Kunden zurückgewinnenKundenabwanderung verhindern
Kundenzufriedenheit und Alternativen der Beschaffung
Noch bevor der Kunde den Kontakt zu Ihrem Unternehmen als seinem bisherigen Lieferanten abbricht, sollten Sie mögliche Anzeichen für seine Abwanderungstendenzen erkennen. Oft lässt sich dann die Kundenabwanderung durch Gegenmaßnahmen verhindern. Diese sind Teil des sogenannten Churn Managements.
Wichtig dabei ist, schon in dieser Phase des „latenten Abwanderungspotenzials“ das Maß der Unzufriedenheit des Kunden und seine Möglichkeiten für alternative Beschaffung beim Wettbewerb zu ermitteln und einzuschätzen.
Churn Management
Das Churn Management ist Teil des Managements der Kundenbeziehung und der Kundenbindung. Churn fasst als Kunstwort zusammen, worum es dabei geht: Change im Sinne einer Veränderung der Kundenbeziehung und Turn im Sinne der Zuwendung zum Kunden.
Im Einzelnen geht es beim Churn Management darum, abwanderungswillige Kunden zu identifizieren und ungewollte Abwanderung zu verhindern. Rentable Kunden sollen gehalten und unrentablen Kunden soll die Abwanderung erleichtert werden.
Kunden können mit den Leistungen ihres Anbieters unzufrieden sein, haben aber keine wirkliche Einkaufsalternative. Solange diese nicht existiert, ist die Gefahr der Abwanderung gering. Trotz fehlender Kundenzufriedenheit funktioniert die Kundenbindung. Aber Vorsicht: Alternativen für den Kunden können schnell auftauchen. Diese müssen Sie als Anbieter im Blick haben.
Andererseits: Kunden können mit den Leistungen ihres Anbieters zufrieden sein und dennoch abwandern. Sie wollen einfach etwas Neues ausprobieren, die Kauf-Situation oder Rahmenbedingungen der Kunden ändern sich, oder ein Wettbewerber macht ein attraktiveres Angebot. Auch diese Faktoren sollten Sie als Anbieter kennen und im Blick behalten.
Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind nicht direkt miteinander verknüpft. Kundenbindung ist nicht zwingend eine Folge der Kundenzufriedenheit, so wie Kundenunzufriedenheit nicht zwingend zur Kundenabwanderung führt.
Für Unternehmen ist es wichtig zu wissen, in welcher Form diese beiden Aspekte des Kundenmanagements zusammenhängen, welche Abhängigkeiten im Einzelfall existieren und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen. Wichtige Einflussfaktoren für die Kundenbindung sind: Image des Anbieters, Vertrauen des Kunden sowie Wechselmöglichkeiten und Wechselbarrieren.
Mehr dazu finden Sie in den Handbuch-Kapiteln zur Kundenanalyse und zur Kundenzufriedenheit.
Anzeichen der Kundenabwanderung erkennen
Um Anzeichen der Kundenabwanderung zu erkennen, müssen Daten und Informationen zum Kunden erhoben und analysiert werden. Dazu zählen Nutzungsmerkmale, die beschreiben, welche Art von Produkten und Dienstleistungen der Kunde kauft und wie er sie nutzt. Außerdem zeigt das Kaufverhalten des Kunden, wie eng seine Bindung ist. Indikatoren für das Kaufverhalten können sein:
- Bestellhäufigkeiten
- Art des genutzten Vertriebskanals
- Dauer bis zum Zahlungseingang
Schließlich spielen soziodemografische Faktoren des Kunden eine Rolle. Dazu zählen Alter, Einkommen, Wohnsituation, Wohnort oder Familienverhältnisse. Bei gewerblichen Kunden können relevante Merkmale sein: Größe des Unternehmens, Erfolg im Markt, eingesetzte Technologien, Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etc.
Daraus lassen sich mögliche Anzeichen für eine Kundenabwanderung ableiten. Das können sein:
- Beschwerden
- Wechselandrohung
- reduzierte Inanspruchnahme der Leistungen
- Rückgang des Umsatzes (pro Jahr oder pro Monat)
- abnehmende Kontakthäufigkeit
- Teilkündigungen
- Erreichen eines bestimmten Alters
- Änderung der Kontaktadresse
- abnehmendes Antwortverhalten auf Kundenansprache oder Kampagnen
- geringe Restlaufzeit des Vertrags
Aufgrund solcher Faktoren können Sie einschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kunde in einem definierten Zeitraum abwandern wird. Aus einer umfassenden Analyse der genannten Informationen und Daten wird ein Churn Score für den Kunden berechnet, der die Wahrscheinlichkeit der Abwanderung ausdrückt.
Beispiel: Kundenabwanderung beim Mobilfunkanbieter
Viele Mobilfunkanbieter melden sich kurz vor Auslaufen des Vertrags bei ihren Kunden und unterbreiten ihnen ein lukratives Angebot für eine Vertragsverlängerung; etwa einen günstigen Tarif oder ein neues Mobiltelefon.
Wie gut Sie einschätzen, ob ein Kunde abwandert, hängt stark von der Güte des dahinter liegenden Erklärungsmodells ab. Manchmal spielen zusätzliche Erfahrungswerte im Vertrieb eine Rolle. Droht der Verlust des Kunden, kann er rechtzeitig angesprochen und es können spezielle Angebote oder Anreize gemacht werden, um die Kundenbeziehung zu pflegen und den Kunden zu behalten.
Mit Kennzahlen die Wahrscheinlichkeit der Kundenabwanderung einschätzen
Um die Signale für eine drohende Kundenabwanderung zu erkennen, muss Ihr Unternehmen regelmäßig Informationen sammeln, analysieren und bewerten. Grundlage für diese Analysen können Kennzahlen sein, die das Verhalten des Kunden beschreiben. Beispiele dafür sind:
- Anzahl der Bestellungen des Kunden pro Jahr
- Umsatz mit dem Kunden pro Monat
- Bestellmengen pro Bestellvorgang des Kunden
- Anzahl der Rücksendungen des Kunden
- Anzahl der Reklamationen oder Beschwerden durch den Kunden
Je nachdem, wie sich diese Kennzahlen im Laufe der Zeit verändern, ist diese Entwicklung ein Signal für eine drohenden Kundenabwanderung. Dann sollten mögliche Gründe für diese Veränderungen herausgefunden und analysiert werden.
Qualitative Signale der latenten Kundenabwanderung
Zu den genannten quantitativen Kennzahlen können qualitative Kriterien kommen. Der Vertriebsmitarbeiter im Außendienst oder im Innendienst sollte aufmerksam zuhören und Signale aus dem Gespräch mit dem Kunden wahrnehmen, die auf eine Unzufriedenheit oder Abwanderungstendenzen hindeuten. Zudem können Faktoren wichtig sein, die den Kunden in besonderer Weise an Ihr Unternehmen binden. Sind diese nicht mehr gegeben, droht die Kundenabwanderung.
Beispiel: Der Kunde hat ein sehr gutes Verhältnis zu einem Außendienstmitarbeiter Ihres Unternehmens. Ist dieser nicht mehr für den Kunden zuständig, kann der Kunden abwandern.
Hilfreich ist es, aus solchen Informationen ein Merkmal- und Verhaltensprofil der Kunden zu erstellen. Solche Profile können Aufschluss darüber geben, welche Kunden Ihr Unternehmen in der nächsten Zeit verlieren könnte und welche Kunden besondere Aufmerksamkeit brauchen, damit es nicht dazu kommt. Die Informationen helfen bei der Prävention der Kundenabwanderung. Sie sind Grundlage für das Churn Management.
Strategien und Maßnahmen im Churn Management
Um Kundenabwanderung zu vermeiden, können unterschiedliche Strategien verfolgt werden. Sie sind mit jeweils spezifischen Maßnahmen verbunden, die dazu führen sollen, dass die Kundenbindung funktioniert. Ausnahme ist: Der Anbieter möchte, dass unrentable Kunden abwandern.
Folgende Strategien und Maßnahmen können für die Prävention der Kundenabwanderung erfolgreich sein:
Kommunikation
Das verloren gegangene Vertrauen des Kunden soll wieder aufgebaut werden. Maßnahme dafür ist ein persönliches und klärendes Gespräch. In diesem Gespräch wird herausgestellt, welchen Nutzen der Kunde hat, wenn er bleibt. Die Vorteile des Leistungsangebots für den Kunden müssen deutlich werden.
Anreize
Der Kunde erhält Anreize wie zum Beispiel Einladungen zu Events oder Vertragsanpassungen, die für ihn günstig sind; etwa in Form eines geringeren Preises oder zusätzlicher Leistungen.
Austrittsbarrieren
Es werden Austrittsbarrieren aufgebaut. Dazu zählen zum Beispiel Kündigungsgebühren oder ein aufwendiger Kündigungsprozess. Besonders wirksam sind häufig technische Abhängigkeiten oder Schnittstellen. Sie zu lösen, ist für den Kunden schwierig, weil viele Folgeänderungen notwendig sind. Andere Maßnahmen zum Aufbau von Wechselbarrieren sind: Rabattprogramme, Bonusprogramme oder Kundenclubs.
Kompensation
Wenn es einen speziellen, einmaligen Grund dafür gibt, dass der Kunde vom Unternehmen abwandern will, dann kann für diesen „Beschwerdefall“ eine besondere Kompensation angeboten werden. Zum Beispiel ein finanzieller Verlustausgleich (Beispiel Wertverlust bei Diesel-Autos).
Konzept zum Churn Management erstellen
Entwickeln Sie ein Management-Konzept, mit dem Sie die Kunden identifizieren, die Ihr Unternehmen eventuell verlassen und abwandern und das Grundlage ist für das Churn Management. Erarbeiten Sie zudem geeignete Strategien und Maßnahmen zur Kundenbindung.
Abwanderungssignale erkennen
Stellen Sie Indikatoren zusammen, die das Nutzungsverhalten der Kunden, ihr Kaufverhalten und ihre Situation und Rahmenbedingungen beschreiben.
- Welche Signale können Sie bei Ihren Kunden erkennen, die eine mögliche Abwanderung anzeigen?
- Welche Kennzahlen machen sichtbar, ob ein Kunde abwandern könnte?
- Wie lassen sich diese Kennzahlen ermitteln und auswerten?
- Welche Erfahrungen haben Sie mit Kunden gemacht, die von Ihrem Unternehmen abgewandert sind?
- Wo gibt es offensichtlich einen Zusammenhang zwischen Kundenunzufriedenheit und Kundenabwanderung?
- Welche Wechselbarrieren oder Wechselfaktoren sind für Ihre Kunden relevant?
Halten Sie Signale und Kennzahlen fest, die für die Analyse der möglichen Kundenabwanderung und einer Schätzung der Wahrscheinlichkeit hilfreich sind. Nutzen Sie dazu die folgende Vorlage.
Kundenprofil erstellen
Erstellen Sie für Ihre wichtigen Kunden ein Kundenprofil. Klären Sie dafür:
- Welche Informationen über Ihre Kunden sammeln Sie systematisch?
- Wie werden diese ausgewertet und genutzt?
- Wo sehen Sie Defizite in Bezug auf verfügbare Informationen und Daten?
- Was müssten Sie außerdem über Ihre Kunden wissen, um die Wahrscheinlichkeit einer Abwanderung zu berechnen?
Sammeln Sie entsprechende Informationen und stellen Sie diese in einem Kundenprofil oder Kundensteckbrief zusammen. Markieren Sie dort die Einflussfaktoren für die Kundenabwanderung.
Strategien und Maßnahmen zum Churn Management entwickeln
Leiten Sie aus der Kundenanalyse und aus der Auswertung der Signale und Kennzahlen zur drohenden Kundenabwanderung ab, ob und wie Sie diese vermeiden können. Entwickeln Sie mögliche Strategien und Maßnahmen zum Churn Management. Dazu können gehören:
Kommunikation mit dem Kunden:
Mit dem Kunden gemeinsam klären, warum er abwandern will und was Ihr Unternehmen tun kann, um das zu verhindern.
Anreize zum Verbleib des Kunden schaffen:
Klären Sie, welche Anreize dabei helfen können, den Kunden an Ihr Unternehmen zu binden, auch wenn er abwanderungswillig ist. Erstellen Sie dazu eine Liste möglicher Anreize und legen Sie fest, unter welchen Bedingungen Sie diese dem jeweiligen Kunden anbieten wollen.
Wechselbarrieren entwickeln:
Warum kann es dem Kunden schwerfallen, zu einem anderen Anbieter zu wechseln? Prüfen Sie technische, organisatorische oder wirtschaftliche Faktoren, die aus Sicht des Kunden einen Anbieterwechsel unattraktiv oder aufwendig machen. Passen Sie Ihre Leistungsangebote im Rahmen der Produktplanung entsprechend an.
Kompensationen ermöglichen:
Entwickeln Sie gemeinsam mit Marketing und Vertrieb einzelne Maßnahmen, mit denen Sie unzufriedenen Kunden eine Kompensation seiner „Nachteile“ anbieten können. Erfassen Sie dazu Anlässe für Kundenbeschwerden und entwickeln Sie dazu passende Kompensationsmaßnahmen.
Alle diese möglichen Strategien und Maßnahmen sind fast immer mit einer Fülle von Aufgaben und Einzelaktivitäten verbunden. Entwickeln Sie dazu geeignete Konzepte und Projekte, mit denen diese geplant und umgesetzt werden. Mit der folgenden Vorlage können Sie dazu erste Ideen und grobe Konzepte zusammenstellen.
Im folgenden Abschnitt des Handbuch-Kapitels erfahren Sie, wie Sie die Ursachen und Gründe des Kunden analysieren, wenn dieser doch abwandert oder sein Einkaufs-Budget bei Ihrem Unternehmen reduziert. Daraus lassen sich dann weitere Maßnahmen ableiten, um die Kundenabwanderung zu vermeiden und um verlorene Kunden zurückzugewinnen.