkmals diskriminiert fühlt.

Welche Konsequenzen drohen der Führungskraft nach einer Beschwerde?

Stellt sich aufgrund der Beschwerde heraus, dass eine beim Unternehmen angestellte Führungskraft gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten oder sogar gegen Gesetze verstoßen hat, kommen die üblichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen in Betracht – wie bei „normalen“ Beschäftigten.

Die Palette der Sanktionsmöglichkeiten reicht von einer mündlichen Ermahnung, über eine Abmahnung bis zu einer (fristlosen) Kündigung. Welche Maßnahme angemessen ist, hängt von der Schwere des Fehlverhaltens ab.

Wie geht es nach einer Beschwerde mit Mitarbeiter und Führungskraft weiter?

Wie nach einer Beschwerde eine Zusammenarbeit weiterhin möglich und ob eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses überhaupt sinnvoll ist, kann nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Folgende Fragen und Faktoren sollten Sie dabei im Wesentlichen berücksichtigen:

  • Wie schwerwiegend war der Vorfall, der sich zwischen Mitarbeiter und Führungskraft ereignet hat?
  • Haben beide Seiten den Willen, die Zusammenarbeit und das Arbeitsverhältnis fortzuführen?
  • Können sich beide Seiten zukünftig zusammenraufen oder scheint dies unmöglich?
  • Ist der Beschwerdegrund vollständig ausgeräumt oder bleibt von dem Konflikt etwas zurück?
  • Ist das Vertrauensverhältnis derart gestört, dass keine konstruktive Zusammenarbeit mehr denkbar ist?
  • Ist eine Trennung die beste Lösung (auch mit Blick auf den Betriebsfrieden)?
Praxis

Wie Sie eine Beschwerde einreichen

Wenn Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einen konkreten und begründeten Grund und Anlass für eine Beschwerde haben, sollten Sie diese offiziell einreichen.

Wenden Sie sich an die Personalabteilung, Ihren Betriebsrat oder Ihre Beschwerdestelle (falls es diese gibt).

Beachten Sie: Besonderes Fehlverhalten Ihrer Vorgesetzten oder Ihres Vorgesetzten müssen Sie nicht hinnehmen. Mobbing, dauerhafte Benachteiligung wegen Alter, Geschlecht oder anderen Gründen, Beleidigungen und Beschimpfungen sind keine Lappalien.

Bedenken Sie dabei auch, wie es nach der Beschwerde für Sie und die Führungskraft weitergehen kann:

  • Welche Konsequenzen hat eine erfolgreiche Beschwerde für die weitere Zusammenarbeit?
  • Wie können Sie in einen anderen Bereich Ihres Unternehmens wechseln?
  • Inwiefern wird die Führungskraft den Grund Ihrer Beschwerde und die Folgen akzeptieren und ihr Verhalten in Zukunft ändern?

Vielleicht ist aufgrund dieser Überlegungen zunächst ein persönliches Gespräch mit dem oder der Vorgesetzten besser. Bitten Sie dann um einen Gesprächstermin und nutzen Sie dafür die folgende Vorlage.

Da es um einen Konflikt zwischen Ihnen und Ihren Vorgesetzten geht, ist es hilfreich, wenn Sie vorab für sich selbst die Konfliktsituation klären. Bereiten Sie sich mithilfe der folgenden Vorlage gut auf das Gespräch vor, um sachlich und emotional gerüstet zu sein.